Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Dritter Abschnitt. sich von dem Einflusse jeder der Constatirung des Rechtsfremdartigen Rücksicht frei zu halten. Seine Thätigkeit des Rechtfindens und Rechtsprechens ist eine Operation der juristischen Kunst, und sein Arbeitsgebiet ist gegen- über den sonstigen Gebieten der Wirksamkeit der Staats- kräfte ein völlig neutrales Feld. Zur äusseren Verstär- kung dieser Unabhängigkeit dient die besondere recht- liche Sicherung der Staatsdienstverhältnisse der richter- lichen Personen.4 Die von den Gerichten gesprochenen rechtskräftigen Erkenntnisse werden von der Staatsgewalt vollzogen. Sie bedürfen, abgesehen von den auf Todes- strafe oder andere Strafen der höchsten Art lautenden Erkenntnissen, keiner Bestätigung des Monarchen. Dem Monarchen steht in Strafsachen nur das Recht zu, durch Abolition der verbrecherischen Handlung die Thätig- keit der Criminalgerichte zu hemmen, sowie das Recht, die erkannte Strafe mit ihren Folgen durch Begnadi- gung ganz oder theilweise aufzuheben. Diesem Rechte entspricht in Civilsachen die Befugniss des Monarchen, einem Schuldner Moratorien zu verleihen, welche aber 4 Siehe die Zusammenstellung von Belegen der Verf. bei
Zöpfl, Staatsrecht, §. 449. Note 5. Selbstverständlich ist, dass das in der Gerichtsherrlichkeit des Staats enthaltene Recht der Oberaufsicht auf das dienstliche Verhalten der Justizbeamten und das Recht derselben, gegen Säumniss, Nachlässigkeit und Ordnungswidrigkeiten einzuschreiten, hiermit nicht im Geringsten im Widerspruche steht. Eine noch weiter gehende Einwirkung auf die Justiz giebt der Regierung das freilich nicht überall gleich bestimmte moderne Institut der Staatsanwaltschaft. Die s. g. freiwillige Gerichtsbarkeit wird bei strengerer Begränzung der Justizthätigkeit auf das Gebiet des Rechtssprechens mehr und mehr den Gerichten abgenommen und besonderen Behörden der Rechtspolizei übertragen. Dritter Abschnitt. sich von dem Einflusse jeder der Constatirung des Rechtsfremdartigen Rücksicht frei zu halten. Seine Thätigkeit des Rechtfindens und Rechtsprechens ist eine Operation der juristischen Kunst, und sein Arbeitsgebiet ist gegen- über den sonstigen Gebieten der Wirksamkeit der Staats- kräfte ein völlig neutrales Feld. Zur äusseren Verstär- kung dieser Unabhängigkeit dient die besondere recht- liche Sicherung der Staatsdienstverhältnisse der richter- lichen Personen.4 Die von den Gerichten gesprochenen rechtskräftigen Erkenntnisse werden von der Staatsgewalt vollzogen. Sie bedürfen, abgesehen von den auf Todes- strafe oder andere Strafen der höchsten Art lautenden Erkenntnissen, keiner Bestätigung des Monarchen. Dem Monarchen steht in Strafsachen nur das Recht zu, durch Abolition der verbrecherischen Handlung die Thätig- keit der Criminalgerichte zu hemmen, sowie das Recht, die erkannte Strafe mit ihren Folgen durch Begnadi- gung ganz oder theilweise aufzuheben. Diesem Rechte entspricht in Civilsachen die Befugniss des Monarchen, einem Schuldner Moratorien zu verleihen, welche aber 4 Siehe die Zusammenstellung von Belegen der Verf. bei
Zöpfl, Staatsrecht, §. 449. Note 5. Selbstverständlich ist, dass das in der Gerichtsherrlichkeit des Staats enthaltene Recht der Oberaufsicht auf das dienstliche Verhalten der Justizbeamten und das Recht derselben, gegen Säumniss, Nachlässigkeit und Ordnungswidrigkeiten einzuschreiten, hiermit nicht im Geringsten im Widerspruche steht. Eine noch weiter gehende Einwirkung auf die Justiz giebt der Regierung das freilich nicht überall gleich bestimmte moderne Institut der Staatsanwaltschaft. Die s. g. freiwillige Gerichtsbarkeit wird bei strengerer Begränzung der Justizthätigkeit auf das Gebiet des Rechtssprechens mehr und mehr den Gerichten abgenommen und besonderen Behörden der Rechtspolizei übertragen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0188" n="170"/><fw place="top" type="header">Dritter Abschnitt.