Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.Epidemien des gelben Fiebers "am häufigsten durch die Ankunft einiger Schiffe aus Chile bezeichnet werde", obwohl doch Chile selbst eines der gesündesten Länder der Welt sei und das gelbe Fieber gar nicht kenne; aber die schädlichen Folgen der ausserordentlich erhitzten und durch ein Gemisch von faulen Dünsten verdorbenen Luft, an welche die Organe der Eingeborenen gewöhnt seien, wirkten mächtig auf Individuen aus einer kälteren Region. Aehnlich verhält es sich mit dem Ausbrechen des gelben Fiebers in Mittel- und Nordamerika, das eingeschleppt zu haben so häufig die eine der genannten Gegenden Besuchern aus der anderen vorwirft (Humboldt a.a.O. 384). Die "grausame Epidemie" von 1794, wo Verakruz ungewöhnlich heftig vom gelben Fieber heimgesucht war, fing an mit der Ankunft dreier Kriegsschiffe (eb. 423). Ebenso schreiben die Einwohner Egyptens das Ausbrechen der Pest der Ankunft griechischer Schiffe zu und umgekehrt die Bewohner Griechenlands und Konstantinopels egyptischen (eb. 384), wobei keineswegs immer an eine Einschleppung zu denken ist. Auf Rapa (Australinseln) traten tödtliche Krankheiten nach dem Besuch von englischen Schiffen auf, welche die Hälfte der Eingeborenen dahinrafften (Mörenh. 1, 139); auf Tubuai (Australinseln) ward die Bevölkerung durch Krankheiten, welche mit der Mission 1822 auftraten, auf die Zahl von 150 heruntergebracht (eb. 2, 343). Raivavai, welches 1822 noch 1200 Einwohner hatte, besass 1830 etwa noch 120 durch gleiches Schicksal (eb. 1, 143). Williams (283-84) spricht es als seine eigene Erfahrung aus, dass die meisten der Seuchen, die er in der Südsee erlebte, durch Schiffe, deren Mannschaft ganz gesund sei und nur auf ganz erlaubtem, gewöhnlichem Wege mit den Eingeborenen verkehrte, veranlasst wurden. Das erste Zusammentreffen zwischen Europäern und Eingeborenen, sagt er, ist fast immer mit dem Fieber, mit Dysenterie u. dergl. bezeichnet; so starb auf Rapa die Hälfte der Eingeborenen aus; so entstand die furchtbare Seuche auf Rarotonga (Herveyinseln), die er 282 schildert. Ganz dasselbe sagt Virgin 1, 268; "Auch nur kurze Besuche von Fahrzeugen haben auf den Inselgruppen der Südsee Krankheiten von mehr oder minder verderblicher Natur verursacht, die sich sogar erst längere Zeit nachher gezeigt haben. Es hat sich dies auch sogar zugetragen, ungeachtet die Besatzung der Schiffe vollkommen gesund war und die Krankheiten sind nicht stets solche gewesen, welche möglicherweise durch eigentliche Ansteckung mitgetheilt werden konnten oder welche in Europa zu denen gehören, deren Beschaffenheit in der Regel mehr oder weniger tödtlich ist." Von Tahiti erzählt Bratring 145, dass 1775 bei der Anwesenheit der Spanier unter Boenechea ein ansteckendes Katarrhalfieber ausbrach. Nach Cooks Besuch litt die Insel unter Dysenterie (Mörenh. 2, 425) und die Tahitier selbst schrieben schon um 1800 alle Krankheiten den Berührungen mit fremden Epidemien des gelben Fiebers »am häufigsten durch die Ankunft einiger Schiffe aus Chile bezeichnet werde«, obwohl doch Chile selbst eines der gesündesten Länder der Welt sei und das gelbe Fieber gar nicht kenne; aber die schädlichen Folgen der ausserordentlich erhitzten und durch ein Gemisch von faulen Dünsten verdorbenen Luft, an welche die Organe der Eingeborenen gewöhnt seien, wirkten mächtig auf Individuen aus einer kälteren Region. Aehnlich verhält es sich mit dem Ausbrechen des gelben Fiebers in Mittel- und Nordamerika, das eingeschleppt zu haben so häufig die eine der genannten Gegenden Besuchern aus der anderen vorwirft (Humboldt a.a.O. 384). Die »grausame Epidemie« von 1794, wo Verakruz ungewöhnlich heftig vom gelben Fieber heimgesucht war, fing an mit der Ankunft dreier Kriegsschiffe (eb. 423). Ebenso schreiben die Einwohner Egyptens das Ausbrechen der Pest der Ankunft griechischer Schiffe zu und umgekehrt die Bewohner Griechenlands und Konstantinopels egyptischen (eb. 384), wobei keineswegs immer an eine Einschleppung zu denken ist. Auf Rapa (Australinseln) traten tödtliche Krankheiten nach dem Besuch von englischen Schiffen auf, welche die Hälfte der Eingeborenen dahinrafften (Mörenh. 