Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

zeichnen sich durch unaussprechlichen Hochmuth und Hass gegen jede farbige Bevölkerung aus, durch welchen sie den Naturvölkern fast nicht mindern Schaden gethan haben, als durch offene Feindseligkeiten. Wir Deutsche haben Eroberungen nicht gemacht, aber trotzdem sind einzelne unserer Landsleute mit den Naturvölkern in Berührung gekommen. Diejenigen, welche zur Zeit der ersten Entdeckung Amerikas mit den Spaniern dorthin kamen -- so die Abgesandten der Welser, welchen dort Länderstrecken von Karl V. verpfändet waren -- wütheten nicht geringer als die Spanier selbst. Das westliche Venezuela wurde um 1527 von Georg v. Speier und Ambrosius Dalfinger verwüstet (Waitz 3, 398). Allein das sind vereinzelte Fälle; im Ganzen haben die Deutschen den Naturvölkern Segen gebracht, denn gerade die einflussreichsten Missionen sind zum Theil in ihren Händen gewesen, wobei vor allen Dingen an die Wirksamkeit der Herrnhuter in Afrika und Nordamerika (z. B. Heckewelder) erinnert werden muss. Auch unter den Jesuiten waren viele Deutsche, z. B. Dobrizhofer unter den Abiponen, Strohbach auf den Marianen. Die Missionsthätigkeit ist auch jetzt noch nicht vermindert und trägt ihre segensreichen Früchte für die Eingeborenen und für die Wissenschaft, denn eine Menge der bedeutendsten Missionsschriften sind, freilich meist in englischer Sprache, von Deutschen verfasst -- Namen wie Kölle, Döhne, Teichelmann, Schürmann, Dieffenbach (freilich kein Missionär) u.a. sind bekannt genug.

Die fast immer ganz unmenschliche und mordgierige Art, mit welcher der Europäer die Naturvölker bekriegte und meist deren Rohheit bei weitem übertraf, zwingt uns zu einem anthropologischen Schluss von nicht geringer Bedeutung; denn wir sehen daraus klar, "dass die Kluft, die den civilisirten Menschen vom sogen. Wilden trennt, bei weitem nicht so gross ist, als man sich oft einbildet" (Waitz, 3, 259). Man hat ja gerade die wilde Blutgier der Naturvölker so wie ihr beharrliches Fernbleiben von aller Kultur so besonders hervorgehoben, ja mit darauf hin den Schluss gezogen, dass sie von geringerer Organisation und Befähigung, dass sie von Haus aus eine niedrigere Race wären (Carus 28, 22 ff.). Wie will man das aber aufrecht halten, wenn die civilisirten Völker von einer viel wilderen und grauenvolleren Blutgier besessen sind, die um so schrecklicher wird, als sie unvermittelt neben so hoch entwickelten intellektuellen Fähigkeiten steht? Wenn die grössten und bedeutendsten Männer dieser civilisirten Völker dieselbe Blutgier theilen, wie Columbus, welcher die auf Menschen dressirten Hunde einführte, der Königin Isabella rieth, die Kosten seiner Fahrten durch Menschenraub zu decken, Diebstähle mit grausamen Verstümmelungen strafte und Hinterlist und gemeinen Verrath gegen die Indianer für erlaubt hielt? (Waitz 4, 331). Wenn die blutgierig-rohesten wohl noch wegen ihrer grauenvollen Bestialität als besonders hervorragend gepriesen werden,

zeichnen sich durch unaussprechlichen Hochmuth und Hass gegen jede farbige Bevölkerung aus, durch welchen sie den Naturvölkern fast nicht mindern Schaden gethan haben, als durch offene Feindseligkeiten. Wir Deutsche haben Eroberungen nicht gemacht, aber trotzdem sind einzelne unserer Landsleute mit den Naturvölkern in Berührung gekommen. Diejenigen, welche zur Zeit der ersten Entdeckung Amerikas mit den Spaniern dorthin kamen — so die Abgesandten der Welser, welchen dort Länderstrecken von Karl V. verpfändet waren — wütheten nicht geringer als die Spanier selbst. Das westliche Venezuela wurde um 1527 von Georg v. Speier und Ambrosius Dalfinger verwüstet (Waitz 3, 398). Allein das sind vereinzelte Fälle; im Ganzen haben die Deutschen den Naturvölkern Segen gebracht, denn gerade die einflussreichsten Missionen sind zum Theil in ihren Händen gewesen, wobei vor allen Dingen an die Wirksamkeit der Herrnhuter in Afrika und Nordamerika (z. B. Heckewelder) erinnert werden muss. Auch unter den Jesuiten waren viele Deutsche, z. B. Dobrizhofer unter den Abiponen, Strohbach auf den Marianen. Die Missionsthätigkeit ist auch jetzt noch nicht vermindert und trägt ihre segensreichen Früchte für die Eingeborenen und für die Wissenschaft, denn eine Menge der bedeutendsten Missionsschriften sind, freilich meist in englischer Sprache, von Deutschen verfasst — Namen wie Kölle, Döhne, Teichelmann, Schürmann, Dieffenbach (freilich kein Missionär) u.a. sind bekannt genug.

