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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

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Leben der Schwedischen
gute Vernunft haben. Ueberhaupt entste-
hen wohl die meisten Uneinigkeiten, die in
der Ehe vorkommen, aus Kleinigkeiten.
Sie heissen im Anfange nichts; allein sie
nehmen im Fortgange unsere Einbildung
und andere Dinge zu Hülfe, und werden
alsdann wichtige Ursachen zur Gleichgül-
tigkeit, oder zur Eifersucht.

Marianens Ehe hatte nunmehr etwan
drey Vierteljahre gedauert, als ihr Mann
gefährlich krank ward. Er stund zween
Monate große Schmerzen aus, und man
merkte sehr deutlich, daß ihn eine Gemüths-
unruhe eben so stark quälte, als die Krank-
heit. Er bat seine Frau oft um Gottes
willen, daß sie ihn verlassen sollte. Er konn-
te auch Carolinen nicht leiden, vielweniger
Marianens Kind, das sie mit Carlsonen
erzeugt hatte. Jch und mein Mann sollten
ohne Aufhören bey ihm bleiben, und ihm
Trost zusprechen. Er wollte getröstet seyn,
und wir wußten doch nicht, was ihn beun-
ruhigte, vielweniger hatten wir das Herz

ihn

Leben der Schwediſchen
gute Vernunft haben. Ueberhaupt entſte-
hen wohl die meiſten Uneinigkeiten, die in
der Ehe vorkommen, aus Kleinigkeiten.
Sie heiſſen im Anfange nichts; allein ſie
nehmen im Fortgange unſere Einbildung
und andere Dinge zu Hülfe, und werden
alsdann wichtige Urſachen zur Gleichgül-
tigkeit, oder zur Eiferſucht.

Marianens Ehe hatte nunmehr etwan
drey Vierteljahre gedauert, als ihr Mann
gefährlich krank ward. Er ſtund zween
Monate große Schmerzen aus, und man
merkte ſehr deutlich, daß ihn eine Gemüths-
unruhe eben ſo ſtark quälte, als die Krank-
heit. Er bat ſeine Frau oft um Gottes
willen, daß ſie ihn verlaſſen ſollte. Er konn-
te auch Carolinen nicht leiden, vielweniger
Marianens Kind, das ſie mit Carlſonen
erzeugt hatte. Jch und mein Mann ſollten
ohne Aufhören bey ihm bleiben, und ihm
Troſt zuſprechen. Er wollte getröſtet ſeyn,
und wir wußten doch nicht, was ihn beun-
ruhigte, vielweniger hatten wir das Herz

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[118/0118] Leben der Schwediſchen gute Vernunft haben. Ueberhaupt entſte- hen wohl die meiſten Uneinigkeiten, die in der Ehe vorkommen, aus Kleinigkeiten. Sie heiſſen im Anfange nichts; allein ſie nehmen im Fortgange unſere Einbildung und andere Dinge zu Hülfe, und werden alsdann wichtige Urſachen zur Gleichgül- tigkeit, oder zur Eiferſucht. Marianens Ehe hatte nunmehr etwan drey Vierteljahre gedauert, als ihr Mann gefährlich krank ward. Er ſtund zween Monate große Schmerzen aus, und man merkte ſehr deutlich, daß ihn eine Gemüths- unruhe eben ſo ſtark quälte, als die Krank- heit. Er bat ſeine Frau oft um Gottes willen, daß ſie ihn verlaſſen ſollte. Er konn- te auch Carolinen nicht leiden, vielweniger Marianens Kind, das ſie mit Carlſonen erzeugt hatte. Jch und mein Mann ſollten ohne Aufhören bey ihm bleiben, und ihm Troſt zuſprechen. Er wollte getröſtet ſeyn, und wir wußten doch nicht, was ihn beun- ruhigte, vielweniger hatten wir das Herz ihn

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/118>, abgerufen am 22.11.2024.