Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768.Ugolino, nes Todes -- Es ist Ugolino! (er sträubt sich im Arme seinesVaters) Ugolino. Oh! hab ich dich so in meinen Armen! Schup- pigtes Ungeheuer! hab ich dich endlich in meinen Armen! Nun winde dich, Hyder! umflicht meine Schenkel! umflicht meine Arme! Gherardesca soll mit männlicher und mit nervigter Faust auf dich treffen! Schuppigtes vielköpfigtes Ungeheuer! Siehst du? ha! siehst du? ha! siehst du? Anselmo. (flieht) Ugolino. (streckt den Arm nach ihm aus und schlägt ihn zu Boden) Also treffe dich -- Anselmo. (jammert in seinem Blute) Ugolino. Der Sterbenden Geschrey! der Kinder Wehklag im Leichengefild! das Gewinsel der Weiber und ihrer Säuglinge! o Sieger Ugolino! Alles wieder still! Kein Hauch mehr in der Luft! Keine Kühlung um meine Schläfe! und mir ist besser! Doch meine Augen sind mit Blindheit geschlagen! Wo find ich meine Laute? (Nachdem er einige Griffe auf der Laute gethan, wird eine sanfte traurige Musik gehört.) Jsts Ruggieri, der Leichenbestatter? Diese Harmonien schweben nah um den Hungerthurm. Oder seyd ihrs, ihr wenigen Rechtschaffnen, die ihr unter Ugolinos martervollem Kerker weinet? (Die Musik fährt fort) Francesco ist am Gift gestorben, sagst du? was ists mehr? Wär er vom Schwerdt, vom Dolch, vom Beil gestorben, würd er weniger todt seyn? Lern es, mein Sohn, Vergiften, Ermor- den,
Ugolino, nes Todes — Es iſt Ugolino! (er ſtraͤubt ſich im Arme ſeinesVaters) Ugolino. Oh! hab ich dich ſo in meinen Armen! Schup- pigtes Ungeheuer! hab ich dich endlich in meinen Armen! Nun winde dich, Hyder! umflicht meine Schenkel! umflicht meine Arme! Gherardeſca ſoll mit maͤnnlicher und mit nervigter Fauſt auf dich treffen! Schuppigtes vielkoͤpfigtes Ungeheuer! Siehſt du? ha! ſiehſt du? ha! ſiehſt du? Anſelmo. (flieht) Ugolino. (ſtreckt den Arm nach ihm aus und ſchlaͤgt ihn zu Boden) Alſo treffe dich — Anſelmo. (jammert in ſeinem Blute) Ugolino. Der Sterbenden Geſchrey! der Kinder Wehklag im Leichengefild! das Gewinſel der Weiber und ihrer Saͤuglinge! o Sieger Ugolino! Alles wieder ſtill! Kein Hauch mehr in der Luft! Keine Kuͤhlung um meine Schlaͤfe! und mir iſt beſſer! Doch meine Augen ſind mit Blindheit geſchlagen! Wo find ich meine Laute? (Nachdem er einige Griffe auf der Laute gethan, wird eine ſanfte traurige Muſik gehoͤrt.) Jſts Ruggieri, der Leichenbeſtatter? Dieſe Harmonien ſchweben nah um den Hungerthurm. Oder ſeyd ihrs, ihr wenigen Rechtſchaffnen, die ihr unter Ugolinos martervollem Kerker weinet? (Die Muſik faͤhrt fort) Franceſco iſt am Gift geſtorben, ſagſt du? was iſts mehr? Waͤr er vom Schwerdt, vom Dolch, vom Beil geſtorben, wuͤrd er weniger todt ſeyn? Lern es, mein Sohn, Vergiften, Ermor- den,
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Ugolino,
nes Todes — Es iſt Ugolino! (er ſtraͤubt ſich im Arme ſeines
Vaters)
Ugolino. Oh! hab ich dich ſo in meinen Armen! Schup-
pigtes Ungeheuer! hab ich dich endlich in meinen Armen! Nun
winde dich, Hyder! umflicht meine Schenkel! umflicht meine
Arme! Gherardeſca ſoll mit maͤnnlicher und mit nervigter Fauſt
auf dich treffen! Schuppigtes vielkoͤpfigtes Ungeheuer! Siehſt
du? ha! ſiehſt du? ha! ſiehſt du?
Anſelmo. (flieht)
Ugolino. (ſtreckt den Arm nach ihm aus und ſchlaͤgt ihn zu Boden)
Alſo treffe dich —
Anſelmo. (jammert in ſeinem Blute)
Ugolino. Der Sterbenden Geſchrey! der Kinder Wehklag
im Leichengefild! das Gewinſel der Weiber und ihrer Saͤuglinge!
o Sieger Ugolino! Alles wieder ſtill! Kein Hauch mehr in der
Luft! Keine Kuͤhlung um meine Schlaͤfe! und mir iſt beſſer!
Doch meine Augen ſind mit Blindheit geſchlagen! Wo find ich
meine Laute?
(Nachdem er einige Griffe auf der Laute gethan, wird eine ſanfte
traurige Muſik gehoͤrt.)
Jſts Ruggieri, der Leichenbeſtatter? Dieſe Harmonien ſchweben
nah um den Hungerthurm. Oder ſeyd ihrs, ihr wenigen
Rechtſchaffnen, die ihr unter Ugolinos martervollem Kerker
weinet?
(Die Muſik faͤhrt fort)
Franceſco iſt am Gift geſtorben, ſagſt du? was iſts mehr? Waͤr
er vom Schwerdt, vom Dolch, vom Beil geſtorben, wuͤrd er
weniger todt ſeyn? Lern es, mein Sohn, Vergiften, Ermor-
den,
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