Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Vierter Abschnitt. kann das Bedürfniss richterlicher Entscheidungen selbstdurch Einrichtungen gemindert sein, welche schon an sich eine grosse Sicherung der Anerkennung des Rechts gewähren. Diess ist im Staatsrechte in besonders hohem Grade der Fall, indem hier durch die ganze Anlage des Gesammtorganismus und die Stellung der Organe, in denen die Lebensäusserungen des Staats hervortreten, dafür gesorgt ist, dass Rechtsstörungen in gegenseitigem Verhandeln und Vertragen ihre Aus- gleichung finden. Monarch und Stände sind auf gegen- seitige Verständigung angewiesen, die Regierung unter- liegt der unbeschränkten Kritik der periodisch wieder- kehrenden Ständeversammlung und kann nur dann auf Behauptung ihrer Autorität rechnen, wenn sie jener Kritik den Nachweis des rechtmässigen Handelns ent- gegenstellen kann. Aber auch darin liegt eine be- deutende Sicherung der Aufrechterhaltung des Rechts, dass die Verwaltung an eine Menge wohl bestellter Aemter vertheilt ist, welche durch ihre Abstufung nach höheren und niederen Instanzkreisen die Mög- lichkeit einer ausreichenden Controle darbieten. Als eine weitere Garantie der Anerkennung des öffent- lichen Rechts3 kann endlich die Macht der öffentlichen Meinung angeführt werden, welche auf keinem anderen 3 Man trete mir hier nicht entgegen mit einer Hinweisung auf
die Verhältnisse der beiden grossen deutschen Staaten, welche augenblicklich in jener Krisis begriffen sind, die keinem politischen Gemeinwesen von solcher Bedeutung beim Uebergange in das constitutionelle Leben erspart bleibt. Nur ein völlig Unerfahrener kann an solche Verhältnisse den Massstab eines kleineren, inner- lich leicht geordneten Staats legen, der nach Aussen nicht selbst für seinen Schutz zu sorgen hat. Vierter Abschnitt. kann das Bedürfniss richterlicher Entscheidungen selbstdurch Einrichtungen gemindert sein, welche schon an sich eine grosse Sicherung der Anerkennung des Rechts gewähren. Diess ist im Staatsrechte in besonders hohem Grade der Fall, indem hier durch die ganze Anlage des Gesammtorganismus und die Stellung der Organe, in denen die Lebensäusserungen des Staats hervortreten, dafür gesorgt ist, dass Rechtsstörungen in gegenseitigem Verhandeln und Vertragen ihre Aus- gleichung finden. Monarch und Stände sind auf gegen- seitige Verständigung angewiesen, die Regierung unter- liegt der unbeschränkten Kritik der periodisch wieder- kehrenden Ständeversammlung und kann nur dann auf Behauptung ihrer Autorität rechnen, wenn sie jener Kritik den Nachweis des rechtmässigen Handelns ent- gegenstellen kann. Aber auch darin liegt eine be- deutende Sicherung der Aufrechterhaltung des Rechts, dass die Verwaltung an eine Menge wohl bestellter Aemter vertheilt ist, welche durch ihre Abstufung nach höheren und niederen Instanzkreisen die Mög- lichkeit einer ausreichenden Controle darbieten. Als eine weitere Garantie der Anerkennung des öffent- lichen Rechts3 kann endlich die Macht der öffentlichen Meinung angeführt werden, welche auf keinem anderen 3 Man trete mir hier nicht entgegen mit einer Hinweisung auf
die Verhältnisse der beiden grossen deutschen Staaten, welche augenblicklich in jener Krisis begriffen sind, die keinem politischen Gemeinwesen von solcher Bedeutung beim Uebergange in das constitutionelle Leben erspart bleibt. Nur ein völlig Unerfahrener kann an solche Verhältnisse den Massstab eines kleineren, inner- lich leicht geordneten Staats legen, der nach Aussen nicht selbst für seinen Schutz zu sorgen hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0200" n="182"/><fw place="top" type="header">Vierter Abschnitt.