Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Vorrede. Staatsrechts beherrschen, gleich als ob das Recht unsererneuen Verfassungsgesetze die letzte Frucht des alten Reichsterritorialrechts wäre. Sodann aber scheint mir, was freilich mit jenem ersten Punkte aufs Innigste zu- sammenhängt, ein dringendes Bedürfniss die Aufstellung eines wissenschaftlichen Systems zu sein, in welchem sich die einzelnen Gestaltungen als die Entwickelung eines einheitlichen Grundgedankens darstellen. Erst durch Begründung eines solchen Systems, welches das eigenthümliche Wesen unseres modernen Verfassungs- staats zum anschaulichen Gesammtausdrucke brächte und die rechtlichen Verbindungen aller einzelnen Er- scheinungen klar stellte, würde nach meinem Dafür- halten das deutsche Staatsrecht seine wissenschaftliche Selbständigkeit erlangen und die Grundlage sicherer juristischer Deduction gegeben sein. Schon seit Jahren war ich lebhaft von diesem Ge- Vorrede. Staatsrechts beherrschen, gleich als ob das Recht unsererneuen Verfassungsgesetze die letzte Frucht des alten Reichsterritorialrechts wäre. Sodann aber scheint mir, was freilich mit jenem ersten Punkte aufs Innigste zu- sammenhängt, ein dringendes Bedürfniss die Aufstellung eines wissenschaftlichen Systems zu sein, in welchem sich die einzelnen Gestaltungen als die Entwickelung eines einheitlichen Grundgedankens darstellen. Erst durch Begründung eines solchen Systems, welches das eigenthümliche Wesen unseres modernen Verfassungs- staats zum anschaulichen Gesammtausdrucke brächte und die rechtlichen Verbindungen aller einzelnen Er- scheinungen klar stellte, würde nach meinem Dafür- halten das deutsche Staatsrecht seine wissenschaftliche Selbständigkeit erlangen und die Grundlage sicherer juristischer Deduction gegeben sein. Schon seit Jahren war ich lebhaft von diesem Ge- <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="VIII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/> Staatsrechts beherrschen, gleich als ob das Recht unserer<lb/> neuen Verfassungsgesetze die letzte Frucht des alten<lb/> Reichsterritorialrechts wäre. <hi rendition="#g">Sodann</hi> aber scheint mir,<lb/> was freilich mit jenem ersten Punkte aufs Innigste zu-<lb/> sammenhängt, ein dringendes Bedürfniss die Aufstellung<lb/> eines wissenschaftlichen <hi rendition="#g">Systems</hi> zu sein, in welchem<lb/> sich die einzelnen Gestaltungen als die Entwickelung<lb/> eines einheitlichen Grundgedankens darstellen. Erst<lb/> durch Begründung eines solchen Systems, welches das<lb/> eigenthümliche Wesen unseres modernen Verfassungs-<lb/> staats zum anschaulichen Gesammtausdrucke brächte<lb/> und die rechtlichen Verbindungen aller einzelnen Er-<lb/> scheinungen klar stellte, würde nach meinem Dafür-<lb/> halten das deutsche Staatsrecht seine wissenschaftliche<lb/> Selbständigkeit erlangen und die Grundlage sicherer<lb/> juristischer Deduction gegeben sein.</p><lb/> <p>Schon seit Jahren war ich lebhaft von diesem Ge-<lb/> danken ergriffen, und der Plan, meine Vorstellungen<lb/> über ein solches System in einer umfassenden Erörte-<lb/> rung darzulegen, hat mich im letzten Jahrzehnt vielfach<lb/> beschäftigt. Als ich von Neuem an seiner Ausführung ar-<lb/> beitete, trat mir aber die Idee entgegen, dass es nützlich<lb/> und zweckmässig sei, jene Arbeit auch sogleich praktisch<lb/> zu erproben und diese Probe voranzuschicken. So ist<lb/> dieses kleine Buch entstanden, das nicht den Anspruch<lb/> stellt, als eine ausgeführte Darstellung des gesammten<lb/> deutschen Staatsrechts zu gelten, sondern nur als eine<lb/> Revision seiner Grundbegriffe in der knappen Fassung<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [VIII/0014]
Vorrede.
Staatsrechts beherrschen, gleich als ob das Recht unserer
neuen Verfassungsgesetze die letzte Frucht des alten
Reichsterritorialrechts wäre. Sodann aber scheint mir,
was freilich mit jenem ersten Punkte aufs Innigste zu-
sammenhängt, ein dringendes Bedürfniss die Aufstellung
eines wissenschaftlichen Systems zu sein, in welchem
sich die einzelnen Gestaltungen als die Entwickelung
eines einheitlichen Grundgedankens darstellen. Erst
durch Begründung eines solchen Systems, welches das
eigenthümliche Wesen unseres modernen Verfassungs-
staats zum anschaulichen Gesammtausdrucke brächte
und die rechtlichen Verbindungen aller einzelnen Er-
scheinungen klar stellte, würde nach meinem Dafür-
halten das deutsche Staatsrecht seine wissenschaftliche
Selbständigkeit erlangen und die Grundlage sicherer
juristischer Deduction gegeben sein.
Schon seit Jahren war ich lebhaft von diesem Ge-
danken ergriffen, und der Plan, meine Vorstellungen
über ein solches System in einer umfassenden Erörte-
rung darzulegen, hat mich im letzten Jahrzehnt vielfach
beschäftigt. Als ich von Neuem an seiner Ausführung ar-
beitete, trat mir aber die Idee entgegen, dass es nützlich
und zweckmässig sei, jene Arbeit auch sogleich praktisch
zu erproben und diese Probe voranzuschicken. So ist
dieses kleine Buch entstanden, das nicht den Anspruch
stellt, als eine ausgeführte Darstellung des gesammten
deutschen Staatsrechts zu gelten, sondern nur als eine
Revision seiner Grundbegriffe in der knappen Fassung
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