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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

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Gräfinn von G **
halben Stunde gekommen. Jch bin wie-
der beruhiget. Die Liebe zum Leben
hat sich zum letztenmale geregt. Lebt
wohl, meine Mariane! Grüßt meine
Mutter, und meine beyden großmüthi-
gen Freunde. Mein liebster Freund,
Dormund, den ihr so vielmal bey mir ge-
sehen habt, ist itzt bey mir. Er will
mich nicht eher verlassen, als bis ich todt
bin. Könnt ihr euch entschließen, wieder
zu lieben: so vergeßt nicht, daß euer ster-
bender Mann euch niemanden gegönnet
hat, als ihm. Er wird euch meine Uhr
mit eurem Portrait überbringen. Die
andern Sachen habe ich meinen armen
Soldaten geschenkt. Jch fühle meinen
Tod. Lebt wohl!

So bald sie gesehen hatte, daß es
ein Abschiedsbrief war, und daß sie sich
in der bey dem Titel gefaßten Hoffnung
betrogen, so gieng das Wehklagen erst
recht an. Jch will ihre Trostlosigkeit und et-

liche

Gräfinn von G **
halben Stunde gekommen. Jch bin wie-
der beruhiget. Die Liebe zum Leben
hat ſich zum letztenmale geregt. Lebt
wohl, meine Mariane! Grüßt meine
Mutter, und meine beyden großmüthi-
gen Freunde. Mein liebſter Freund,
Dormund, den ihr ſo vielmal bey mir ge-
ſehen habt, iſt itzt bey mir. Er will
mich nicht eher verlaſſen, als bis ich todt
bin. Könnt ihr euch entſchließen, wieder
zu lieben: ſo vergeßt nicht, daß euer ſter-
bender Mann euch niemanden gegönnet
hat, als ihm. Er wird euch meine Uhr
mit eurem Portrait überbringen. Die
andern Sachen habe ich meinen armen
Soldaten geſchenkt. Jch fühle meinen
Tod. Lebt wohl!

So bald ſie geſehen hatte, daß es
ein Abſchiedsbrief war, und daß ſie ſich
in der bey dem Titel gefaßten Hoffnung
betrogen, ſo gieng das Wehklagen erſt
recht an. Jch will ihre Troſtloſigkeit und et-

liche
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[111/0111] Gräfinn von G ** halben Stunde gekommen. Jch bin wie- der beruhiget. Die Liebe zum Leben hat ſich zum letztenmale geregt. Lebt wohl, meine Mariane! Grüßt meine Mutter, und meine beyden großmüthi- gen Freunde. Mein liebſter Freund, Dormund, den ihr ſo vielmal bey mir ge- ſehen habt, iſt itzt bey mir. Er will mich nicht eher verlaſſen, als bis ich todt bin. Könnt ihr euch entſchließen, wieder zu lieben: ſo vergeßt nicht, daß euer ſter- bender Mann euch niemanden gegönnet hat, als ihm. Er wird euch meine Uhr mit eurem Portrait überbringen. Die andern Sachen habe ich meinen armen Soldaten geſchenkt. Jch fühle meinen Tod. Lebt wohl! So bald ſie geſehen hatte, daß es ein Abſchiedsbrief war, und daß ſie ſich in der bey dem Titel gefaßten Hoffnung betrogen, ſo gieng das Wehklagen erſt recht an. Jch will ihre Troſtloſigkeit und et- liche

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/111>, abgerufen am 22.11.2024.