1, 139); auf Tubuai (Australinseln) ward die Bevölkerung durch Krankheiten, welche mit der Mission 1822 auftraten, auf die Zahl von 150 heruntergebracht (eb. 2, 343). Raivavai, welches 1822 noch 1200 Einwohner hatte, besass 1830 etwa noch 120 durch gleiches Schicksal (eb. 1, 143). Williams (283-84) spricht es als seine eigene Erfahrung aus, dass die meisten der Seuchen, die er in der Südsee erlebte, durch Schiffe, deren Mannschaft ganz gesund sei und nur auf ganz erlaubtem, gewöhnlichem Wege mit den Eingeborenen verkehrte, veranlasst wurden. Das erste Zusammentreffen zwischen Europäern und Eingeborenen, sagt er, ist fast immer mit dem Fieber, mit Dysenterie u. dergl. bezeichnet; so starb auf Rapa die Hälfte der Eingeborenen aus; so entstand die furchtbare Seuche auf Rarotonga (Herveyinseln), die er 282 schildert. Ganz dasselbe sagt Virgin 1, 268; »Auch nur kurze Besuche von Fahrzeugen haben auf den Inselgruppen der Südsee Krankheiten von mehr oder minder verderblicher Natur verursacht, die sich sogar erst längere Zeit nachher gezeigt haben. Es hat sich dies auch sogar zugetragen, ungeachtet die Besatzung der Schiffe vollkommen gesund war und die Krankheiten sind nicht stets solche gewesen, welche möglicherweise durch eigentliche Ansteckung mitgetheilt werden konnten oder welche in Europa zu denen gehören, deren Beschaffenheit in der Regel mehr oder weniger tödtlich ist.« Von Tahiti erzählt Bratring 145, dass 1775 bei der Anwesenheit der Spanier unter Boenechea ein ansteckendes Katarrhalfieber ausbrach. 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Die »grausame Epidemie« von 1794, wo Verakruz ungewöhnlich heftig vom gelben Fieber heimgesucht war, fing an mit der Ankunft dreier Kriegsschiffe (eb. 423). Ebenso schreiben die Einwohner Egyptens das Ausbrechen der Pest der Ankunft griechischer Schiffe zu und umgekehrt die Bewohner Griechenlands und Konstantinopels egyptischen (eb. 384), wobei keineswegs immer an eine Einschleppung zu denken ist. Auf Rapa (Australinseln) traten tödtliche Krankheiten nach dem Besuch von englischen Schiffen auf, welche die Hälfte der Eingeborenen dahinrafften (Mörenh. 1, 139); auf Tubuai (Australinseln) ward die Bevölkerung durch Krankheiten, welche mit der Mission 1822 auftraten, auf die Zahl von 150 heruntergebracht (eb. 2, 343). Raivavai, welches 1822 noch 1200 Einwohner hatte, besass 1830 etwa noch 120 durch gleiches Schicksal (eb. 1, 143). Williams (283-84) spricht es als seine eigene Erfahrung aus, dass die meisten der Seuchen, die er in der Südsee erlebte, durch Schiffe, deren Mannschaft ganz gesund sei und nur auf ganz erlaubtem, gewöhnlichem Wege mit den Eingeborenen verkehrte, veranlasst wurden. Das erste Zusammentreffen zwischen Europäern und Eingeborenen, sagt er, ist fast immer mit dem Fieber, mit Dysenterie u. dergl. bezeichnet; so starb auf Rapa die Hälfte der Eingeborenen aus; so entstand die furchtbare Seuche auf Rarotonga (Herveyinseln), die er 282 schildert. Ganz dasselbe sagt Virgin 1, 268; »Auch nur kurze Besuche von Fahrzeugen haben auf den Inselgruppen der Südsee Krankheiten von mehr oder minder verderblicher Natur verursacht, die sich sogar erst längere Zeit nachher gezeigt haben. Es hat sich dies auch sogar zugetragen, ungeachtet die Besatzung der Schiffe vollkommen gesund war und die Krankheiten sind nicht stets solche gewesen, welche möglicherweise durch eigentliche Ansteckung mitgetheilt werden konnten oder welche in Europa zu denen gehören, deren Beschaffenheit in der Regel mehr oder weniger tödtlich ist.