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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

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Leben der Schwedischen
Doch man müßte das menschliche Herz
nicht kennen, wenn man glaubte, daß
wir zu unserm Troste keine Ausflüchte ge-
wußt hätten. Eine Nachricht, von der
uns die Gewißheit erschreckt, und das
Gegentheil erfreut, mag noch so wahr-
scheinlich seyn, als sie will, so sind wir
doch sinnreich genug, sie zweifelhaft zu
machen. Sollte ich, sagte Caroline, denn
mein Kind, mein leiblich Kind nicht ken-
nen? Sollte es denn keine Aehnlichkeit
mit mit mir haben? Gleichwohl hatte sie
es verlassen, da es kaum einige Monate
alt gewesen war. Ein junger von Adel,
fieng mein Mann oft unterwegs an, ein jun-
ger von Adel? Wenn hat sich denn Carl-
son dafür ausgegeben? Er ist viel zu be-
scheiden, als daß er sich einen Stand an-
dichten sollte, in dem er nicht erzogen wor-
den ist. Nein, nein, sprach ich, das wol-
le Gott nicht! Hätte er sich auch für ei-
nen Edelmann ausgegeben, warum hät-
te er nicht gesagt, daß er ein Officier

wäre?

Leben der Schwediſchen
Doch man müßte das menſchliche Herz
nicht kennen, wenn man glaubte, daß
wir zu unſerm Troſte keine Ausflüchte ge-
wußt hätten. Eine Nachricht, von der
uns die Gewißheit erſchreckt, und das
Gegentheil erfreut, mag noch ſo wahr-
ſcheinlich ſeyn, als ſie will, ſo ſind wir
doch ſinnreich genug, ſie zweifelhaft zu
machen. Sollte ich, ſagte Caroline, denn
mein Kind, mein leiblich Kind nicht ken-
nen? Sollte es denn keine Aehnlichkeit
mit mit mir haben? Gleichwohl hatte ſie
es verlaſſen, da es kaum einige Monate
alt geweſen war. Ein junger von Adel,
fieng mein Mann oft unterwegs an, ein jun-
ger von Adel? Wenn hat ſich denn Carl-
ſon dafür ausgegeben? Er iſt viel zu be-
ſcheiden, als daß er ſich einen Stand an-
dichten ſollte, in dem er nicht erzogen wor-
den iſt. Nein, nein, ſprach ich, das wol-
le Gott nicht! Hätte er ſich auch für ei-
nen Edelmann ausgegeben, warum hät-
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[92/0092] Leben der Schwediſchen Doch man müßte das menſchliche Herz nicht kennen, wenn man glaubte, daß wir zu unſerm Troſte keine Ausflüchte ge- wußt hätten. Eine Nachricht, von der uns die Gewißheit erſchreckt, und das Gegentheil erfreut, mag noch ſo wahr- ſcheinlich ſeyn, als ſie will, ſo ſind wir doch ſinnreich genug, ſie zweifelhaft zu machen. Sollte ich, ſagte Caroline, denn mein Kind, mein leiblich Kind nicht ken- nen? Sollte es denn keine Aehnlichkeit mit mit mir haben? Gleichwohl hatte ſie es verlaſſen, da es kaum einige Monate alt geweſen war. Ein junger von Adel, fieng mein Mann oft unterwegs an, ein jun- ger von Adel? Wenn hat ſich denn Carl- ſon dafür ausgegeben? Er iſt viel zu be- ſcheiden, als daß er ſich einen Stand an- dichten ſollte, in dem er nicht erzogen wor- den iſt. Nein, nein, ſprach ich, das wol- le Gott nicht! Hätte er ſich auch für ei- nen Edelmann ausgegeben, warum hät- te er nicht geſagt, daß er ein Officier wäre?

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/92>, abgerufen am 22.11.2024.