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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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oder Fortsetzung früherer ähnlicher war, hat uns Mariner ein getreues, aber schreckensvolles Bild geliefert, wie er auch erzählt, dass die tonganischen Sitten immer mehr durch die Bekanntschaft mit den Fidschis verwilderten. Auf Samoa herrschte ein noch grausamerer Kriegsgebrauch als zu Tonga (Mariner 1, 163) und häufig genug waren diese blutigen Kriege daselbst, welche Turner 304 und vorher schildert. Und betrachten wir den Markesasarchipel, so ist ganz Nukuhiva in einzelne vom hohen Gipfel der Insel herablaufende Thäler getheilt, deren jedes von einem besonderen Stamm bewohnt wird. Alle diese Stämme sind in erbitterter Feindschaft und in ewigem Krieg (Melville, Krusenstern, Mathias G***). Viel ärger aber als überall haben die Kriege auf Tahiti gewüthet, von denen die Insel so fortwährend heimgesucht war, dass Lutteroth (22) ganz mit Recht den Frieden einen der Insel unbekannten Zustand nennt. Und wie wurden diese ewigen Kriege geführt! Alle Fliehenden, die man einholte, alle Weiber und Kinder der Besiegten, welche dem Sieger in die Hände fielen, wurden niedergemetzelt (Mörenhout 2, 38-39, Lutteroth 21, Ellis 1, 310 ff.). Nun waren in früherer Zeit fast alle Schlachten Seeschlachten und gerade deshalb besonders blutig, denn die Besiegten, welche sich durch Schwimmen ans Land zu retten suchen mussten, wurden begreiflicher Weise leicht von den Kähnen der Sieger eingeholt. Weniger verderblich waren die Landschlachten, weil in ihnen, nach malaiisch-polynesischer Sitte, der Sieg, nach dem nur einige wenige gefallen waren, für entschieden angesehen wurde (Mörenhout 2, 40, Ellis l, 312). Waren dann bei der Verfolgung die Menschen vernichtet, so gings nun an die Zerstörung des Landes: die Tarofelder und sonstigen Pflanzungen wurden verwüstet, den Kokosbäumen das Herz ausgeschlagen, wonach sie absterben, die Brotbäume umgehauen, die Häuser verbrannt (Ellis 1, 293, Lutteroth 21-22) -- kurz die Besiegten wurden womöglich ausgerottet, ihr Land auf Jahre zu einer unfruchtbaren Oede gemacht. Solche Kriege wütheten auf der ganzen Gesellschaftsgruppe; der Missionär Nott erlebte auf Tahiti in einem Zeitraum von 15 Jahren 10 solcher Kriege (Lutteroth 17). Auch die Kriege auf der Hawaiigruppe waren verwüstend genug. Hier wie zu Tahiti gab es blutige Seeschlachten (Ellis 4, 155) und in den Landkriegen, in denen nach Jarves (59) Hinterhalte, heimliche Ueberfälle u. dergl. selten vorkamen, vielmehr meist in offenen Feldschlachten (die auch zu Tahiti keineswegs selten waren, Ellis 1, 284) gekämpft wurde, war es namentlich wieder die Verfolgung, nicht die Schlachten selbst (Jarves 60), welche der Bevölkerung und ganzen Distrikten Tod und Zerstörung brachte. Die Gefährlichkeit dieser Kriege geht aus der Geschichte Hawaiis unter Tamehameha und aus den Bewegungen, welche dieser grosse Fürst auf der Gruppe hervorbrachte, zur Genüge hervor. Auch die Paumotuinsulaner sind wilde, weit und breit

oder Fortsetzung früherer ähnlicher war, hat uns Mariner ein getreues, aber schreckensvolles Bild geliefert, wie er auch erzählt, dass die tonganischen Sitten immer mehr durch die Bekanntschaft mit den Fidschis verwilderten. Auf Samoa herrschte ein noch grausamerer Kriegsgebrauch als zu Tonga (Mariner 1, 163) und häufig genug waren diese blutigen Kriege daselbst, welche Turner 304 und vorher schildert. Und betrachten wir den Markesasarchipel, so ist ganz Nukuhiva in einzelne vom hohen Gipfel der Insel herablaufende Thäler getheilt, deren jedes von einem besonderen Stamm bewohnt wird. Alle diese Stämme sind in erbitterter Feindschaft und in ewigem Krieg (Melville, Krusenstern, Mathias G***). Viel ärger aber als überall haben die Kriege auf Tahiti gewüthet, von denen die Insel so fortwährend