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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 41. Die Landstände.
auf eine gewisse Reihe von Jahren, oder für die Dauer
der Landtagsperiode. 8 Zwischen den Wählern und dem

Nothwendigkeit aus der Natur des Dienstverhältnisses, nämlich
aus dem unbestreitbaren Satze, dass sich der Staatsdiener nicht
willkührlich seiner Dienstpflicht entziehen kann. Ob der Zweck
dieser Entziehung ein erlaubter oder nicht erlaubter sei, kann hier
begreiflich keinen Unterschied machen; auch die Berufung auf die
allgemeinen Staatsbürgerrechte vermag keinen Einwand zu be-
gründen, denn diese sind eben durch den Eintritt in das Staats-
dienstverhältniss in mehrfacher Hinsicht modificirt worden. Wenn
aber die Verfassung den Staatsdienern die Annahme einer solchen
Wahl ohne die Nothwendigkeit der Urlaubseinholung frei giebt,
so entsteht die Frage, ob der gewählte Staatsdiener für die Zeit
seiner durch die Theilnahme am Landtage veranlassten Abwesen-
heit von seinem Amte die Stellvertretungskosten zu erstatten habe.
An und für sich sollte die Entscheidung nicht von dem Umstande,
ob Urlaub nothwendig ist oder nicht, abhängen. Die Erlangung
eines Urlaubs und die allgemeine gesetzliche Dispensation von
allem Urlaube bewirken gleichmässig, dass eine Abwesenheit des
Staatsdieners dienstlich erlaubt ist. Damit ist aber noch Nichts
entschieden über die Folgen einer dienstlich erlaubten Abwesen-
heit. Diese sind aus anderen Sätzen zu entnehmen. Besteht z. B.
in der betreffenden Dienstpragmatik der allgemeine Satz, dass
jede willkührliche, obschon erlaubte Abwesenheit die Ersatzpflicht
der Stellvertretungskosten zur Folge habe, so ist kein Grund vor-
handen, diesen Satz nicht auch auf obigen Fall anzuwenden. Nur
dann würde diess nicht zulässig sein, wenn sich aus dem bestehen-
den Rechte etwa ergäbe, dass die von einem Staatsdiener als
Abgeordnetem geleisteten Dienste gewissermassen als Surrogat
seiner gewöhnlichen dienstlichen Arbeiten gelten sollten, obschon
sie keine vom Dienstherrn aufgetragenen und in seinem Namen
geleisteten Dienste wären. Wenn dagegen nach der betreffenden
Dienstpragmatik dem erlaubt abwesenden Staatsdiener niemals
Stellvertretungskosten aufgelegt werden, so versteht sich von
selbst, dass diess auch nicht der Fall sein kann, wenn die Abwesen-
heit durch den Eintritt in die Ständeversammlung veranlasst wird.
(v. Rönne, Preussisches Staatsrecht, §. 116., will Alles aus der
Freiheit vom Urlaube deduciren.)
8 Eine Pflicht, die Wahl anzunehmen, kann gemeinrechtlich
nicht nachgewiesen werden; die Gründe dafür sind ähnlich den
v. Gerber, Staatsrecht. 9

§. 41. Die Landstände.
auf eine gewisse Reihe von Jahren, oder für die Dauer
der Landtagsperiode. 8 Zwischen den Wählern und dem

