[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G ** glauben, daß eine Frau, die da wußte,daß ihr Mann ihr Bruder war, noch auf ei- nen solchen Verdacht fallen könnte? Al- lein was ist in der Liebe und in dem Trau- me wohl unmöglich? Wir sahen also lei- der nur mehr, als zu deutlich, wie heftig Mariane ihren Mann noch liebte, und wie sie in ihrem Herzen nichts weniger be- schlossen hatte, als ihn fahren zu lassen. Carlson versicherte sie mit den größten Be- theurungen, daß er sie noch unendlich liebte, und daß er über die Nachricht zum Marsche nur deswegen vergnügt wäre, weil er ihn als eine Gelegenheit ansähe, die der Himmel bestimmt hätte, der Sa- che den Ausschlag zu geben. Vielleicht, sprach er, verliere ich mein Leben, wenn es zu einem Feldzuge kömmt. Und wer ist alsdann glücklicher, als wir? Soll ich den Tod nicht geringer schätzen, als die Qvaal, euch zu sehen, und euch zu lieben? Und wollt ihr nicht lieber mit Gewalt von mir getrennt seyn, als die Pein G 4
Gräfinn von G ** glauben, daß eine Frau, die da wußte,daß ihr Mann ihr Bruder war, noch auf ei- nen ſolchen Verdacht fallen könnte? Al- lein was iſt in der Liebe und in dem Trau- me wohl unmöglich? Wir ſahen alſo lei- der nur mehr, als zu deutlich, wie heftig Mariane ihren Mann noch liebte, und wie ſie in ihrem Herzen nichts weniger be- ſchloſſen hatte, als ihn fahren zu laſſen. Carlſon verſicherte ſie mit den größten Be- theurungen, daß er ſie noch unendlich liebte, und daß er über die Nachricht zum Marſche nur deswegen vergnügt wäre, weil er ihn als eine Gelegenheit anſähe, die der Himmel beſtimmt hätte, der Sa- che den Ausſchlag zu geben. Vielleicht, ſprach er, verliere ich mein Leben, wenn es zu einem Feldzuge kömmt. Und wer iſt alsdann glücklicher, als wir? Soll ich den Tod nicht geringer ſchätzen, als die Qvaal, euch zu ſehen, und euch zu lieben? Und wollt ihr nicht lieber mit Gewalt von mir getrennt ſeyn, als die Pein G 4
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Gräfinn von G **
glauben, daß eine Frau, die da wußte,
daß ihr Mann ihr Bruder war, noch auf ei-
nen ſolchen Verdacht fallen könnte? Al-
lein was iſt in der Liebe und in dem Trau-
me wohl unmöglich? Wir ſahen alſo lei-
der nur mehr, als zu deutlich, wie heftig
Mariane ihren Mann noch liebte, und wie
ſie in ihrem Herzen nichts weniger be-
ſchloſſen hatte, als ihn fahren zu laſſen.
Carlſon verſicherte ſie mit den größten Be-
theurungen, daß er ſie noch unendlich
liebte, und daß er über die Nachricht zum
Marſche nur deswegen vergnügt wäre,
weil er ihn als eine Gelegenheit anſähe,
die der Himmel beſtimmt hätte, der Sa-
che den Ausſchlag zu geben. Vielleicht,
ſprach er, verliere ich mein Leben, wenn
es zu einem Feldzuge kömmt. Und wer
iſt alsdann glücklicher, als wir? Soll
ich den Tod nicht geringer ſchätzen, als
die Qvaal, euch zu ſehen, und euch zu
lieben? Und wollt ihr nicht lieber mit
Gewalt von mir getrennt ſeyn, als die
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