Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703.Von peinlichem Jnquisitions-Proceß. ärgern Rathspflegung/ die Warheit verschwiegen blieben/ ja wannetwa wahrscheinliche Anzeigungen vorhanden/ mag man mit Peini- gung dräuen/ dadurch Beklagter auch endlich zur Warheit angehal- ten/ oder Ungehorsam für halsstarriges Stillschweigen und Verläug- nung zu erachten/ welches er zu erweisen pflichtmäßig/ und so er nicht ohne Zweiffel und zweystimmige Reden das Verbrechen bekennen o- der verneinen will/ noch Tages Vergessenheit vermuthlich/ steht ihm nicht zu glauben; so fern nun Beklagter etwas antwortet/ das unwahr ist/ soll ihn der Richter fein sittsam solcher Lügen überzeugen/ noch Be-Richters Pflicht bey Lügensage. klagten mit Worten oder Lachen/ weniger mit Verwunderung/ Kopff- schütteln/ oder grausamen Gesichte irrig machen/ und seine Gemüths- Neigung zeigen/ dadurch er zur Veränderung verführet werde. C. fin. de Confessis. §. 11. Wann auch Beklagter sich unsinnig anstellet/ soll manBeklagten L. 10. §. 3. ff. de quaest. P. H. O. art. 54. L. 1. §. 24. ff. de SCt. Syllan. §. 12. Endlich ist wohl zu mercken/ daß Beklagten eigentlicheBeklagten ei- ein R r r r 3
Von peinlichem Jnquiſitions-Proceß. aͤrgern Rathspflegung/ die Warheit verſchwiegen blieben/ ja wannetwa wahrſcheinliche Anzeigungen vorhanden/ mag man mit Peini- gung draͤuen/ dadurch Beklagter auch endlich zur Warheit angehal- ten/ oder Ungehorſam fuͤr halsſtarriges Stillſchweigen und Verlaͤug- nung zu erachten/ welches er zu erweiſen pflichtmaͤßig/ und ſo er nicht ohne Zweiffel und zweyſtimmige Reden das Verbrechen bekennen o- der verneinen will/ noch Tages Vergeſſenheit vermuthlich/ ſteht ihm nicht zu glauben; ſo fern nun Beklagter etwas antwortet/ das unwahr iſt/ ſoll ihn der Richter fein ſittſam ſolcher Luͤgen uͤberzeugen/ noch Be-Richters Pflicht bey Luͤgenſage. klagten mit Worten oder Lachen/ weniger mit Verwunderung/ Kopff- ſchuͤtteln/ oder grauſamen Geſichte irrig machen/ und ſeine Gemuͤths- Neigung zeigen/ dadurch er zur Veraͤnderung verfuͤhret werde. C. fin. de Confeſſis. §. 11. Wann auch Beklagter ſich unſinnig anſtellet/ ſoll manBeklagten L. 10. §. 3. ff. de quæſt. P. H. O. art. 54. L. 1. §. 24. ff. de SCt. Syllan. §. 12. Endlich iſt wohl zu mercken/ daß Beklagten eigentlicheBeklagten ei- ein R r r r 3
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Von peinlichem Jnquiſitions-Proceß.
aͤrgern Rathspflegung/ die Warheit verſchwiegen blieben/ ja wann
etwa wahrſcheinliche Anzeigungen vorhanden/ mag man mit Peini-
gung draͤuen/ dadurch Beklagter auch endlich zur Warheit angehal-
ten/ oder Ungehorſam fuͤr halsſtarriges Stillſchweigen und Verlaͤug-
nung zu erachten/ welches er zu erweiſen pflichtmaͤßig/ und ſo er nicht
ohne Zweiffel und zweyſtimmige Reden das Verbrechen bekennen o-
der verneinen will/ noch Tages Vergeſſenheit vermuthlich/ ſteht ihm
nicht zu glauben; ſo fern nun Beklagter etwas antwortet/ das unwahr
iſt/ ſoll ihn der Richter fein ſittſam ſolcher Luͤgen uͤberzeugen/ noch Be-
klagten mit Worten oder Lachen/ weniger mit Verwunderung/ Kopff-
ſchuͤtteln/ oder grauſamen Geſichte irrig machen/ und ſeine Gemuͤths-
Neigung zeigen/ dadurch er zur Veraͤnderung verfuͤhret werde.
Richters
Pflicht bey
Luͤgenſage.
C. fin. de Confeſſis.
§. 11. Wann auch Beklagter ſich unſinnig anſtellet/ ſoll man
deren Aertzte Rath gebrauchen/ ob es in der That ſich alſo verhaͤlt oder
nicht? weilen kluge Leute nicht alles nach unſinniger Leute Art jeder-
zeit verrichten/ darum deren Huͤter auff Wort und Wercke acht zu
geben ſchuldig/ oder man mag ſie peinigen/ ſintemahl Schmertz nicht
leicht Schertz vertraͤgt/ und Gebaͤrden groſſe Anzeigen geben/ ob einer
kuͤhn oder verzagt/ ſchamroth oder bleich und zitternd antwortet; So
mag auch bißweilen das Verhoͤr wiederholet ſeyn/ in ſolchen des Be-
klagten eigenen Thaten/ ob ſich wohl Luͤgen ſpuͤhren laſſen wolten/ da
dann auff Bekaͤntniß/ ohne Marter geſchehen/ der Richter an Ort
und Ende mag hinſchicken/ derer wahren Umſtaͤnde Gewißheit zu er-
fragen/ daraus zu mercken/ daß der Gefragte die Ubelthat begangen/
inſonderheit dero Geſtalt/ daß kein Fremder ſolcher Geſchichte Nach-
richt vermuthlich/ da er unſchuldig/ wiſſen kan/ das zu erforſchen.
Beklagten
Recht/ der ſich
unſinnig an-
ſtellt.
L. 10. §. 3. ff. de quæſt. P. H. O. art. 54. L. 1. §. 24. ff. de SCt. Syllan.
§. 12. Endlich iſt wohl zu mercken/ daß Beklagten eigentliche
Worte zu beſchreiben/ und keiner andern Worte Verſtand einem an-
zudichten/ noch durch unbillige Verdolmetſchung zu verderben oder aͤn-
dern/ vielmehr ſolchen Falls eines einfaͤltigen Bauren Meynung von
ihm ſelbſt deutlicher auszuſagen gerichtlich anhalten/ auff daß dadurch
niemanden Unrecht zugefuͤgt werde/ ſondern wann Jrthum in Ant-
wort oder Schreiben geſchehen/ mag ſolches nach Verleſung gebeſſert
ſeyn; Bey denen/ ſo der Sprache unkuͤndig/ muß ein Richter unermuͤ-
deten Fleiß anwenden im Nachforſchen/ ſo wohl als bey Stummen/
auff daß er durch Dollmetſcher alles vergewiſſert ſey; darum wann
ein
Beklagten ei-
gentl. Wort-
Verſtandes
Recht.
Stumm- und
Tauben Zeug-
niß-Recht.
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