Nothwendigkeit aus der Natur des Dienstverhältnisses, nämlich
aus dem unbestreitbaren Satze, dass sich der Staatsdiener nicht
willkührlich seiner Dienstpflicht entziehen kann. Ob der Zweck
dieser Entziehung ein erlaubter oder nicht erlaubter sei, kann hier
begreiflich keinen Unterschied machen; auch die Berufung auf die
allgemeinen Staatsbürgerrechte vermag keinen Einwand zu be-
gründen, denn diese sind eben durch den Eintritt in das Staats-
dienstverhältniss in mehrfacher Hinsicht modificirt worden. Wenn
aber die Verfassung den Staatsdienern die Annahme einer solchen
Wahl ohne die Nothwendigkeit der Urlaubseinholung frei giebt,
so entsteht die Frage, ob der gewählte Staatsdiener für die Zeit
seiner durch die Theilnahme am Landtage veranlassten Abwesen-
heit von seinem Amte die Stellvertretungskosten zu erstatten habe.
An und für sich sollte die Entscheidung nicht von dem Umstande,
ob Urlaub nothwendig ist oder nicht, abhängen. Die Erlangung
eines Urlaubs und die allgemeine gesetzliche Dispensation von
allem Urlaube bewirken gleichmässig, dass eine Abwesenheit des
Staatsdieners dienstlich erlaubt ist. Damit ist aber noch Nichts
entschieden über die Folgen einer dienstlich erlaubten Abwesen-
heit. Diese sind aus anderen Sätzen zu entnehmen. Besteht z. B.
in der betreffenden Dienstpragmatik der allgemeine Satz, dass
jede willkührliche, obschon erlaubte Abwesenheit die Ersatzpflicht
der Stellvertretungskosten zur Folge habe, so ist kein Grund vor-
handen, diesen Satz nicht auch auf obigen Fall anzuwenden. Nur
dann würde diess nicht zulässig sein, wenn sich aus dem bestehen-
den Rechte etwa ergäbe, dass die von einem Staatsdiener als
Abgeordnetem geleisteten Dienste gewissermassen als Surrogat
seiner gewöhnlichen dienstlichen Arbeiten gelten sollten, obschon
sie keine vom Dienstherrn aufgetragenen und in seinem Namen
geleisteten Dienste wären. Wenn dagegen nach der betreffenden
Dienstpragmatik dem erlaubt abwesenden Staatsdiener niemals
Stellvertretungskosten aufgelegt werden, so versteht sich von
selbst, dass diess auch nicht der Fall sein kann, wenn die Abwesen-
heit durch den Eintritt in die Ständeversammlung veranlasst wird.
(v. Rönne, Preussisches Staatsrecht, §. 116., will Alles aus der
Freiheit vom Urlaube deduciren.)
8 Eine Pflicht, die Wahl anzunehmen, kann gemeinrechtlich
nicht nachgewiesen werden; die Gründe dafür sind ähnlich den
v. Gerber, Staatsrecht. 9
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[129/0147] §. 41. Die Landstände. auf eine gewisse Reihe von Jahren, oder für die Dauer der Landtagsperiode. 8 Zwischen den Wählern und dem 7 8 Eine Pflicht, die Wahl anzunehmen, kann gemeinrechtlich nicht nachgewiesen werden; die Gründe dafür sind ähnlich den 7 Nothwendigkeit aus der Natur des Dienstverhältnisses, nämlich aus dem unbestreitbaren Satze, dass sich der Staatsdiener nicht willkührlich seiner Dienstpflicht entziehen kann. Ob der Zweck dieser Entziehung ein erlaubter oder nicht erlaubter sei, kann hier begreiflich keinen Unterschied machen; auch die Berufung auf die allgemeinen Staatsbürgerrechte vermag keinen Einwand zu be- gründen, denn diese sind eben durch den Eintritt in das Staats- dienstverhältniss in mehrfacher Hinsicht modificirt worden. Wenn aber die Verfassung den Staatsdienern die Annahme einer solchen Wahl ohne die Nothwendigkeit der Urlaubseinholung frei giebt, so entsteht die Frage, ob der gewählte Staatsdiener für die Zeit seiner durch die Theilnahme am Landtage veranlassten Abwesen- heit von seinem Amte die Stellvertretungskosten zu erstatten habe. An und für sich sollte die Entscheidung nicht von dem Umstande, ob Urlaub nothwendig ist oder nicht, abhängen. Die Erlangung eines Urlaubs und die allgemeine gesetzliche Dispensation von allem Urlaube bewirken gleichmässig, dass eine Abwesenheit des Staatsdieners dienstlich erlaubt ist. Damit ist aber noch Nichts entschieden über die Folgen einer dienstlich erlaubten Abwesen- heit. Diese sind aus anderen Sätzen zu entnehmen. Besteht z. B. in der betreffenden Dienstpragmatik der allgemeine Satz, dass jede willkührliche, obschon erlaubte Abwesenheit die Ersatzpflicht der Stellvertretungskosten zur Folge habe, so ist kein Grund vor- handen, diesen Satz nicht auch auf obigen Fall anzuwenden. Nur dann würde diess nicht zulässig sein, wenn sich aus dem bestehen- den Rechte etwa ergäbe, dass die von einem Staatsdiener als Abgeordnetem geleisteten Dienste gewissermassen als Surrogat seiner gewöhnlichen dienstlichen Arbeiten gelten sollten, obschon sie keine vom Dienstherrn aufgetragenen und in seinem Namen geleisteten Dienste wären. Wenn dagegen nach der betreffenden Dienstpragmatik dem erlaubt abwesenden Staatsdiener niemals Stellvertretungskosten aufgelegt werden, so versteht sich von selbst, dass diess auch nicht der Fall sein kann, wenn die Abwesen- heit durch den Eintritt in die Ständeversammlung veranlasst wird. (v. Rönne, Preussisches Staatsrecht, §. 116., will Alles aus der Freiheit vom Urlaube deduciren.) v. Gerber, Staatsrecht. 9

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/147>, abgerufen am 27.11.2024.