Wenn man einen prismatischen Körper an einem Ende befestigt, und an dem an- dern eine Kraft anbringt, welche in der verlängerten Richtung beider Endpunkte wirkt, so wird die absolute Festigkeit des Körpers in Anspruch genommen, z. B. wenn der Körper in eine vertikale Lage gebracht, am obern Ende auf irgend eine Art befestigt und am untern Ende mit Gewichten belastet wird.
Viele Versuche, welche man auf diese Weise über die absolute Festigkeit ver- schiedener Materien angestellt hat, gaben das Resultat, dass alle Körper durch ange- hängte Gewichte mehr oder minder ausgedehnt werden, und dass diese Ausdehnungen oder Verlängerungen eines jeden Körpers, so lange die Belastungen klein sind, sehr nahe den angehängten Gewichten proportional sind. Bleiben diese Belastungen innerhalb einer gewissen Gränze, so treten die Theile des Körpers nach Abnahme des ange- hängten Gewichtes wieder in ihre vorige Länge zurück und nehmen ihre ursprüngliche Gestalt wieder an; die Körper haben also innerhalb dieser Gränze eine voll- kommene Elastizität. Wird die Belastung grösser, so behalten die Körper nach Ab- nahme der Gewichte zwar noch eine Elastizität, sie bleiben jedoch verlängert, und wer- den endlich die angehängten Gewichte noch weiter vermehrt, so tritt eine völlige Trennung der Theile des Körpers ein, und sie zerreissen.
Nach den Versuchen des Hrn. Navier und anderer Physiker behält das Eisen seine Elastizität bis beinahe zu zwei Drittel der grössten Last, wovon es zerrissen wird; das Kupfer behält seine Elastizität bis zur Hälfte dieses Gewichtes, das Blei bis etwas über die Hälfte desselben. Man hat ferner gefunden, dass die weitern Ausdeh- nungen dieser Metalle von dem Gesetze der Proportionalität mit der Last sehr abweichen, und diess zwar immer mehr, bis die Körper endlich zerreissen. Weil aber die Körper, welche wir bei Maschinen verwenden, ihre Belastung unverändert tragen sollen, so hat man bisher angenommen, dass man dem Eisen die Hälfte oder ein Drittheil, dem Ku- pfer, Messing und Blei aber ein Drittheil oder ein Viertheil der Last, von wel- cher sie zerreissen, mit voller Sicherheit zu tragen geben oder anvertrauen könne.
§. 238.
Da wir bei dem Maschinen- und Bauwesen und überhaupt in allen Fällen, wo die absolute Festigkeit in Anspruch genommen wird, verlangen, dass die Körper bei ein- tretender Belastung derselben nicht zerreissen, und bei Abnahme der Belastung wieder in ihre ursprüngliche Länge zurücktreten, so haben wir bis dahin für ihre Brauchbar- keit folgendes Gesetz:
Fig. 6. Tab. 14.
Es seyen A, B, C, D vier Körper von gleicher Materie und vollkomme- ner Elastizität, z. B. vier Eisenstäbe oder vier gleichartig verfertigte Seilstücke, welche nur bis zu dem Punkte belastet werden, wo sie ihre vollkommene Elastizität noch behalten. Wir wollen annehmen, dass die drei ersten Körper dieselbe Länge = 1, die drei letzten dieselbe Querschnittsfläche = F haben; die hieran angehängten Ge-
Absolute Festigkeit der Körper.
A. Absolute Festigkeit der Körper.
§. 237.
Wenn man einen prismatischen Körper an einem Ende befestigt, und an dem an- dern eine Kraft anbringt, welche in der verlängerten Richtung beider Endpunkte wirkt, so wird die absolute Festigkeit des Körpers in Anspruch genommen, z. B. wenn der Körper in eine vertikale Lage gebracht, am obern Ende auf irgend eine Art befestigt und am untern Ende mit Gewichten belastet wird.
Viele Versuche, welche man auf diese Weise über die absolute Festigkeit ver- schiedener Materien angestellt hat, gaben das Resultat, dass alle Körper durch ange- hängte Gewichte mehr oder minder ausgedehnt werden, und dass diese Ausdehnungen oder Verlängerungen eines jeden Körpers, so lange die Belastungen klein sind, sehr nahe den angehängten Gewichten proportional sind. Bleiben diese Belastungen innerhalb einer gewissen Gränze, so treten die Theile des Körpers nach Abnahme des ange- hängten Gewichtes wieder in ihre vorige Länge zurück und nehmen ihre ursprüngliche Gestalt wieder an; die Körper haben also innerhalb dieser Gränze eine voll- kommene Elastizität. Wird die Belastung grösser, so behalten die Körper nach Ab- nahme der Gewichte zwar noch eine Elastizität, sie bleiben jedoch verlängert, und wer- den endlich die angehängten Gewichte noch weiter vermehrt, so tritt eine völlige Trennung der Theile des Körpers ein, und sie zerreissen.
