Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

200) die Eingeborenen öfters zum Vergnügen nieder, da sie in den Augen der Kolonisten nicht höher stehen, wie etwa der Orang Utang. Ja man hat sie an verschiedenen Orten schaarenweise vergiftet (Eyre Journal of expedd. into Central-Austral. 1845 2, 176 Note: Waitz 186); nach Byrne (12 years wanderings in the british colonies 1848 1, 275, Waitz eb.) ist das an vielen Gegenden von Neu-Süd-Wales durch Arsenik geschehen und man hat sich laut und öffentlich dieser That gerühmt.

Natürlich ist für ihre Emporhebung so gut wie nichts geschehen; denn was wollen die edeln Bemühungen einzelner Männer, wie der Missionäre, sagen, wenn das ganze Volk der Kolonisten anders handelt? Grey (2, 364 ff.) stellt zusammen, worin man an ihnen gefehlt hat: man betrachtet sie als niedere Race und behandelt sie deshalb mit dem grössten Vorurtheil und der grössten Willkühr. Werden sie zur Arbeit gedungen, so zahlt man ihnen oft fast nichts, immer aber weit geringeren Lohn als den Europäern. Natürlich schweifen sie lieber bettelnd umher. Sie unter englischen Rechtsschutz zu stellen war wohlgemeint: allein man hätte die englischen Gesetze auch auf das Unrecht, was sie einander selbst thun, anwenden sollen, während jetzt (Grey gibt Beispiele aus Perth) die Europäer ruhig zusehen, wenn Eingeborene von Eingeborenen ermordet werden; man hat durch diese Art der Einführung des englischen Rechts nichts erreicht, als dass die älteren Eingeborenen die jüngeren durch grausame Behandlung von der Annahme neuer Sitten abschrecken (Grey 2, 376). Es ist nach alledem kein Wunder, wenn sie sich von der Kultur, die sie so namenlos elend gemacht hat und fortfährt, sie als wilde Thiere zu behandeln, streng abwenden, obwohl sie geschickt genug sind, sie unter sich aufzunehmen und sich höher zu entwickeln (Grey 2, 374). Grey selbst erzählt einen Fall (2, 369), dass ein europäisch unterrichteter Eingeborener, der manche Fähigkeiten sich erworben hatte, wieder zurückkehrte zu den uncivilisirten Seinen, in die wilden Wälder. Wollen wir ihn tadeln, dass er nicht lieber, wie es in Prutzs geistreichem-Lustspiel von ähnlichen Verhältnissen heisst,

Ein Lump auf Griechisch ist, als ein honetter Tektosage?

Bei den Seinen hatte er Familie, Ehre, Vermögen; in der Kolonie war er verachtet, ehrlos, arm. "Ich hätte ebenso gehandelt", sagt Grey.

Aus allem Angeführten geht hervor, dass es sehr unrecht ist, wenn man aus der Feindseligkeit der Neuholländer gegen die Kultur schliesst, sie seien überhaupt jeglicher höheren Bildung unfähig. Nicht sie haben die Kultur, die Kultur hat sie von sich gestossen.

Die Eingeborenen Tasmaniens, welche noch friedfertiger waren als die Neuholländer, sind schon vernichtet. Auch hier war eine Verbrecherkolonie und was für Früchte sie den Eingeborenen trug, zeigt folgende Geschichte: ein Sträfling überredete einen Eingeborenen, dem er eine geladene Flinte gab, wenn er dieselbe in sein

200) die Eingeborenen öfters zum Vergnügen nieder, da sie in den Augen der Kolonisten nicht höher stehen, wie etwa der Orang Utang. Ja man hat sie an verschiedenen Orten schaarenweise vergiftet (Eyre Journal of expedd. into Central-Austral. 1845 2, 176 Note: Waitz 186); nach Byrne (12 years wanderings in the british colonies 1848 1, 275, Waitz eb.) ist das an vielen Gegenden von Neu-Süd-Wales durch Arsenik geschehen und man hat sich laut und öffentlich dieser That gerühmt.

