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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Vierter Abschnitt.
Thatbestand geschaffen wird. Es ist denkbar, dass
durch eine Verwaltungshandlung ein erworbenes Recht2
verletzt wird, oder dass der unrechtmässige Act einer
Administrativbehörde einen privatrechtlichen Ersatzan-
spruch des Verletzten oder ein Rückforderungsrecht3
begründet. Hier sondert sich aus der Beziehung des
Staatsbürgers zur Staatsgewalt ein privatrechtlich indi-
vidualisirter Thatbestand ab, der unter dem Rechts-
schutze der Civilgerichte steht. Diese haben auf An-
erkennung des verletzten Rechts, sowie auf Ent-
schädigung zu erkennen. Auch erstreckt sich ihre
Prüfung auf die Frage der Rechtswidrigkeit der Ver-
waltungshandlung, insofern sie die thatsächliche Grund-
lage des Entschädigungsanspruchs bildet, sofern nicht
die Landesgesetze diesen Theil des Streitmaterials allein
der Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde vor-
behalten,4 welche alsdann das Gericht (und zwar nicht
bloss wie ein Gutachten Sachverständiger) anzuerkennen
verbunden ist. Die beklagte Partei ist nach Umständen
der handelnde Beamte persönlich, nach Umständen der
Fiscus. Insbesondere kann der Fiscus immer belangt

2 Dass dahin nicht die allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte,
die s. g. Volksrechte, gehören, ergiebt sich aus dem oben zu §. 11.
N. 2. Gesagten. -- Zu diesen Fällen eines Eingriffs in das Privat-
recht des Einzelnen ist namentlich die Ausübung des Expropria-
tionsrechts
zu zählen. Hier sind die Gerichte nicht competent,
darüber zu entscheiden, ob der Fall einer Expropriation vorhanden
gewesen sei, wenn das Gesetz die Erwägung darüber dem Er-
messen der Verwaltung schrankenlos anheim giebt; wohl aber
über die Entschädigung. Siehe Bähr, Rechtsstaat, S. 166.
3 Z. B. der rechtswidrig erhobenen Steuer.
4 So das angeführte Königlich Sächsische Gesetz §. 14.

Vierter Abschnitt.
Thatbestand geschaffen wird. Es ist denkbar, dass
durch eine Verwaltungshandlung ein erworbenes Recht2
verletzt wird, oder dass der unrechtmässige Act einer
Administrativbehörde einen privatrechtlichen Ersatzan-
spruch des Verletzten oder ein Rückforderungsrecht3
begründet. Hier sondert sich aus der Beziehung des
Staatsbürgers zur Staatsgewalt ein privatrechtlich indi-
vidualisirter Thatbestand ab, der unter dem Rechts-
schutze der Civilgerichte steht. Diese haben auf An-
erkennung des verletzten Rechts, sowie auf Ent-
schädigung zu erkennen. Auch erstreckt sich ihre
Prüfung auf die Frage der Rechtswidrigkeit der Ver-
waltungshandlung, insofern sie die thatsächliche Grund-
lage des Entschädigungsanspruchs bildet, sofern nicht
die Landesgesetze diesen Theil des Streitmaterials allein
der Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde vor-
behalten,4 welche alsdann das Gericht (und zwar nicht
bloss wie ein Gutachten Sachverständiger) anzuerkennen
verbunden ist. Die beklagte Partei ist nach Umständen
der handelnde Beamte persönlich, nach Umständen der
Fiscus. Insbesondere kann der Fiscus immer belangt

2 Dass dahin nicht die allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte,
die s. g. Volksrechte, gehören, ergiebt sich aus dem oben zu §. 11.
N. 2. Gesagten. — Zu diesen Fällen eines Eingriffs in das Privat-
recht des Einzelnen ist namentlich die Ausübung des Expropria-
tionsrechts
zu zählen. Hier sind die Gerichte nicht competent,
darüber zu entscheiden, ob der Fall einer Expropriation vorhanden
gewesen sei, wenn das Gesetz die Erwägung darüber dem Er-
messen der Verwaltung schrankenlos anheim giebt; wohl aber
über die Entschädigung. Siehe Bähr, Rechtsstaat, S. 166.
3 Z. B. der rechtswidrig erhobenen Steuer.
4 So das angeführte Königlich Sächsische Gesetz §. 14.
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[202/0220] Vierter Abschnitt. Thatbestand geschaffen wird. Es ist denkbar, dass durch eine Verwaltungshandlung ein erworbenes Recht 2 verletzt wird, oder dass der unrechtmässige Act einer Administrativbehörde einen privatrechtlichen Ersatzan- spruch des Verletzten oder ein Rückforderungsrecht 3 begründet. Hier sondert sich aus der Beziehung des Staatsbürgers zur Staatsgewalt ein privatrechtlich indi- vidualisirter Thatbestand ab, der unter dem Rechts- schutze der Civilgerichte steht. Diese haben auf An- erkennung des verletzten Rechts, sowie auf Ent- schädigung zu erkennen. Auch erstreckt sich ihre Prüfung auf die Frage der Rechtswidrigkeit der Ver- waltungshandlung, insofern sie die thatsächliche Grund- lage des Entschädigungsanspruchs bildet, sofern nicht die Landesgesetze diesen Theil des Streitmaterials allein der Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde vor- behalten, 4 welche alsdann das Gericht (und zwar nicht bloss wie ein Gutachten Sachverständiger) anzuerkennen verbunden ist. Die beklagte Partei ist nach Umständen der handelnde Beamte persönlich, nach Umständen der Fiscus. Insbesondere kann der Fiscus immer belangt 2 Dass dahin nicht die allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte, die s. g. Volksrechte, gehören, ergiebt sich aus dem oben zu §. 11. N. 2. Gesagten. — Zu diesen Fällen eines Eingriffs in das Privat- recht des Einzelnen ist namentlich die Ausübung des Expropria- tionsrechts zu zählen. Hier sind die Gerichte nicht competent, darüber zu entscheiden, ob der Fall einer Expropriation vorhanden gewesen sei, wenn das Gesetz die Erwägung darüber dem Er- messen der Verwaltung schrankenlos anheim giebt; wohl aber über die Entschädigung. Siehe Bähr, Rechtsstaat, S. 166. 3 Z. B. der rechtswidrig erhobenen Steuer. 4 So das angeführte Königlich Sächsische Gesetz §. 14.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/220>, abgerufen am 22.11.2024.