</fw><lb/> kann das Bedürfniss richterlicher Entscheidungen selbst<lb/> durch Einrichtungen gemindert sein, welche schon an<lb/> sich eine grosse Sicherung der Anerkennung des Rechts<lb/> gewähren. Diess ist im Staatsrechte in besonders<lb/> hohem Grade der Fall, indem hier durch die ganze<lb/> Anlage des Gesammtorganismus und die Stellung der<lb/> Organe, in denen die Lebensäusserungen des Staats<lb/> hervortreten, dafür gesorgt ist, dass Rechtsstörungen<lb/> in gegenseitigem Verhandeln und Vertragen ihre Aus-<lb/> gleichung finden. Monarch und Stände sind auf gegen-<lb/> seitige Verständigung angewiesen, die Regierung unter-<lb/> liegt der unbeschränkten Kritik der periodisch wieder-<lb/> kehrenden Ständeversammlung und kann nur dann<lb/> auf Behauptung ihrer Autorität rechnen, wenn sie jener<lb/> Kritik den Nachweis des rechtmässigen Handelns ent-<lb/> gegenstellen kann. Aber auch darin liegt eine be-<lb/> deutende Sicherung der Aufrechterhaltung des Rechts,<lb/> dass die Verwaltung an eine Menge wohl bestellter<lb/> Aemter vertheilt ist, welche durch ihre Abstufung<lb/> nach höheren und niederen Instanzkreisen die Mög-<lb/> lichkeit einer ausreichenden Controle darbieten. Als<lb/> eine weitere Garantie der Anerkennung des öffent-<lb/> lichen Rechts<note place="foot" n="3">Man trete mir hier nicht entgegen mit einer Hinweisung auf<lb/> die Verhältnisse der beiden grossen deutschen Staaten, welche<lb/> augenblicklich in jener Krisis begriffen sind, die keinem politischen<lb/> Gemeinwesen von solcher Bedeutung beim Uebergange in das<lb/> constitutionelle Leben erspart bleibt. Nur ein völlig Unerfahrener<lb/> kann an solche Verhältnisse den Massstab eines kleineren, inner-<lb/> lich leicht geordneten Staats legen, der nach Aussen nicht selbst<lb/> für seinen Schutz zu sorgen hat.</note> kann endlich die Macht der öffentlichen<lb/> Meinung angeführt werden, welche auf keinem anderen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0200]
Vierter Abschnitt.
kann das Bedürfniss richterlicher Entscheidungen selbst
durch Einrichtungen gemindert sein, welche schon an
sich eine grosse Sicherung der Anerkennung des Rechts
gewähren. Diess ist im Staatsrechte in besonders
hohem Grade der Fall, indem hier durch die ganze
Anlage des Gesammtorganismus und die Stellung der
Organe, in denen die Lebensäusserungen des Staats
hervortreten, dafür gesorgt ist, dass Rechtsstörungen
in gegenseitigem Verhandeln und Vertragen ihre Aus-
gleichung finden. Monarch und Stände sind auf gegen-
seitige Verständigung angewiesen, die Regierung unter-
liegt der unbeschränkten Kritik der periodisch wieder-
kehrenden Ständeversammlung und kann nur dann
auf Behauptung ihrer Autorität rechnen, wenn sie jener
Kritik den Nachweis des rechtmässigen Handelns ent-
gegenstellen kann. Aber auch darin liegt eine be-
deutende Sicherung der Aufrechterhaltung des Rechts,
dass die Verwaltung an eine Menge wohl bestellter
Aemter vertheilt ist, welche durch ihre Abstufung
nach höheren und niederen Instanzkreisen die Mög-
lichkeit einer ausreichenden Controle darbieten. Als
eine weitere Garantie der Anerkennung des öffent-
lichen Rechts 3 kann endlich die Macht der öffentlichen
Meinung angeführt werden, welche auf keinem anderen
3 Man trete mir hier nicht entgegen mit einer Hinweisung auf
die Verhältnisse der beiden grossen deutschen Staaten, welche
augenblicklich in jener Krisis begriffen sind, die keinem politischen
Gemeinwesen von solcher Bedeutung beim Uebergange in das
constitutionelle Leben erspart bleibt. Nur ein völlig Unerfahrener
kann an solche Verhältnisse den Massstab eines kleineren, inner-
lich leicht geordneten Staats legen, der nach Aussen nicht selbst
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