</fw><lb/> sich von dem Einflusse jeder der Constatirung des Rechts<lb/> fremdartigen Rücksicht frei zu halten. Seine Thätigkeit<lb/> des Rechtfindens und Rechtsprechens ist eine Operation<lb/> der juristischen Kunst, und sein Arbeitsgebiet ist gegen-<lb/> über den sonstigen Gebieten der Wirksamkeit der Staats-<lb/> kräfte ein völlig neutrales Feld. Zur äusseren Verstär-<lb/> kung dieser Unabhängigkeit dient die besondere recht-<lb/> liche Sicherung der Staatsdienstverhältnisse der richter-<lb/> lichen Personen.<note place="foot" n="4">Siehe die Zusammenstellung von Belegen der Verf. bei<lb/><hi rendition="#g">Zöpfl</hi>, Staatsrecht, §. 449. Note 5. Selbstverständlich ist, dass<lb/> das in der Gerichtsherrlichkeit des Staats enthaltene Recht der<lb/> Oberaufsicht auf das dienstliche Verhalten der Justizbeamten<lb/> und das Recht derselben, gegen Säumniss, Nachlässigkeit und<lb/> Ordnungswidrigkeiten einzuschreiten, hiermit nicht im Geringsten<lb/> im Widerspruche steht. Eine noch weiter gehende Einwirkung<lb/> auf die Justiz giebt der Regierung das freilich nicht überall gleich<lb/> bestimmte moderne Institut der Staatsanwaltschaft. Die s. g.<lb/> freiwillige Gerichtsbarkeit wird bei strengerer Begränzung der<lb/> Justizthätigkeit auf das Gebiet des Rechtssprechens mehr und<lb/> mehr den Gerichten abgenommen und besonderen Behörden der<lb/> Rechtspolizei übertragen.</note> Die von den Gerichten gesprochenen<lb/> rechtskräftigen Erkenntnisse werden von der Staatsgewalt<lb/> vollzogen. Sie bedürfen, abgesehen von den auf Todes-<lb/> strafe oder andere Strafen der höchsten Art lautenden<lb/> Erkenntnissen, keiner Bestätigung des Monarchen. Dem<lb/> Monarchen steht in Strafsachen nur das Recht zu, durch<lb/> Abolition der verbrecherischen Handlung die Thätig-<lb/> keit der Criminalgerichte zu hemmen, sowie das Recht,<lb/> die erkannte Strafe mit ihren Folgen durch Begnadi-<lb/> gung ganz oder theilweise aufzuheben. Diesem Rechte<lb/> entspricht in Civilsachen die Befugniss des Monarchen,<lb/> einem Schuldner Moratorien zu verleihen, welche aber<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [170/0188]
Dritter Abschnitt.
sich von dem Einflusse jeder der Constatirung des Rechts
fremdartigen Rücksicht frei zu halten. Seine Thätigkeit
des Rechtfindens und Rechtsprechens ist eine Operation
der juristischen Kunst, und sein Arbeitsgebiet ist gegen-
über den sonstigen Gebieten der Wirksamkeit der Staats-
kräfte ein völlig neutrales Feld. Zur äusseren Verstär-
kung dieser Unabhängigkeit dient die besondere recht-
liche Sicherung der Staatsdienstverhältnisse der richter-
lichen Personen. 4 Die von den Gerichten gesprochenen
rechtskräftigen Erkenntnisse werden von der Staatsgewalt
vollzogen. Sie bedürfen, abgesehen von den auf Todes-
strafe oder andere Strafen der höchsten Art lautenden
Erkenntnissen, keiner Bestätigung des Monarchen. Dem
Monarchen steht in Strafsachen nur das Recht zu, durch
Abolition der verbrecherischen Handlung die Thätig-
keit der Criminalgerichte zu hemmen, sowie das Recht,
die erkannte Strafe mit ihren Folgen durch Begnadi-
gung ganz oder theilweise aufzuheben. Diesem Rechte
entspricht in Civilsachen die Befugniss des Monarchen,
einem Schuldner Moratorien zu verleihen, welche aber
4 Siehe die Zusammenstellung von Belegen der Verf. bei
Zöpfl, Staatsrecht, §. 449. Note 5. Selbstverständlich ist, dass
das in der Gerichtsherrlichkeit des Staats enthaltene Recht der
Oberaufsicht auf das dienstliche Verhalten der Justizbeamten
und das Recht derselben, gegen Säumniss, Nachlässigkeit und
Ordnungswidrigkeiten einzuschreiten, hiermit nicht im Geringsten
im Widerspruche steht. Eine noch weiter gehende Einwirkung
auf die Justiz giebt der Regierung das freilich nicht überall gleich
bestimmte moderne Institut der Staatsanwaltschaft. Die s. g.
freiwillige Gerichtsbarkeit wird bei strengerer Begränzung der
Justizthätigkeit auf das Gebiet des Rechtssprechens mehr und
mehr den Gerichten abgenommen und besonderen Behörden der
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Zitationshilfe: | Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/188>, abgerufen am 17.02.2025. |