Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768.zweyter Aufzug. Gaddo. Die gütige Mutter! Sie liebt uns auch, Anselmo. Anselmo. Allerdings; eben darum zittert sie. Wir pflücken purpurne Waldblumen jenseits am Ufer, und binden ihr einen Kranz, von Cypressenlaub umwunden. Lächelnd nimt sie den Kranz, und drückt ihn mir auf die Stirne. Gaddo. Nein, mir. Anselmo. Nicht doch, Gaddo; ich habe ihn ja geflochten. Gaddo. Und ich die Blumen gesammelt. Anselmo. Gut! wir wollen ihrer zwey machen. Aus Freude sing ich ihr ein Frühlingslied in die Laute. Gaddo. Und ich zeichne ihr einen dritten bessern Kranz von Amaranthen, Anemonröschen, Tausendschön, und Stockrosen. Anselmo. Weg mit den Stockrosen! Gaddo. Weg mit den Stockrosen? Jch sage dir, es gehört Kunst dazu, eine Stockrose zu mahlen. Anselmo. Und ich sage dir, weg mit den Stockrosen! Stockrosen in einen Kranz? Unser Vater macht sich unterdessen zum Herrn von Pisa. Er versteht sich aufs Herrschen. Gaddo. Ja, und es ist süß, kann ich dir sagen, von un- serm Vater beherrscht zu werden. Geh nicht dorthin, spricht er, du fällst; tritt nicht gegen die Flamme, Gaddo, sie brennt. Unter uns, man geht am sichersten, wenn man ihm gehorcht. Anselmo. Da schenkt er uns dann irgend ein Ländchen von einer nicht geringen Strecke in die Länge und in die Breite, um Federvieh und Kaninchen zu unterhalten. Gaddo. Sind auch Wälder dabey? Anselmo. Ohne Zweifel. Die aber behalt ich für mich, der Rehe wegen. Du weißt, daß ich ein Liebhaber von Rehen bin. Gaddo. Und ich von Nestern. Jch eigne mir die Nester darinn zu. Anselmo. Jn meinem Holze? Gaddo. C 3
zweyter Aufzug. Gaddo. Die guͤtige Mutter! Sie liebt uns auch, Anſelmo. Anſelmo. Allerdings; eben darum zittert ſie. Wir pfluͤcken purpurne Waldblumen jenſeits am Ufer, und binden ihr einen Kranz, von Cypreſſenlaub umwunden. Laͤchelnd nimt ſie den Kranz, und druͤckt ihn mir auf die Stirne. Gaddo. Nein, mir. Anſelmo. Nicht doch, Gaddo; ich habe ihn ja geflochten. Gaddo. Und ich die Blumen geſammelt. Anſelmo. Gut! wir wollen ihrer zwey machen. Aus Freude ſing ich ihr ein Fruͤhlingslied in die Laute. Gaddo. Und ich zeichne ihr einen dritten beſſern Kranz von Amaranthen, Anemonroͤſchen, Tauſendſchoͤn, und Stockroſen. Anſelmo. Weg mit den Stockroſen! Gaddo. Weg mit den Stockroſen? Jch ſage dir, es gehoͤrt Kunſt dazu, eine Stockroſe zu mahlen. Anſelmo. Und ich ſage dir, weg mit den Stockroſen! Stockroſen in einen Kranz? Unſer Vater macht ſich unterdeſſen zum Herrn von Piſa. Er verſteht ſich aufs Herrſchen. Gaddo. Ja, und es iſt ſuͤß, kann ich dir ſagen, von un- ſerm Vater beherrſcht zu werden. Geh nicht dorthin, ſpricht er, du faͤllſt; tritt nicht gegen die Flamme, Gaddo, ſie brennt. Unter uns, man geht am ſicherſten, wenn man ihm gehorcht. Anſelmo. Da ſchenkt er uns dann irgend ein Laͤndchen von einer nicht geringen Strecke in die Laͤnge und in die Breite, um Federvieh und Kaninchen zu unterhalten. Gaddo. Sind auch Waͤlder dabey? Anſelmo. Ohne Zweifel. Die aber behalt ich fuͤr mich, der Rehe wegen. Du weißt, daß ich ein Liebhaber von Rehen bin. Gaddo. Und ich von Neſtern. Jch eigne mir die Neſter darinn zu. Anſelmo. Jn meinem Holze? Gaddo. C 3
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zweyter Aufzug.
Gaddo. Die guͤtige Mutter! Sie liebt uns auch, Anſelmo.
Anſelmo. Allerdings; eben darum zittert ſie. Wir
pfluͤcken purpurne Waldblumen jenſeits am Ufer, und binden
ihr einen Kranz, von Cypreſſenlaub umwunden. Laͤchelnd nimt
ſie den Kranz, und druͤckt ihn mir auf die Stirne.
Gaddo. Nein, mir.
Anſelmo. Nicht doch, Gaddo; ich habe ihn ja geflochten.
Gaddo. Und ich die Blumen geſammelt.
Anſelmo. Gut! wir wollen ihrer zwey machen. Aus
Freude ſing ich ihr ein Fruͤhlingslied in die Laute.
Gaddo. Und ich zeichne ihr einen dritten beſſern Kranz von
Amaranthen, Anemonroͤſchen, Tauſendſchoͤn, und Stockroſen.
Anſelmo. Weg mit den Stockroſen!
Gaddo. Weg mit den Stockroſen? Jch ſage dir, es gehoͤrt
Kunſt dazu, eine Stockroſe zu mahlen.
Anſelmo. Und ich ſage dir, weg mit den Stockroſen!
Stockroſen in einen Kranz? Unſer Vater macht ſich unterdeſſen
zum Herrn von Piſa. Er verſteht ſich aufs Herrſchen.
Gaddo. Ja, und es iſt ſuͤß, kann ich dir ſagen, von un-
ſerm Vater beherrſcht zu werden. Geh nicht dorthin, ſpricht er,
du faͤllſt; tritt nicht gegen die Flamme, Gaddo, ſie brennt.
Unter uns, man geht am ſicherſten, wenn man ihm gehorcht.
Anſelmo. Da ſchenkt er uns dann irgend ein Laͤndchen von
einer nicht geringen Strecke in die Laͤnge und in die Breite, um
Federvieh und Kaninchen zu unterhalten.
Gaddo. Sind auch Waͤlder dabey?
Anſelmo. Ohne Zweifel. Die aber behalt ich fuͤr mich,
der Rehe wegen. Du weißt, daß ich ein Liebhaber von Rehen
bin.
Gaddo. Und ich von Neſtern. Jch eigne mir die Neſter
darinn zu.
Anſelmo. Jn meinem Holze?
Gaddo.
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Zitationshilfe: | Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstenberg_ugolino_1768/27>, abgerufen am 18.07.2024. |