heimgesucht war, dass Lutteroth (22) ganz mit Recht den Frieden einen der Insel unbekannten Zustand nennt. Und wie wurden diese ewigen Kriege geführt! Alle Fliehenden, die man einholte, alle Weiber und Kinder der Besiegten, welche dem Sieger in die Hände fielen, wurden niedergemetzelt (Mörenhout 2, 38-39, Lutteroth 21, Ellis 1, 310 ff.). Nun waren in früherer Zeit fast alle Schlachten Seeschlachten und gerade deshalb besonders blutig, denn die Besiegten, welche sich durch Schwimmen ans Land zu retten suchen mussten, wurden begreiflicher Weise leicht von den Kähnen der Sieger eingeholt. Weniger verderblich waren die Landschlachten, weil in ihnen, nach malaiisch-polynesischer Sitte, der Sieg, nach dem nur einige wenige gefallen waren, für entschieden angesehen wurde (Mörenhout 2, 40, Ellis l, 312). Waren dann bei der Verfolgung die Menschen vernichtet, so gings nun an die Zerstörung des Landes: die Tarofelder und sonstigen Pflanzungen wurden verwüstet, den Kokosbäumen das Herz ausgeschlagen, wonach sie absterben, die Brotbäume umgehauen, die Häuser verbrannt (Ellis 1, 293, Lutteroth 21-22) — kurz die Besiegten wurden womöglich ausgerottet, ihr Land auf Jahre zu einer unfruchtbaren Oede gemacht. Solche Kriege wütheten auf der ganzen Gesellschaftsgruppe; der Missionär Nott erlebte auf Tahiti in einem Zeitraum von 15 Jahren 10 solcher Kriege (Lutteroth 17). Auch die Kriege auf der Hawaiigruppe waren verwüstend genug. Hier wie zu Tahiti gab es blutige Seeschlachten (Ellis 4, 155) und in den Landkriegen, in denen nach Jarves (59) Hinterhalte, heimliche Ueberfälle u. dergl. selten vorkamen, vielmehr meist in offenen Feldschlachten (die auch zu Tahiti keineswegs selten waren, Ellis 1, 284) gekämpft wurde, war es namentlich wieder die Verfolgung, nicht die Schlachten selbst (Jarves 60), welche der Bevölkerung und ganzen Distrikten Tod und Zerstörung brachte. Die Gefährlichkeit dieser Kriege geht aus der Geschichte Hawaiis unter Tamehameha und aus den Bewegungen, welche dieser grosse Fürst auf der Gruppe hervorbrachte, zur Genüge hervor. Auch die Paumotuinsulaner sind wilde, weit und breit

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 ein noch grausamerer Kriegsgebrauch als zu Tonga (Mariner 1, 163)
 und häufig genug waren diese blutigen Kriege daselbst, welche
 Turner 304 und vorher schildert. Und betrachten wir den
 Markesasarchipel, so ist ganz Nukuhiva in einzelne vom hohen Gipfel
 der Insel herablaufende Thäler getheilt, deren jedes von einem
 besonderen Stamm bewohnt wird. Alle diese Stämme sind in
 erbitterter Feindschaft und in ewigem Krieg (Melville, Krusenstern,
 Mathias G***). Viel ärger aber als überall haben die
 Kriege auf Tahiti gewüthet, von denen die Insel so
 fortwährend heimgesucht war, dass Lutteroth (22) ganz mit
 Recht den Frieden einen der Insel unbekannten Zustand nennt. Und
 wie wurden diese ewigen Kriege geführt! Alle Fliehenden, die
 man einholte, alle Weiber und Kinder der Besiegten, welche dem
 Sieger in die Hände fielen, wurden niedergemetzelt
 (Mörenhout 2, 38-39, Lutteroth 21, Ellis 1, 310 ff.). Nun
 waren in früherer Zeit fast alle Schlachten Seeschlachten und
 gerade deshalb besonders blutig, denn die Besiegten, welche sich
 durch Schwimmen ans Land zu retten suchen mussten, wurden
 begreiflicher Weise leicht von den Kähnen der Sieger
 eingeholt. Weniger verderblich waren die Landschlachten, weil in
 ihnen, nach malaiisch-polynesischer Sitte, der Sieg, nach dem nur
 einige wenige gefallen waren, für entschieden angesehen wurde
 (Mörenhout 2, 40, Ellis l, 312). Waren dann bei der Verfolgung
 die Menschen vernichtet, so gings nun an die Zerstörung des
 Landes: die Tarofelder und sonstigen Pflanzungen wurden
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 verbrannt (Ellis 1, 293, Lutteroth 21-22) &#x2014; kurz die
 Besiegten wurden womöglich ausgerottet, ihr Land auf Jahre zu