Nach den Versuchen des Hrn. Navier und anderer Physiker behält das Eisen seine Elastizität bis beinahe zu zwei Drittel der grössten Last, wovon es zerrissen wird; das Kupfer behält seine Elastizität bis zur Hälfte dieses Gewichtes, das Blei bis etwas über die Hälfte desselben. Man hat ferner gefunden, dass die weitern Ausdeh- nungen dieser Metalle von dem Gesetze der Proportionalität mit der Last sehr abweichen, und diess zwar immer mehr, bis die Körper endlich zerreissen. Weil aber die Körper, welche wir bei Maschinen verwenden, ihre Belastung unverändert tragen sollen, so hat man bisher angenommen, dass man dem Eisen die Hälfte oder ein Drittheil, dem Ku- pfer, Messing und Blei aber ein Drittheil oder ein Viertheil der Last, von wel- cher sie zerreissen, mit voller Sicherheit zu tragen geben oder anvertrauen könne.
§. 238.
Da wir bei dem Maschinen- und Bauwesen und überhaupt in allen Fällen, wo die absolute Festigkeit in Anspruch genommen wird, verlangen, dass die Körper bei ein- tretender Belastung derselben nicht zerreissen, und bei Abnahme der Belastung wieder in ihre ursprüngliche Länge zurücktreten, so haben wir bis dahin für ihre Brauchbar- keit folgendes Gesetz:
Fig. 6. Tab. 14.
Es seyen A, B, C, D vier Körper von gleicher Materie und vollkomme- ner Elastizität, z. B. vier Eisenstäbe oder vier gleichartig verfertigte Seilstücke, welche nur bis zu dem Punkte belastet werden, wo sie ihre vollkommene Elastizität noch behalten. Wir wollen annehmen, dass die drei ersten Körper dieselbe Länge = 1, die drei letzten dieselbe Querschnittsfläche = F haben; die hieran angehängten Ge-
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Absolute Festigkeit der Körper.
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§. 237.
Wenn man einen prismatischen Körper an einem Ende befestigt, und an dem an-
dern eine Kraft anbringt, welche in der verlängerten Richtung beider Endpunkte
wirkt, so wird die absolute Festigkeit des Körpers in Anspruch genommen,
z. B. wenn der Körper in eine vertikale Lage gebracht, am obern Ende auf irgend
eine Art befestigt und am untern Ende mit Gewichten belastet wird.
Viele Versuche, welche man auf diese Weise über die absolute Festigkeit ver-
schiedener Materien angestellt hat, gaben das Resultat, dass alle Körper durch ange-
hängte Gewichte mehr oder minder ausgedehnt werden, und dass diese Ausdehnungen
oder Verlängerungen eines jeden Körpers, so lange die Belastungen klein sind, sehr
nahe den angehängten Gewichten proportional sind. Bleiben diese Belastungen innerhalb
einer gewissen Gränze, so treten die Theile des Körpers nach Abnahme des ange-
hängten Gewichtes wieder in ihre vorige Länge zurück und nehmen ihre ursprüngliche
Gestalt wieder an; die Körper haben also innerhalb dieser Gränze eine voll-
kommene Elastizität. Wird die Belastung grösser, so behalten die Körper nach Ab-
nahme der Gewichte zwar noch eine Elastizität, sie bleiben jedoch verlängert, und wer-
den endlich die angehängten Gewichte noch weiter vermehrt, so tritt eine völlige
Trennung der Theile des Körpers ein, und sie zerreissen.
Nach den Versuchen des Hrn. Navier und anderer Physiker behält das Eisen seine
Elastizität bis beinahe zu zwei Drittel der grössten Last, wovon es zerrissen wird;
das Kupfer behält seine Elastizität bis zur Hälfte dieses Gewichtes, das Blei bis
etwas über die Hälfte desselben. Man hat ferner gefunden, dass die weitern Ausdeh-
nungen dieser Metalle von dem Gesetze der Proportionalität mit der Last sehr abweichen,
und diess zwar immer mehr, bis die Körper endlich zerreissen. Weil aber die Körper,
welche wir bei Maschinen verwenden, ihre Belastung unverändert tragen sollen, so hat
man bisher angenommen, dass man dem Eisen die Hälfte oder ein Drittheil, dem Ku-
pfer, Messing und Blei aber ein Drittheil oder ein Viertheil der Last, von wel-
cher sie zerreissen, mit voller Sicherheit zu tragen geben oder anvertrauen könne.
§. 238.
Da wir bei dem Maschinen- und Bauwesen und überhaupt in allen Fällen, wo die
absolute Festigkeit in Anspruch genommen wird, verlangen, dass die Körper bei ein-
tretender Belastung derselben nicht zerreissen, und bei Abnahme der Belastung wieder
in ihre ursprüngliche Länge zurücktreten, so haben wir bis dahin für ihre Brauchbar-
keit folgendes Gesetz:
Es seyen A, B, C, D vier Körper von gleicher Materie und vollkomme-
ner Elastizität, z. B. vier Eisenstäbe oder vier gleichartig verfertigte Seilstücke,
welche nur bis zu dem Punkte belastet werden, wo sie ihre vollkommene Elastizität
noch behalten. Wir wollen annehmen, dass die drei ersten Körper dieselbe Länge = 1,
die drei letzten dieselbe Querschnittsfläche = F haben; die hieran angehängten Ge-
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/272>, abgerufen am 18.12.2024.
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