des Spielraumes für mögliche Schwingungen nothwendig ein anderes Verhältniss, als das angegebene doppelte gewählt werden.
Es sey z. B. die Länge des Brückenbogens = 90 Klafter, und die Ausdehnung =
[Formel 1]
= 3 Fuss; so wäre für den Fall, wenn die Ketten mit einer solchen Stärke ange- tragen wären, dass sie die doppelte Spannkraft auszuhalten vermögen, die Ausdehnung = 3/2 Fuss = 18 Zoll; demnach würde das Einsinken dieser Brücke bei ihrer grössten Be- lastung = 3 . 18 = 54 Zoll = 4 Fuss 6 Zoll betragen. Wollte man diese Einsinkung nur auf 2 Fuss reduziren, so würde dieses nach der Proportion P : p = m . L : e = 3 : 2/3 anzu- nehmen seyn, demnach wäre P : p = 9 : 2, folglich P = 4,5 . p; also viel grösser als 2 p.
§. 272.
Allgemein wäre diese Aufgabe auf folgende Art aufzulösen: Wenn die Kettenstäbe bis zu einer gegebenen Belastung (z. B. 600 Zentner auf einen Quad. Zoll) probiert wer- den, und die Querschnittsfläche aller Kettenstäbe in Quad. Zollen = F gesetzt wird, so ist die grösste Spannung, welche die Kette auszuhalten vermag = F . 600 Zentner = P. Die gegebene Spannung, welche die Ketten bei ihrer grössten zufälligen Belastung aus- halten sollen, sey = p. Die Ausdehnung, welche sich bei dieser Probe auf die Länge der probierten Stäbe l ergeben hat, sey = m . l, so wird die Ausdehnung für die Länge L der Ketten = m . L seyn, und wenn wir die zulässige Einsinkung der Ketten in der Mitte = e, folglich die zulässige Ausdehnung =
[Formel 2]
setzen, so haben wir die Proportion F . 600 : p = m . L :
[Formel 3]
Wenn in dieser Proportion drei Glieder gegeben sind, können wir das vierte finden.
Beispiel. Es sey die Länge L = 90 Klafter; die Ausdehnung der Kettenlänge L =
[Formel 4]
= 3 Fuss; die grösste Spannung, welche die Ketten zu erleiden ha- ben = 32000 Zentner = p; das Einsinken in der Mitte der Brücke = 18 Zoll, folglich die Ausdehnung der Ketten für den Fall ihrer grössten Belastung = 6 Zoll = 1/2 Fuss, so haben wir 600 . F : 32000 = 3 : 1/2 und hieraus folgt F = 320 Quad. Zoll, womit die Maasse der in England erbauten Menai Kettenbrücke vollkommen übereinstimmen.
§. 273.
Wir sehen hieraus, dass man zu dem Bauantrage einer Kettenbrücke Folgendes bedarf:
1tens. Das Tragungsvermögen des Eisens auf einen Quad. Zoll, wofür Hr. Telford in England 600 Zentner angenommen hat, welches jedoch wegen der grossen Verän- derlichkeit des Eisens an jedem Ort durch eigene Versuche bestimmt werden muss.
2tens. Die grösste Spannung, welche die Ketten zu erleiden haben, wovon wir im folgenden Kapitel über die statische Baukunst umständlich handeln werden.
3tens. Muss derjenige Spielraum der Ausdehnung, um welchen die Ketten nach ihrer Befreiung von der Belastung zurücktreten, durch die Versuche mit denselben Ket- tengliedern bestimmt werden.
Sind nun diese Grössen gegeben, so ist hiedurch auch die Grösse des Einsin- kens in der Mitte vollkommen bestimmt; oder wenn die Grösse des Einsinkens ge-
Gesetze für die Festigkeit des Eisens.
des Spielraumes für mögliche Schwingungen nothwendig ein anderes Verhältniss, als das angegebene doppelte gewählt werden.
Es sey z. B. die Länge des Brückenbogens = 90 Klafter, und die Ausdehnung =
[Formel 1]
= 3 Fuss; so wäre für den Fall, wenn die Ketten mit einer solchen Stärke ange- tragen wären, dass sie die doppelte Spannkraft auszuhalten vermögen, die Ausdehnung = 3/2 Fuss = 18 Zoll; demnach würde das Einsinken dieser Brücke bei ihrer grössten Be- lastung = 3 . 18 = 54 Zoll = 4 Fuss 6 Zoll betragen. Wollte man diese Einsinkung nur auf 2 Fuss reduziren, so würde dieses nach der Proportion P : p = m . L : e = 3 : ⅔ anzu- nehmen seyn, demnach wäre P : p = 9 : 2, folglich P = 4,5 . p; also viel grösser als 2 p.
§. 272.
Allgemein wäre diese Aufgabe auf folgende Art aufzulösen: Wenn die Kettenstäbe bis zu einer gegebenen Belastung (z. B. 600 Zentner auf einen Quad. Zoll) probiert wer- den, und die Querschnittsfläche aller Kettenstäbe in Quad. Zollen = F gesetzt wird, so ist die grösste Spannung, welche die Kette auszuhalten vermag = F . 600 Zentner = P. Die gegebene Spannung, welche die Ketten bei ihrer grössten zufälligen Belastung aus- halten sollen, sey = p. Die Ausdehnung, welche sich bei dieser Probe auf die Länge der probierten Stäbe l ergeben hat, sey = m . l, so wird die Ausdehnung für die Länge L der Ketten = m . L seyn, und wenn wir die zulässige Einsinkung der Ketten in der Mitte = e, folglich die zulässige Ausdehnung =
[Formel 2]
setzen, so haben wir die Proportion F . 600 : p = m . L :
[Formel 3]
Wenn in dieser Proportion drei Glieder gegeben sind, können wir das vierte finden.