Natürlich ist für ihre Emporhebung so gut wie nichts geschehen; denn was wollen die edeln Bemühungen einzelner Männer, wie der Missionäre, sagen, wenn das ganze Volk der Kolonisten anders handelt? Grey (2, 364 ff.) stellt zusammen, worin man an ihnen gefehlt hat: man betrachtet sie als niedere Raçe und behandelt sie deshalb mit dem grössten Vorurtheil und der grössten Willkühr. Werden sie zur Arbeit gedungen, so zahlt man ihnen oft fast nichts, immer aber weit geringeren Lohn als den Europäern. Natürlich schweifen sie lieber bettelnd umher. Sie unter englischen Rechtsschutz zu stellen war wohlgemeint: allein man hätte die englischen Gesetze auch auf das Unrecht, was sie einander selbst thun, anwenden sollen, während jetzt (Grey gibt Beispiele aus Perth) die Europäer ruhig zusehen, wenn Eingeborene von Eingeborenen ermordet werden; man hat durch diese Art der Einführung des englischen Rechts nichts erreicht, als dass die älteren Eingeborenen die jüngeren durch grausame Behandlung von der Annahme neuer Sitten abschrecken (Grey 2, 376). Es ist nach alledem kein Wunder, wenn sie sich von der Kultur, die sie so namenlos elend gemacht hat und fortfährt, sie als wilde Thiere zu behandeln, streng abwenden, obwohl sie geschickt genug sind, sie unter sich aufzunehmen und sich höher zu entwickeln (Grey 2, 374). Grey selbst erzählt einen Fall (2, 369), dass ein europäisch unterrichteter Eingeborener, der manche Fähigkeiten sich erworben hatte, wieder zurückkehrte zu den uncivilisirten Seinen, in die wilden Wälder. Wollen wir ihn tadeln, dass er nicht lieber, wie es in Prutzs geistreichem-Lustspiel von ähnlichen Verhältnissen heisst,

Ein Lump auf Griechisch ist, als ein honetter Tektosage?

Bei den Seinen hatte er Familie, Ehre, Vermögen; in der Kolonie war er verachtet, ehrlos, arm. »Ich hätte ebenso gehandelt«, sagt Grey.

Aus allem Angeführten geht hervor, dass es sehr unrecht ist, wenn man aus der Feindseligkeit der Neuholländer gegen die Kultur schliesst, sie seien überhaupt jeglicher höheren Bildung unfähig. Nicht sie haben die Kultur, die Kultur hat sie von sich gestossen.