Die fast immer ganz unmenschliche und mordgierige Art, mit welcher der Europäer die Naturvölker bekriegte und meist deren Rohheit bei weitem übertraf, zwingt uns zu einem anthropologischen Schluss von nicht geringer Bedeutung; denn wir sehen daraus klar, »dass die Kluft, die den civilisirten Menschen vom sogen. Wilden trennt, bei weitem nicht so gross ist, als man sich oft einbildet« (Waitz, 3, 259). Man hat ja gerade die wilde Blutgier der Naturvölker so wie ihr beharrliches Fernbleiben von aller Kultur so besonders hervorgehoben, ja mit darauf hin den Schluss gezogen, dass sie von geringerer Organisation und Befähigung, dass sie von Haus aus eine niedrigere Raçe wären (Carus 28, 22 ff.). Wie will man das aber aufrecht halten, wenn die civilisirten Völker von einer viel wilderen und grauenvolleren Blutgier besessen sind, die um so schrecklicher wird, als sie unvermittelt neben so hoch entwickelten intellektuellen Fähigkeiten steht? Wenn die grössten und bedeutendsten Männer dieser civilisirten Völker dieselbe Blutgier theilen, wie Columbus, welcher die auf Menschen dressirten Hunde einführte, der Königin Isabella rieth, die Kosten seiner Fahrten durch Menschenraub zu decken, Diebstähle mit grausamen Verstümmelungen strafte und Hinterlist und gemeinen Verrath gegen die Indianer für erlaubt hielt? (Waitz 4, 331). Wenn die blutgierig-rohesten wohl noch wegen ihrer grauenvollen Bestialität als besonders hervorragend gepriesen werden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0147"/>
zeichnen sich durch unaussprechlichen Hochmuth und
 Hass gegen jede farbige Bevölkerung aus, durch welchen sie den
 Naturvölkern fast nicht mindern Schaden gethan haben, als
 durch offene Feindseligkeiten. Wir Deutsche haben Eroberungen nicht
 gemacht, aber trotzdem sind einzelne unserer Landsleute mit den
 Naturvölkern in Berührung gekommen. Diejenigen, welche
 zur Zeit der ersten Entdeckung Amerikas mit den Spaniern dorthin
 kamen &#x2014; so die Abgesandten der Welser, welchen dort
 Länderstrecken von Karl V. verpfändet waren &#x2014;
 wütheten nicht geringer als die Spanier selbst. Das westliche
 Venezuela wurde um 1527 von Georg v. Speier und Ambrosius Dalfinger
 verwüstet (Waitz 3, 398). Allein das sind vereinzelte
 Fälle; im Ganzen haben die Deutschen den Naturvölkern
 Segen gebracht, denn gerade die einflussreichsten Missionen sind
 zum Theil in ihren Händen gewesen, wobei vor allen Dingen an
 die Wirksamkeit der Herrnhuter in Afrika und Nordamerika (z. B.
