Andreas ward zu unserm Glücke durch seine Geschäf[t]e von uns gerufen, und seine Ab- wesenheit ließ uns vertraulicher werden. Stee- ley wollte dem Grafen erzählen, was seit seiner Abreise aus Tobolskoy vorgegangen; allein er stand alle Augenblicke vor gar zu gros- ser Empfindung still, und wir waren zu- frieden, das wir diesesmal das Wichtigste von dem erfuhren, was uns Amalie nachdem um- ständlicher auf folgende Art erzählet hat.
Wenig Tage nach des Herrn Grafen seiner Abreise, fieng sie auf unser Bitten an, starb mein Gemahl an dem zurückgetretenen Podagra. Jch berichtete seinen Tod nach Hofe, und bat zugleich um die Erlaubniß, nach Moskau zurück zu kehren. Die Gewalt, die ich bis zur Ernennung eines neuen Gouverneurs in den Händen hatte, gab mir Gelegenheit ver- schiedne harte Verordnungen aufzuheben, die mein Gemahl in Ansehung der Gefang- nen ergehn lassen. Jhrem zurückgelassenen Freunde, Herr Graf, konnte ich mehr Be- quemlichkeiten verschaffen. Jch befahl dem Juden, ihn mit allem zu versorgen, was er nö- thig hätte, und ließ ihn muthmassen, als ob er ein Anverwandter von mir wäre. Damals
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Leben der Schwediſchen
Andreas ward zu unſerm Gluͤcke durch ſeine Geſchaͤf[t]e von uns gerufen, und ſeine Ab- weſenheit ließ uns vertraulicher werden. Stee- ley wollte dem Grafen erzaͤhlen, was ſeit ſeiner Abreiſe aus Tobolskoy vorgegangen; allein er ſtand alle Augenblicke vor gar zu groſ- ſer Empfindung ſtill, und wir waren zu- frieden, das wir dieſesmal das Wichtigſte von dem erfuhren, was uns Amalie nachdem um- ſtaͤndlicher auf folgende Art erzaͤhlet hat.
Wenig Tage nach des Herrn Grafen ſeiner Abreiſe, fieng ſie auf unſer Bitten an, ſtarb mein Gemahl an dem zuruͤckgetretenen Podagra. Jch berichtete ſeinen Tod nach Hofe, und bat zugleich um die Erlaubniß, nach Moskau zuruͤck zu kehren. Die Gewalt, die ich bis zur Ernennung eines neuen Gouverneurs in den Haͤnden hatte, gab mir Gelegenheit ver- ſchiedne harte Verordnungen aufzuheben, die mein Gemahl in Anſehung der Gefang- nen ergehn laſſen. Jhrem zuruͤckgelaſſenen Freunde, Herr Graf, konnte ich mehr Be- quemlichkeiten verſchaffen. Jch befahl dem Juden, ihn mit allem zu verſorgen, was er noͤ- thig haͤtte, und ließ ihn muthmaſſen, als ob er ein Anverwandter von mir waͤre. Damals
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Leben der Schwediſchen
Andreas ward zu unſerm Gluͤcke durch
ſeine Geſchaͤfte von uns gerufen, und ſeine Ab-
weſenheit ließ uns vertraulicher werden. Stee-
ley wollte dem Grafen erzaͤhlen, was ſeit
ſeiner Abreiſe aus Tobolskoy vorgegangen;
allein er ſtand alle Augenblicke vor gar zu groſ-
ſer Empfindung ſtill, und wir waren zu-
frieden, das wir dieſesmal das Wichtigſte von
dem erfuhren, was uns Amalie nachdem um-
ſtaͤndlicher auf folgende Art erzaͤhlet hat.
Wenig Tage nach des Herrn Grafen
ſeiner Abreiſe, fieng ſie auf unſer Bitten an,
ſtarb mein Gemahl an dem zuruͤckgetretenen
Podagra. Jch berichtete ſeinen Tod nach
Hofe, und bat zugleich um die Erlaubniß, nach
Moskau zuruͤck zu kehren. Die Gewalt, die ich
bis zur Ernennung eines neuen Gouverneurs
in den Haͤnden hatte, gab mir Gelegenheit ver-
ſchiedne harte Verordnungen aufzuheben,
die mein Gemahl in Anſehung der Gefang-
nen ergehn laſſen. Jhrem zuruͤckgelaſſenen
Freunde, Herr Graf, konnte ich mehr Be-
quemlichkeiten verſchaffen. Jch befahl dem
Juden, ihn mit allem zu verſorgen, was er noͤ-
thig haͤtte, und ließ ihn muthmaſſen, als ob
er ein Anverwandter von mir waͤre. Damals
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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/92>, abgerufen am 16.02.2025.
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