 einer unfruchtbaren Oede gemacht. Solche Kriege wütheten auf
 der ganzen Gesellschaftsgruppe; der Missionär Nott erlebte auf
 Tahiti in einem Zeitraum von 15 Jahren 10 solcher Kriege (Lutteroth
 17). Auch die Kriege auf der Hawaiigruppe waren verwüstend
 genug. Hier wie zu Tahiti gab es blutige Seeschlachten (Ellis 4,
 155) und in den Landkriegen, in denen nach Jarves (59) Hinterhalte,
 heimliche Ueberfälle u. dergl. selten vorkamen, vielmehr meist
 in offenen Feldschlachten (die auch zu Tahiti keineswegs selten
 waren, Ellis 1, 284) gekämpft wurde, war es namentlich wieder
 die Verfolgung, nicht die Schlachten selbst (Jarves 60), welche der
 Bevölkerung und ganzen Distrikten Tod und Zerstörung
 brachte. Die Gefährlichkeit dieser Kriege geht aus der
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[0083] oder Fortsetzung früherer ähnlicher war, hat uns Mariner ein getreues, aber schreckensvolles Bild geliefert, wie er auch erzählt, dass die tonganischen Sitten immer mehr durch die Bekanntschaft mit den Fidschis verwilderten. Auf Samoa herrschte ein noch grausamerer Kriegsgebrauch als zu Tonga (Mariner 1, 163) und häufig genug waren diese blutigen Kriege daselbst, welche Turner 304 und vorher schildert. Und betrachten wir den Markesasarchipel, so ist ganz Nukuhiva in einzelne vom hohen Gipfel der Insel herablaufende Thäler getheilt, deren jedes von einem besonderen Stamm bewohnt wird. Alle diese Stämme sind in erbitterter Feindschaft und in ewigem Krieg (Melville, Krusenstern, Mathias G***). Viel ärger aber als überall haben die Kriege auf Tahiti gewüthet, von denen die Insel so fortwährend heimgesucht war, dass Lutteroth (22) ganz mit Recht den Frieden einen der Insel unbekannten Zustand nennt. Und wie wurden diese ewigen Kriege geführt! Alle Fliehenden, die man einholte, alle Weiber und Kinder der Besiegten, welche dem Sieger in die Hände fielen, wurden niedergemetzelt (Mörenhout 2, 38-39, Lutteroth 21, Ellis 1, 310 ff.). Nun waren in früherer Zeit fast alle Schlachten Seeschlachten und gerade deshalb besonders blutig, denn die Besiegten, welche sich durch Schwimmen ans Land zu retten suchen mussten, wurden begreiflicher Weise leicht von den Kähnen der Sieger eingeholt. Weniger verderblich waren die Landschlachten, weil in ihnen, nach malaiisch-polynesischer Sitte, der Sieg, nach dem nur einige wenige gefallen waren, für entschieden angesehen wurde (Mörenhout 2, 40, Ellis l, 312). Waren dann bei der Verfolgung die Menschen vernichtet, so gings nun an die Zerstörung des Landes: die Tarofelder und sonstigen Pflanzungen wurden verwüstet, den Kokosbäumen das Herz ausgeschlagen, wonach sie absterben, die Brotbäume umgehauen, die Häuser verbrannt (Ellis 1, 293, Lutteroth 21-22) — kurz die Besiegten wurden womöglich ausgerottet, ihr Land auf Jahre zu einer unfruchtbaren Oede gemacht. Solche Kriege wütheten auf der ganzen Gesellschaftsgruppe; der Missionär Nott erlebte auf Tahiti in einem Zeitraum von 15 Jahren 10 solcher Kriege (Lutteroth 17). Auch die Kriege auf der Hawaiigruppe waren verwüstend genug. Hier wie zu Tahiti gab es blutige Seeschlachten (Ellis 4, 155) und in den Landkriegen, in denen nach Jarves (59) Hinterhalte, heimliche Ueberfälle u. dergl. selten vorkamen, vielmehr meist in offenen Feldschlachten (die auch zu Tahiti keineswegs selten waren, Ellis 1, 284) gekämpft wurde, war es namentlich wieder die Verfolgung, nicht die Schlachten selbst (Jarves 60), welche der Bevölkerung und ganzen Distrikten Tod und Zerstörung brachte. Die Gefährlichkeit dieser Kriege geht aus der Geschichte Hawaiis unter Tamehameha und aus den Bewegungen, welche dieser grosse Fürst auf der Gruppe hervorbrachte, zur Genüge hervor. Auch die Paumotuinsulaner sind wilde, weit und breit

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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/83>, abgerufen am 24.11.2024.