[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen tag, und wir hatten bis auf den letzten Augen-blick einander noch, ich weis nicht was, zu sa- gen. Der Jude kam, und sagte, daß die Schlit- ten, die mich nebst den übrigen Befreyten fort- führen sollten, gleich zugegen seyn würden. Wir nahmen Abschied, ohne zu reden, und ich vergaß mich in den Armen meines redlichen Steeleys, bis mich die Aufforderung der Wa- che von ihm losriß. Er stieß mich fort und in dem Augenblicke wollte er mir auch nach- laufen; allein man verschloß die Thüre und mein Jude führte mich bis in den Schlitten und rief mir noch die freundschaftlichsten Wünsche nach. Jch ward nebst drey andern auf einen daß
Leben der Schwediſchen tag, und wir hatten bis auf den letzten Augen-blick einander noch, ich weis nicht was, zu ſa- gen. Der Jude kam, und ſagte, daß die Schlit- ten, die mich nebſt den uͤbrigen Befreyten fort- fuͤhren ſollten, gleich zugegen ſeyn wuͤrden. Wir nahmen Abſchied, ohne zu reden, und ich vergaß mich in den Armen meines redlichen Steeleys, bis mich die Aufforderung der Wa- che von ihm losriß. Er ſtieß mich fort und in dem Augenblicke wollte er mir auch nach- laufen; allein man verſchloß die Thuͤre und mein Jude fuͤhrte mich bis in den Schlitten und rief mir noch die freundſchaftlichſten Wuͤnſche nach. Jch ward nebſt drey andern auf einen daß
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0064" n="64"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwediſchen</hi></fw><lb/> tag, und wir hatten bis auf den letzten Augen-<lb/> blick einander noch, ich weis nicht was, zu ſa-<lb/> gen. Der Jude kam, und ſagte, daß die Schlit-<lb/> ten, die mich nebſt den uͤbrigen Befreyten fort-<lb/> fuͤhren ſollten, gleich zugegen ſeyn wuͤrden.<lb/> Wir nahmen Abſchied, ohne zu reden, und<lb/> ich vergaß mich in den Armen meines redlichen<lb/> Steeleys, bis mich die Aufforderung der Wa-<lb/> che von ihm losriß. Er ſtieß mich fort und<lb/> in dem Augenblicke wollte er mir auch nach-<lb/> laufen; allein man verſchloß die Thuͤre und<lb/> mein Jude fuͤhrte mich bis in den Schlitten<lb/> und rief mir noch die freundſchaftlichſten<lb/> Wuͤnſche nach.</p><lb/> <p>Jch ward nebſt drey andern auf einen<lb/> Schlitten geſetzt, denen Hoffnung und Freude<lb/> aus den Augen leuchteten. Jch kann nicht<lb/> ſagen, was in den erſten Stunden, ja faſt in<lb/> den ganzen erſten beiden Tagen in meiner See-<lb/> le vorgieng. Ein Uebermaß von freudigen<lb/> Wallungen und betruͤbten Regungen uͤber-<lb/> ſtroͤmte mein Herz wechſelsweiſe. Man be-<lb/> gegnete uns an den Orten, wo wir friſche<lb/> Rennthiere bekamen, nicht ſo veraͤchtlich, als<lb/> damals, da wir auf dem Wege nach Siberien<lb/> waren. Meine Geſellſchafter waren drey<lb/> Ruſſen. Sie hatten Geld und verſorgten ſich<lb/> an allen Orten mit ſo vielem Brandtweine,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p> </body> </text> </TEI> [64/0064]
Leben der Schwediſchen
tag, und wir hatten bis auf den letzten Augen-
blick einander noch, ich weis nicht was, zu ſa-
gen. Der Jude kam, und ſagte, daß die Schlit-
ten, die mich nebſt den uͤbrigen Befreyten fort-
fuͤhren ſollten, gleich zugegen ſeyn wuͤrden.
Wir nahmen Abſchied, ohne zu reden, und
ich vergaß mich in den Armen meines redlichen
Steeleys, bis mich die Aufforderung der Wa-
che von ihm losriß. Er ſtieß mich fort und
in dem Augenblicke wollte er mir auch nach-
laufen; allein man verſchloß die Thuͤre und
mein Jude fuͤhrte mich bis in den Schlitten
und rief mir noch die freundſchaftlichſten
Wuͤnſche nach.
Jch ward nebſt drey andern auf einen
Schlitten geſetzt, denen Hoffnung und Freude
aus den Augen leuchteten. Jch kann nicht
ſagen, was in den erſten Stunden, ja faſt in
den ganzen erſten beiden Tagen in meiner See-
le vorgieng. Ein Uebermaß von freudigen
Wallungen und betruͤbten Regungen uͤber-
ſtroͤmte mein Herz wechſelsweiſe. Man be-
gegnete uns an den Orten, wo wir friſche
Rennthiere bekamen, nicht ſo veraͤchtlich, als
damals, da wir auf dem Wege nach Siberien
waren. Meine Geſellſchafter waren drey
Ruſſen. Sie hatten Geld und verſorgten ſich
an allen Orten mit ſo vielem Brandtweine,
daß
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |