Mein Mann war indessen nach Caro- linen gegangen, die wir, seit dem sie aus der Stube gelaufen war, nicht wieder ge- sehn hatten. Wenn ich einen Roman schriebe, so hätte sie Zeit genug gehabt, sich indessen mit einem Dolche, oder mit Gifte, um das Leben zu bringen. Allein die Verzweiflung in den Romanen, und die Verzweiflung im gemeinen Leben, haben nicht allemal einerley Wirkung. Mein Mann hatte sie in dem Garte hau- se auf den Knien angetroffen. Jch will gleich auf den andern Tag kommen. Das Gewaltsame unsers Affects hatte sich ge- legt, und sich an Statt dessen das Bange der Traurigkeit eingestellt. Thränen und Seufzer, welche die Bestürzung gestern zurück gehalten, hatten nun ihre Freyheit, und wir suchten unsern Trost in Klagen und im Mitleiden. Carlson kam vor das
Bette
Erster Theil. G
Gräfinn von G **
ſie den ganzen Tag nicht wieder zu ſich ſelbſt.
Mein Mann war indeſſen nach Caro- linen gegangen, die wir, ſeit dem ſie aus der Stube gelaufen war, nicht wieder ge- ſehn hatten. Wenn ich einen Roman ſchriebe, ſo hätte ſie Zeit genug gehabt, ſich indeſſen mit einem Dolche, oder mit Gifte, um das Leben zu bringen. Allein die Verzweiflung in den Romanen, und die Verzweiflung im gemeinen Leben, haben nicht allemal einerley Wirkung. Mein Mann hatte ſie in dem Garte hau- ſe auf den Knien angetroffen. Jch will gleich auf den andern Tag kommen. Das Gewaltſame unſers Affects hatte ſich ge- legt, und ſich an Statt deſſen das Bange der Traurigkeit eingeſtellt. Thränen und Seufzer, welche die Beſtürzung geſtern zurück gehalten, hatten nun ihre Freyheit, und wir ſuchten unſern Troſt in Klagen und im Mitleiden. Carlſon kam vor das
Bette
Erſter Theil. G
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0097"n="97"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/>ſie den ganzen Tag nicht wieder zu ſich<lb/>ſelbſt.</p><lb/><p>Mein Mann war indeſſen nach Caro-<lb/>
linen gegangen, die wir, ſeit dem ſie aus<lb/>
der Stube gelaufen war, nicht wieder ge-<lb/>ſehn hatten. Wenn ich einen Roman<lb/>ſchriebe, ſo hätte ſie Zeit genug gehabt,<lb/>ſich indeſſen mit einem Dolche, oder mit<lb/>
Gifte, um das Leben zu bringen. Allein<lb/>
die Verzweiflung in den Romanen, und<lb/>
die Verzweiflung im gemeinen Leben,<lb/>
haben nicht allemal einerley Wirkung.<lb/>
Mein Mann hatte ſie in dem Garte hau-<lb/>ſe auf den Knien angetroffen. Jch will<lb/>
gleich auf den andern Tag kommen. Das<lb/>
Gewaltſame unſers Affects hatte ſich ge-<lb/>
legt, und ſich an Statt deſſen das Bange<lb/>
der Traurigkeit eingeſtellt. Thränen und<lb/>
Seufzer, welche die Beſtürzung geſtern<lb/>
zurück gehalten, hatten nun ihre Freyheit,<lb/>
und wir ſuchten unſern Troſt in Klagen<lb/>
und im Mitleiden. Carlſon kam vor das<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Erſter Theil.</hi> G</fw><fwplace="bottom"type="catch">Bette</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[97/0097]
Gräfinn von G **
ſie den ganzen Tag nicht wieder zu ſich
ſelbſt.
Mein Mann war indeſſen nach Caro-
linen gegangen, die wir, ſeit dem ſie aus
der Stube gelaufen war, nicht wieder ge-
ſehn hatten. Wenn ich einen Roman
ſchriebe, ſo hätte ſie Zeit genug gehabt,
ſich indeſſen mit einem Dolche, oder mit
Gifte, um das Leben zu bringen. Allein
die Verzweiflung in den Romanen, und
die Verzweiflung im gemeinen Leben,
haben nicht allemal einerley Wirkung.
Mein Mann hatte ſie in dem Garte hau-
ſe auf den Knien angetroffen. Jch will
gleich auf den andern Tag kommen. Das
Gewaltſame unſers Affects hatte ſich ge-
legt, und ſich an Statt deſſen das Bange
der Traurigkeit eingeſtellt. Thränen und
Seufzer, welche die Beſtürzung geſtern
zurück gehalten, hatten nun ihre Freyheit,
und wir ſuchten unſern Troſt in Klagen
und im Mitleiden. Carlſon kam vor das
Bette
Erſter Theil. G
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/97>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.