Die Eingeborenen Tasmaniens, welche noch friedfertiger waren als die Neuholländer, sind schon vernichtet. Auch hier war eine Verbrecherkolonie und was für Früchte sie den Eingeborenen trug, zeigt folgende Geschichte: ein Sträfling überredete einen Eingeborenen, dem er eine geladene Flinte gab, wenn er dieselbe in sein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126"/>
200) die Eingeborenen öfters zum
 Vergnügen nieder, da sie in den Augen der Kolonisten nicht
 höher stehen, wie etwa der Orang Utang. Ja man hat sie an
 verschiedenen Orten schaarenweise vergiftet (Eyre Journal of
 expedd. into Central-Austral. 1845 2, 176 Note: Waitz 186); nach
 Byrne (12 years wanderings in the british colonies 1848 1, 275,
 Waitz eb.) ist das an vielen Gegenden von Neu-Süd-Wales durch
 Arsenik geschehen und man hat sich laut und öffentlich dieser
 That gerühmt.</p>
        <p>Natürlich ist für ihre Emporhebung so gut wie nichts
 geschehen; denn was wollen die edeln Bemühungen einzelner
 Männer, wie der Missionäre, sagen, wenn das ganze Volk
 der Kolonisten anders handelt? Grey (2, 364 ff.) stellt zusammen,
 worin man an ihnen gefehlt hat: man betrachtet sie als niedere
 Raçe und behandelt sie deshalb mit dem grössten
 Vorurtheil und der grössten Willkühr. Werden sie zur
 Arbeit gedungen, so zahlt man ihnen oft fast nichts, immer aber
 weit geringeren Lohn als den Europäern. Natürlich
 schweifen sie lieber bettelnd umher. Sie unter englischen
 Rechtsschutz zu stellen war wohlgemeint: allein man hätte die
 englischen Gesetze auch auf das Unrecht, was sie einander selbst
 thun, anwenden sollen, während jetzt (Grey gibt Beispiele aus
 Perth) die Europäer ruhig zusehen, wenn Eingeborene von
 Eingeborenen ermordet werden; man hat durch diese Art der
 Einführung des englischen Rechts nichts erreicht, als dass die
 älteren Eingeborenen die jüngeren durch grausame
 Behandlung von der Annahme neuer Sitten abschrecken (Grey 2, 376).
 Es ist nach alledem kein Wunder, wenn sie sich von der Kultur, die
 sie so namenlos elend gemacht hat und fortfährt, sie als wilde
 Thiere zu behandeln, streng abwenden, obwohl sie geschickt genug
 sind, sie unter sich aufzunehmen und sich höher zu entwickeln
 (Grey 2, 374). Grey selbst erzählt einen Fall (2, 369), dass
 ein europäisch unterrichteter Eingeborener, der manche
 Fähigkeiten sich erworben hatte, wieder zurückkehrte zu
 den uncivilisirten Seinen, in die wilden Wälder. Wollen wir
 ihn tadeln, dass er nicht lieber, wie es in Prutzs
 geistreichem-Lustspiel von ähnlichen Verhältnissen
 heisst,</p>
        <lg type="poem">
          <l>Ein Lump auf Griechisch ist, als ein honetter Tektosage?</l><lb/>
        </lg>
        <p>Bei den Seinen hatte er Familie, Ehre, Vermögen; in der
 Kolonie war er verachtet, ehrlos, arm. »Ich hätte ebenso
 gehandelt«, sagt Grey.</p>
        <p>Aus allem Angeführten geht hervor, dass es sehr unrecht
 ist, wenn man aus der Feindseligkeit der Neuholländer gegen
 die Kultur schliesst, sie seien überhaupt jeglicher
 höheren Bildung unfähig. Nicht sie haben die Kultur, die
 Kultur hat sie von sich gestossen.</p>
        <p>Die Eingeborenen Tasmaniens, welche noch friedfertiger waren als
 die Neuholländer, sind schon vernichtet. Auch hier war eine
 Verbrecherkolonie und was für Früchte sie den
 Eingeborenen trug, zeigt folgende Geschichte: ein Sträfling
 überredete einen Eingeborenen, dem er eine geladene Flinte
 gab, wenn er dieselbe in sein
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0126] 200) die Eingeborenen öfters zum Vergnügen nieder, da sie in den Augen der Kolonisten nicht höher stehen, wie etwa der Orang Utang. Ja man hat sie an verschiedenen Orten schaarenweise vergiftet (Eyre Journal of expedd. into Central-Austral. 1845 2, 176 Note: Waitz 186); nach Byrne (12 years wanderings in the british colonies 1848 1, 275, Waitz eb.) ist das an vielen Gegenden von Neu-Süd-Wales durch Arsenik geschehen und man hat sich laut und öffentlich dieser That gerühmt. Natürlich ist für ihre Emporhebung so gut wie nichts geschehen; denn was wollen die edeln Bemühungen einzelner Männer, wie der Missionäre, sagen, wenn das ganze Volk der Kolonisten anders handelt? Grey (2, 364 ff.) stellt zusammen, worin man an ihnen gefehlt hat: man betrachtet sie als niedere Raçe und behandelt sie deshalb mit dem grössten Vorurtheil und der grössten Willkühr. Werden sie zur Arbeit gedungen, so zahlt man ihnen oft fast nichts, immer aber weit geringeren Lohn als den Europäern. Natürlich schweifen sie lieber bettelnd umher. Sie unter englischen Rechtsschutz zu stellen war wohlgemeint: allein man hätte die englischen Gesetze auch auf das Unrecht, was sie einander selbst thun, anwenden sollen, während jetzt (Grey gibt Beispiele aus Perth) die Europäer ruhig zusehen, wenn Eingeborene von Eingeborenen ermordet werden; man hat durch diese Art der Einführung des englischen Rechts nichts erreicht, als dass die älteren Eingeborenen die jüngeren durch grausame Behandlung von der Annahme neuer Sitten abschrecken (Grey 2, 376). Es ist nach alledem kein Wunder, wenn sie sich von der Kultur, die sie so namenlos elend gemacht hat und fortfährt, sie als wilde Thiere zu behandeln, streng abwenden, obwohl sie geschickt genug sind, sie unter sich aufzunehmen und sich höher zu entwickeln (Grey 2, 374). Grey selbst erzählt einen Fall (2, 369), dass ein europäisch unterrichteter Eingeborener, der manche Fähigkeiten sich erworben hatte, wieder zurückkehrte zu den uncivilisirten Seinen, in die wilden Wälder. Wollen wir ihn tadeln, dass er nicht lieber, wie es in Prutzs geistreichem-Lustspiel von ähnlichen Verhältnissen heisst, Ein Lump auf Griechisch ist, als ein honetter Tektosage? Bei den Seinen hatte er Familie, Ehre, Vermögen; in der Kolonie war er verachtet, ehrlos, arm. »Ich hätte ebenso gehandelt«, sagt Grey. Aus allem Angeführten geht hervor, dass es sehr unrecht ist, wenn man aus der Feindseligkeit der Neuholländer gegen die Kultur schliesst, sie seien überhaupt jeglicher höheren Bildung unfähig. Nicht sie haben die Kultur, die Kultur hat sie von sich gestossen. Die Eingeborenen Tasmaniens, welche noch friedfertiger waren als die Neuholländer, sind schon vernichtet. Auch hier war eine Verbrecherkolonie und was für Früchte sie den Eingeborenen trug, zeigt folgende Geschichte: ein Sträfling überredete einen Eingeborenen, dem er eine geladene Flinte gab, wenn er dieselbe in sein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Die Transkription entspricht den DTA-Richtlinien.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/126
Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/126>, abgerufen am 22.11.2024.