[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen se Sprache gefiel mir. Jch ließ den Aufsehernder Gefangnen Steeleys Befreyung gleich an- zeigen, und die Wache, die ihn begleitet hatte, zurück gehn. Jch wollte ihnen, fuhr ich fort, gern mein Haus zum Auffenthalte anbieten, bis sie mit einer sichern Gelegenheit nach Moskau zurückkehren können; allein meine Umstände scheinen es zu verbieten. Der Jude wird ih- nen schon eine Wohnung ausmachen. Sie dür- fen um nichts bekümmert seyn, so lange ich noch hier bin. Er nahm Abschied, und ich sah in sei- nen Augen, daß er mir weit mehr zu sagen hat- te, als er sagte, und ich kränkte mich, daß der Ju- de zugegen war. Diesem befahl ich, daß er nach der Tafel wieder zu mir kommen sollte. Also war dieser erste Besuch geendiget. Jch trat an das Fenster und wollte ihm nachsehn, und ich fragte mich in den Augenblicke, warum ich die- ses thäte; aber ich that es doch. Jch setzte mich zur Tafel und es reute mich, daß ich ihn nicht bey mir behalten hatte. Der Jude blieb mir schon zu lange, und ich hätte es sicher genug wissen können, daß ich Steeleyn mehr als be- dauerte; allein ich fand es für gut, mich zu hintergehen. Jch stellte mir vor, daß Steeley vielleicht mit einer Caravane handelnder Kaufleute durch Hülfe des Juden in wenig Tagen von hier abgehn könnte, und ich ver- wehr-
Leben der Schwediſchen ſe Sprache gefiel mir. Jch ließ den Aufſehernder Gefangnen Steeleys Befreyung gleich an- zeigen, und die Wache, die ihn begleitet hatte, zuruͤck gehn. Jch wollte ihnen, fuhr ich fort, gern mein Haus zum Auffenthalte anbieten, bis ſie mit einer ſichern Gelegenheit nach Moskau zuruͤckkehren koͤnnen; allein meine Umſtaͤnde ſcheinen es zu verbieten. Der Jude wird ih- nen ſchon eine Wohnung ausmachen. Sie duͤr- fen um nichts bekuͤmmert ſeyn, ſo lange ich noch hier bin. Er nahm Abſchied, und ich ſah in ſei- nen Augen, daß er mir weit mehr zu ſagen hat- te, als er ſagte, und ich kraͤnkte mich, daß der Ju- de zugegen war. Dieſem befahl ich, daß er nach der Tafel wieder zu mir kommen ſollte. Alſo war dieſer erſte Beſuch geendiget. Jch trat an das Fenſter und wollte ihm nachſehn, und ich fragte mich in den Augenblicke, warum ich die- ſes thaͤte; aber ich that es doch. Jch ſetzte mich zur Tafel und es reute mich, daß ich ihn nicht bey mir behalten hatte. Der Jude blieb mir ſchon zu lange, und ich haͤtte es ſicher genug wiſſen koͤnnen, daß ich Steeleyn mehr als be- dauerte; allein ich fand es fuͤr gut, mich zu hintergehen. Jch ſtellte mir vor, daß Steeley vielleicht mit einer Caravane handelnder Kaufleute durch Huͤlfe des Juden in wenig Tagen von hier abgehn koͤnnte, und ich ver- wehr-
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Leben der Schwediſchen
ſe Sprache gefiel mir. Jch ließ den Aufſehern
der Gefangnen Steeleys Befreyung gleich an-
zeigen, und die Wache, die ihn begleitet hatte,
zuruͤck gehn. Jch wollte ihnen, fuhr ich fort,
gern mein Haus zum Auffenthalte anbieten, bis
ſie mit einer ſichern Gelegenheit nach Moskau
zuruͤckkehren koͤnnen; allein meine Umſtaͤnde
ſcheinen es zu verbieten. Der Jude wird ih-
nen ſchon eine Wohnung ausmachen. Sie duͤr-
fen um nichts bekuͤmmert ſeyn, ſo lange ich noch
hier bin. Er nahm Abſchied, und ich ſah in ſei-
nen Augen, daß er mir weit mehr zu ſagen hat-
te, als er ſagte, und ich kraͤnkte mich, daß der Ju-
de zugegen war. Dieſem befahl ich, daß er nach
der Tafel wieder zu mir kommen ſollte. Alſo
war dieſer erſte Beſuch geendiget. Jch trat an
das Fenſter und wollte ihm nachſehn, und ich
fragte mich in den Augenblicke, warum ich die-
ſes thaͤte; aber ich that es doch. Jch ſetzte
mich zur Tafel und es reute mich, daß ich ihn
nicht bey mir behalten hatte. Der Jude blieb
mir ſchon zu lange, und ich haͤtte es ſicher genug
wiſſen koͤnnen, daß ich Steeleyn mehr als be-
dauerte; allein ich fand es fuͤr gut, mich zu
hintergehen. Jch ſtellte mir vor, daß Steeley
vielleicht mit einer Caravane handelnder
Kaufleute durch Huͤlfe des Juden in wenig
Tagen von hier abgehn koͤnnte, und ich ver-
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