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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
den, ehe Sidne starb. Jch konnte ihm nicht
antworten. Jst er todt? ach wenn doch
Gott das wollte! so wäre er glücklicher, als
wir. So ist er nicht mehr in den Händen der
Henker? Jch sagte ihm, daß er todt wäre.
Jch fragte ihn, ob er noch große Schmerzen
empfände, und er fragte mich, ob ich sie noch
sehr fühlte, denn er glaubte, daß ich seine Mar-
ter ebenfalls ausgestanden hätte. Also hat
man euch verschont? fieng er, nach meiner
Erzählung, an. Nun bin ich doppelt zufrie-
den. Sidne ist todt, und ihr habt meine
Qvaal nicht gefühlt. Für beides müssen wir
Gott danken.

Jch konnte ihm die Nachricht von
unsrer Verweisung nach Siberien nicht länger
verschweigen. Jch sagte ihm, was ich von
dem Aufseher gehört hatte. Er schien durch
das erlittene Unglück schon so unempfindlich
geworden zu seyn, daß ihn Siberien nicht mehr
schreckte. Als ich aber davon anfieng, daß
man uns vielleicht noch grausamer begegnen
würde: so rang er die Hände. Nein, nein,
schrie er, lieber den Tod, tausendmal lieber,
als jenes. Wollt ihr noch leben, wenn man euch
so mißhandelt? Wir überliessen uns der Wut
und der Verzweiflung vom neuen. Jndem
trat der Aufseher in unser Gefängniß und kün-

dig-

Graͤfinn von G**
den, ehe Sidne ſtarb. Jch konnte ihm nicht
antworten. Jſt er todt? ach wenn doch
Gott das wollte! ſo waͤre er gluͤcklicher, als
wir. So iſt er nicht mehr in den Haͤnden der
Henker? Jch ſagte ihm, daß er todt waͤre.
Jch fragte ihn, ob er noch große Schmerzen
empfaͤnde, und er fragte mich, ob ich ſie noch
ſehr fuͤhlte, denn er glaubte, daß ich ſeine Mar-
ter ebenfalls ausgeſtanden haͤtte. Alſo hat
man euch verſchont? fieng er, nach meiner
Erzaͤhlung, an. Nun bin ich doppelt zufrie-
den. Sidne iſt todt, und ihr habt meine
Qvaal nicht gefuͤhlt. Fuͤr beides muͤſſen wir
Gott danken.

Jch konnte ihm die Nachricht von
unſrer Verweiſung nach Siberien nicht laͤnger
verſchweigen. Jch ſagte ihm, was ich von
dem Aufſeher gehoͤrt hatte. Er ſchien durch
das erlittene Ungluͤck ſchon ſo unempfindlich
geworden zu ſeyn, daß ihn Siberien nicht mehr
ſchreckte. Als ich aber davon anfieng, daß
man uns vielleicht noch grauſamer begegnen
wuͤrde: ſo rang er die Haͤnde. Nein, nein,
ſchrie er, lieber den Tod, tauſendmal lieber,
als jenes. Wollt ihr noch leben, wenn man euch
ſo mißhandelt? Wir uͤberlieſſen uns der Wut
und der Verzweiflung vom neuen. Jndem
trat der Aufſeher in unſer Gefaͤngniß und kuͤn-

dig-
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[29/0029] Graͤfinn von G** den, ehe Sidne ſtarb. Jch konnte ihm nicht antworten. Jſt er todt? ach wenn doch Gott das wollte! ſo waͤre er gluͤcklicher, als wir. So iſt er nicht mehr in den Haͤnden der Henker? Jch ſagte ihm, daß er todt waͤre. Jch fragte ihn, ob er noch große Schmerzen empfaͤnde, und er fragte mich, ob ich ſie noch ſehr fuͤhlte, denn er glaubte, daß ich ſeine Mar- ter ebenfalls ausgeſtanden haͤtte. Alſo hat man euch verſchont? fieng er, nach meiner Erzaͤhlung, an. Nun bin ich doppelt zufrie- den. Sidne iſt todt, und ihr habt meine Qvaal nicht gefuͤhlt. Fuͤr beides muͤſſen wir Gott danken. Jch konnte ihm die Nachricht von unſrer Verweiſung nach Siberien nicht laͤnger verſchweigen. Jch ſagte ihm, was ich von dem Aufſeher gehoͤrt hatte. Er ſchien durch das erlittene Ungluͤck ſchon ſo unempfindlich geworden zu ſeyn, daß ihn Siberien nicht mehr ſchreckte. Als ich aber davon anfieng, daß man uns vielleicht noch grauſamer begegnen wuͤrde: ſo rang er die Haͤnde. Nein, nein, ſchrie er, lieber den Tod, tauſendmal lieber, als jenes. Wollt ihr noch leben, wenn man euch ſo mißhandelt? Wir uͤberlieſſen uns der Wut und der Verzweiflung vom neuen. Jndem trat der Aufſeher in unſer Gefaͤngniß und kuͤn- dig-

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/29>, abgerufen am 21.11.2024.