 Heckewelder) erinnert werden muss. Auch unter den Jesuiten waren
 viele Deutsche, z. B. Dobrizhofer unter den Abiponen, Strohbach auf
 den Marianen. Die Missionsthätigkeit ist auch jetzt noch nicht
 vermindert und trägt ihre segensreichen Früchte für
 die Eingeborenen und für die Wissenschaft, denn eine Menge der
 bedeutendsten Missionsschriften sind, freilich meist in englischer
 Sprache, von Deutschen verfasst &#x2014; Namen wie Kölle,
 Döhne, Teichelmann, Schürmann, Dieffenbach (freilich kein
 Missionär) u.a. sind bekannt genug.</p>
        <p>Die fast immer ganz unmenschliche und mordgierige Art, mit
 welcher der Europäer die Naturvölker bekriegte und meist
 deren Rohheit bei weitem übertraf, zwingt uns zu einem
 anthropologischen Schluss von nicht geringer Bedeutung; denn wir
 sehen daraus klar, »dass die Kluft, die den civilisirten
 Menschen vom sogen. Wilden trennt, bei weitem nicht so gross ist,
 als man sich oft einbildet« (Waitz, 3, 259). Man hat ja
 gerade die wilde Blutgier der Naturvölker so wie ihr
 beharrliches Fernbleiben von aller Kultur so besonders
 hervorgehoben, ja mit darauf hin den Schluss gezogen, dass sie von
 geringerer Organisation und Befähigung, dass sie von Haus aus
 eine niedrigere Raçe wären (Carus 28, 22 ff.). Wie will
 man das aber aufrecht halten, wenn die civilisirten Völker von
 einer viel wilderen und grauenvolleren Blutgier besessen sind, die
 um so schrecklicher wird, als sie unvermittelt neben so hoch
 entwickelten intellektuellen Fähigkeiten steht? Wenn die
 grössten und bedeutendsten Männer dieser civilisirten
 Völker dieselbe Blutgier theilen, wie Columbus, welcher die
 auf Menschen dressirten Hunde einführte, der Königin
 Isabella rieth, die Kosten seiner Fahrten durch Menschenraub zu
 decken, Diebstähle mit grausamen Verstümmelungen strafte
 und Hinterlist und gemeinen Verrath gegen die Indianer für
 erlaubt hielt? (Waitz 4, 331). Wenn die blutgierig-rohesten wohl
 noch wegen ihrer grauenvollen Bestialität als besonders
 hervorragend gepriesen werden,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0147] zeichnen sich durch unaussprechlichen Hochmuth und Hass gegen jede farbige Bevölkerung aus, durch welchen sie den Naturvölkern fast nicht mindern Schaden gethan haben, als durch offene Feindseligkeiten. Wir Deutsche haben Eroberungen nicht gemacht, aber trotzdem sind einzelne unserer Landsleute mit den Naturvölkern in Berührung gekommen. Diejenigen, welche zur Zeit der ersten Entdeckung Amerikas mit den Spaniern dorthin kamen — so die Abgesandten der Welser, welchen dort Länderstrecken von Karl V. verpfändet waren — wütheten nicht geringer als die Spanier selbst. Das westliche Venezuela wurde um 1527 von Georg v. Speier und Ambrosius Dalfinger verwüstet (Waitz 3, 398). Allein das sind vereinzelte Fälle; im Ganzen haben die Deutschen den Naturvölkern Segen gebracht, denn gerade die einflussreichsten Missionen sind zum Theil in ihren Händen gewesen, wobei vor allen Dingen an die Wirksamkeit der Herrnhuter in Afrika und Nordamerika (z. B. Heckewelder) erinnert werden muss. Auch unter den Jesuiten waren viele Deutsche, z. B. Dobrizhofer unter den Abiponen, Strohbach auf den Marianen. Die Missionsthätigkeit ist auch jetzt noch nicht vermindert und trägt ihre segensreichen Früchte für die Eingeborenen und für die Wissenschaft, denn eine Menge der bedeutendsten Missionsschriften sind, freilich meist in englischer Sprache, von Deutschen verfasst — Namen wie Kölle, Döhne, Teichelmann, Schürmann, Dieffenbach (freilich kein Missionär) u.a. sind bekannt genug. Die fast immer ganz unmenschliche und mordgierige Art, mit welcher der Europäer die Naturvölker bekriegte und meist deren Rohheit bei weitem übertraf, zwingt uns zu einem anthropologischen Schluss von nicht geringer Bedeutung; denn wir sehen daraus klar, »dass die Kluft, die den civilisirten Menschen vom sogen. Wilden trennt, bei weitem nicht so gross ist, als man sich oft einbildet« (Waitz, 3, 259). Man hat ja gerade die wilde Blutgier der Naturvölker so wie ihr beharrliches Fernbleiben von aller Kultur so besonders hervorgehoben, ja mit darauf hin den Schluss gezogen, dass sie von geringerer Organisation und Befähigung, dass sie von Haus aus eine niedrigere Raçe wären (Carus 28, 22 ff.). Wie will man das aber aufrecht halten, wenn die civilisirten Völker von einer viel wilderen und grauenvolleren Blutgier besessen sind, die um so schrecklicher wird, als sie unvermittelt neben so hoch entwickelten intellektuellen Fähigkeiten steht? Wenn die grössten und bedeutendsten Männer dieser civilisirten Völker dieselbe Blutgier theilen, wie Columbus, welcher die auf Menschen dressirten Hunde einführte, der Königin Isabella rieth, die Kosten seiner Fahrten durch Menschenraub zu decken, Diebstähle mit grausamen Verstümmelungen strafte und Hinterlist und gemeinen Verrath gegen die Indianer für erlaubt hielt? (Waitz 4, 331). Wenn die blutgierig-rohesten wohl noch wegen ihrer grauenvollen Bestialität als besonders hervorragend gepriesen werden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Die Transkription entspricht den DTA-Richtlinien.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/147
Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/147>, abgerufen am 23.11.2024.