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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Erster Abschnitt.
beim Monarchen, den Ständen oder einer Behörde vor-
zutragen (Petitionsrecht). Wenn dabei vorgeschrieben
wird, dass die Bitte in passender Form, nicht durch
ungeordnete Massen, bei den Ständen nicht persönlich
überreicht werden solle, dass sich das Heer nicht zum
Zwecke der Petition versammeln dürfe, dass Bitten von
Corporationsvorständen nur dann als Corporationsange-
legenheiten gelten, wenn sie sich auf die im Lebenskreise
der Corporation befindlichen Gegenstände beziehen, so
sind diess keine das s. g. Petitionsrecht beschränkenden
Bestimmungen, sondern Rechtssätze, welche anderswo
ihren Anknüpfungspunkt haben.

4. Der Staat kann nicht das Mass oder die Art
der Ausbildung seiner einzelnen Volksglieder, oder
die Berufswahl derselben bestimmen wollen.

5. Der Staat muss die richterliche Thätigkeit
völlig unabhängig stellen; auch kann er die Handhabung
der Gerechtigkeit nicht durch besondere gesellschaft-
liche Verhältnisse der Volksglieder bedingen lassen,5
und Niemandem den Zugang zu seinem ordentlichen
Richter versagen.

6. Der Staat kann Niemanden hindern, Versamm-
lungen
zu veranstalten und Vereine zu gründen, oder

3. März 1848. Neues Bundesgesetz v. 6. Juli 1854. Dazu mancher-
lei Pressgesetze in den Einzelstaaten. -- Eine ausführliche Ab-
handlung über das sogen. Petitionsrecht giebt Mohl in seinem
Werke "Staatsrecht, Völkerrecht u. Politik 1860" Bd. I. S. 222 flg.
In dieser Ausführung scheint mir das Wesen des s. g. Petitions-
rechts verkannt zu sein. "Bitten" ist keine Rechtshandlung.
Vergleiche meine Schrift über öffentliche Rechte, S. 79. Note 1.
5 Die s. g. Gleichheit vor dem Gesetze.

Erster Abschnitt.
beim Monarchen, den Ständen oder einer Behörde vor-
zutragen (Petitionsrecht). Wenn dabei vorgeschrieben
wird, dass die Bitte in passender Form, nicht durch
ungeordnete Massen, bei den Ständen nicht persönlich
überreicht werden solle, dass sich das Heer nicht zum
Zwecke der Petition versammeln dürfe, dass Bitten von
Corporationsvorständen nur dann als Corporationsange-
legenheiten gelten, wenn sie sich auf die im Lebenskreise
der Corporation befindlichen Gegenstände beziehen, so
sind diess keine das s. g. Petitionsrecht beschränkenden
Bestimmungen, sondern Rechtssätze, welche anderswo
ihren Anknüpfungspunkt haben.

4. Der Staat kann nicht das Mass oder die Art
der Ausbildung seiner einzelnen Volksglieder, oder
die Berufswahl derselben bestimmen wollen.

5. Der Staat muss die richterliche Thätigkeit
völlig unabhängig stellen; auch kann er die Handhabung
der Gerechtigkeit nicht durch besondere gesellschaft-
liche Verhältnisse der Volksglieder bedingen lassen,5
und Niemandem den Zugang zu seinem ordentlichen
Richter versagen.

6. Der Staat kann Niemanden hindern, Versamm-
lungen
zu veranstalten und Vereine zu gründen, oder

3. März 1848. Neues Bundesgesetz v. 6. Juli 1854. Dazu mancher-
lei Pressgesetze in den Einzelstaaten. — Eine ausführliche Ab-
handlung über das sogen. Petitionsrecht giebt Mohl in seinem
Werke „Staatsrecht, Völkerrecht u. Politik 1860“ Bd. I. S. 222 flg.
In dieser Ausführung scheint mir das Wesen des s. g. Petitions-
rechts verkannt zu sein. „Bitten“ ist keine Rechtshandlung.
Vergleiche meine Schrift über öffentliche Rechte, S. 79. Note 1.
5 Die s. g. Gleichheit vor dem Gesetze.
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[34/0052] Erster Abschnitt. beim Monarchen, den Ständen oder einer Behörde vor- zutragen (Petitionsrecht). Wenn dabei vorgeschrieben wird, dass die Bitte in passender Form, nicht durch ungeordnete Massen, bei den Ständen nicht persönlich überreicht werden solle, dass sich das Heer nicht zum Zwecke der Petition versammeln dürfe, dass Bitten von Corporationsvorständen nur dann als Corporationsange- legenheiten gelten, wenn sie sich auf die im Lebenskreise der Corporation befindlichen Gegenstände beziehen, so sind diess keine das s. g. Petitionsrecht beschränkenden Bestimmungen, sondern Rechtssätze, welche anderswo ihren Anknüpfungspunkt haben. 4. Der Staat kann nicht das Mass oder die Art der Ausbildung seiner einzelnen Volksglieder, oder die Berufswahl derselben bestimmen wollen. 5. Der Staat muss die richterliche Thätigkeit völlig unabhängig stellen; auch kann er die Handhabung der Gerechtigkeit nicht durch besondere gesellschaft- liche Verhältnisse der Volksglieder bedingen lassen, 5 und Niemandem den Zugang zu seinem ordentlichen Richter versagen. 6. Der Staat kann Niemanden hindern, Versamm- lungen zu veranstalten und Vereine zu gründen, oder 4 5 Die s. g. Gleichheit vor dem Gesetze. 4 3. März 1848. Neues Bundesgesetz v. 6. Juli 1854. Dazu mancher- lei Pressgesetze in den Einzelstaaten. — Eine ausführliche Ab- handlung über das sogen. Petitionsrecht giebt Mohl in seinem Werke „Staatsrecht, Völkerrecht u. Politik 1860“ Bd. I. S. 222 flg. In dieser Ausführung scheint mir das Wesen des s. g. Petitions- rechts verkannt zu sein. „Bitten“ ist keine Rechtshandlung. Vergleiche meine Schrift über öffentliche Rechte, S. 79. Note 1.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/52>, abgerufen am 11.12.2024.