Beispiel. Es sey die Länge L = 90 Klafter; die Ausdehnung der Kettenlänge L =
[Formel 4]
= 3 Fuss; die grösste Spannung, welche die Ketten zu erleiden ha- ben = 32000 Zentner = p; das Einsinken in der Mitte der Brücke = 18 Zoll, folglich die Ausdehnung der Ketten für den Fall ihrer grössten Belastung = 6 Zoll = ½ Fuss, so haben wir 600 . F : 32000 = 3 : ½ und hieraus folgt F = 320 Quad. Zoll, womit die Maasse der in England erbauten Menai Kettenbrücke vollkommen übereinstimmen.
§. 273.
Wir sehen hieraus, dass man zu dem Bauantrage einer Kettenbrücke Folgendes bedarf:
1tens. Das Tragungsvermögen des Eisens auf einen Quad. Zoll, wofür Hr. Telford in England 600 Zentner angenommen hat, welches jedoch wegen der grossen Verän- derlichkeit des Eisens an jedem Ort durch eigene Versuche bestimmt werden muss.
2tens. Die grösste Spannung, welche die Ketten zu erleiden haben, wovon wir im folgenden Kapitel über die statische Baukunst umständlich handeln werden.
3tens. Muss derjenige Spielraum der Ausdehnung, um welchen die Ketten nach ihrer Befreiung von der Belastung zurücktreten, durch die Versuche mit denselben Ket- tengliedern bestimmt werden.
Sind nun diese Grössen gegeben, so ist hiedurch auch die Grösse des Einsin- kens in der Mitte vollkommen bestimmt; oder wenn die Grösse des Einsinkens ge-
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Gesetze für die Festigkeit des Eisens.
des Spielraumes für mögliche Schwingungen nothwendig ein anderes Verhältniss, als das
angegebene doppelte gewählt werden.
Es sey z. B. die Länge des Brückenbogens = 90 Klafter, und die Ausdehnung
= [FORMEL] = 3 Fuss; so wäre für den Fall, wenn die Ketten mit einer solchen Stärke ange-
tragen wären, dass sie die doppelte Spannkraft auszuhalten vermögen, die Ausdehnung
= 3/2 Fuss = 18 Zoll; demnach würde das Einsinken dieser Brücke bei ihrer grössten Be-
lastung = 3 . 18 = 54 Zoll = 4 Fuss 6 Zoll betragen. Wollte man diese Einsinkung nur
auf 2 Fuss reduziren, so würde dieses nach der Proportion P : p = m . L : e = 3 : ⅔ anzu-
nehmen seyn, demnach wäre P : p = 9 : 2, folglich P = 4,5 . p; also viel grösser als 2 p.
§. 272.
Allgemein wäre diese Aufgabe auf folgende Art aufzulösen: Wenn die Kettenstäbe
bis zu einer gegebenen Belastung (z. B. 600 Zentner auf einen Quad. Zoll) probiert wer-
den, und die Querschnittsfläche aller Kettenstäbe in Quad. Zollen = F gesetzt wird, so
ist die grösste Spannung, welche die Kette auszuhalten vermag = F . 600 Zentner = P.
Die gegebene Spannung, welche die Ketten bei ihrer grössten zufälligen Belastung aus-
halten sollen, sey = p. Die Ausdehnung, welche sich bei dieser Probe auf die Länge
der probierten Stäbe l ergeben hat, sey = m . l, so wird die Ausdehnung für die Länge
L der Ketten = m . L seyn, und wenn wir die zulässige Einsinkung der Ketten in der
Mitte = e, folglich die zulässige Ausdehnung = [FORMEL] setzen, so haben wir die Proportion
F . 600 : p = m . L : [FORMEL] Wenn in dieser Proportion drei Glieder gegeben sind, können
wir das vierte finden.
Beispiel. Es sey die Länge L = 90 Klafter; die Ausdehnung der Kettenlänge
L = [FORMEL] = 3 Fuss; die grösste Spannung, welche die Ketten zu erleiden ha-
ben = 32000 Zentner = p; das Einsinken in der Mitte der Brücke = 18 Zoll,
folglich die Ausdehnung der Ketten für den Fall ihrer grössten Belastung = 6 Zoll
= ½ Fuss, so haben wir 600 . F : 32000 = 3 : ½ und hieraus folgt F = 320 Quad.
Zoll, womit die Maasse der in England erbauten Menai Kettenbrücke vollkommen
übereinstimmen.
§. 273.
Wir sehen hieraus, dass man zu dem Bauantrage einer Kettenbrücke Folgendes bedarf:
1tens. Das Tragungsvermögen des Eisens auf einen Quad. Zoll, wofür Hr. Telford
in England 600 Zentner angenommen hat, welches jedoch wegen der grossen Verän-
derlichkeit des Eisens an jedem Ort durch eigene Versuche bestimmt werden muss.
2tens. Die grösste Spannung, welche die Ketten zu erleiden haben, wovon wir im
folgenden Kapitel über die statische Baukunst umständlich handeln werden.
3tens. Muss derjenige Spielraum der Ausdehnung, um welchen die Ketten nach ihrer
Befreiung von der Belastung zurücktreten, durch die Versuche mit denselben Ket-
tengliedern bestimmt werden.
Sind nun diese Grössen gegeben, so ist hiedurch auch die Grösse des Einsin-
kens in der Mitte vollkommen bestimmt; oder wenn die Grösse des Einsinkens ge-
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/309>, abgerufen am 16.07.2024.
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