« Von Tahiti erzählt Bratring 145, dass 1775 bei der Anwesenheit der Spanier unter Boenechea ein ansteckendes Katarrhalfieber ausbrach. Nach Cooks Besuch litt die Insel unter Dysenterie (Mörenh. 2, 425) und die Tahitier selbst schrieben schon um 1800 alle Krankheiten den Berührungen mit fremden </p> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
Epidemien des gelben Fiebers »am häufigsten durch die Ankunft einiger Schiffe aus Chile bezeichnet werde«, obwohl doch Chile selbst eines der gesündesten Länder der Welt sei und das gelbe Fieber gar nicht kenne; aber die schädlichen Folgen der ausserordentlich erhitzten und durch ein Gemisch von faulen Dünsten verdorbenen Luft, an welche die Organe der Eingeborenen gewöhnt seien, wirkten mächtig auf Individuen aus einer kälteren Region. Aehnlich verhält es sich mit dem Ausbrechen des gelben Fiebers in Mittel- und Nordamerika, das eingeschleppt zu haben so häufig die eine der genannten Gegenden Besuchern aus der anderen vorwirft (Humboldt a.a.O. 384). Die »grausame Epidemie« von 1794, wo Verakruz ungewöhnlich heftig vom gelben Fieber heimgesucht war, fing an mit der Ankunft dreier Kriegsschiffe (eb. 423). Ebenso schreiben die Einwohner Egyptens das Ausbrechen der Pest der Ankunft griechischer Schiffe zu und umgekehrt die Bewohner Griechenlands und Konstantinopels egyptischen (eb. 384), wobei keineswegs immer an eine Einschleppung zu denken ist. Auf Rapa (Australinseln) traten tödtliche Krankheiten nach dem Besuch von englischen Schiffen auf, welche die Hälfte der Eingeborenen dahinrafften (Mörenh. 1, 139); auf Tubuai (Australinseln) ward die Bevölkerung durch Krankheiten, welche mit der Mission 1822 auftraten, auf die Zahl von 150 heruntergebracht (eb. 2, 343). Raivavai, welches 1822 noch 1200 Einwohner hatte, besass 1830 etwa noch 120 durch gleiches Schicksal (eb. 1, 143). Williams (283-84) spricht es als seine eigene Erfahrung aus, dass die meisten der Seuchen, die er in der Südsee erlebte, durch Schiffe, deren Mannschaft ganz gesund sei und nur auf ganz erlaubtem, gewöhnlichem Wege mit den Eingeborenen verkehrte, veranlasst wurden. Das erste Zusammentreffen zwischen Europäern und Eingeborenen, sagt er, ist fast immer mit dem Fieber, mit Dysenterie u. dergl. bezeichnet; so starb auf Rapa die Hälfte der Eingeborenen aus; so entstand die furchtbare Seuche auf Rarotonga (Herveyinseln), die er 282 schildert. Ganz dasselbe sagt Virgin 1, 268; »Auch nur kurze Besuche von Fahrzeugen haben auf den Inselgruppen der Südsee Krankheiten von mehr oder minder verderblicher Natur verursacht, die sich sogar erst längere Zeit nachher gezeigt haben. Es hat sich dies auch sogar zugetragen, ungeachtet die Besatzung der Schiffe vollkommen gesund war und die Krankheiten sind nicht stets solche gewesen, welche möglicherweise durch eigentliche Ansteckung mitgetheilt werden konnten oder welche in Europa zu denen gehören, deren Beschaffenheit in der Regel mehr oder weniger tödtlich ist.« Von Tahiti erzählt Bratring 145, dass 1775 bei der Anwesenheit der Spanier unter Boenechea ein ansteckendes Katarrhalfieber ausbrach. Nach Cooks Besuch litt die Insel unter Dysenterie (Mörenh. 2, 425) und die Tahitier selbst schrieben schon um 1800 alle Krankheiten den Berührungen mit fremden
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Zitationshilfe: | Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/22>, abgerufen am 16.02.2025. |