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Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703.

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Von Friedbrecher/ Vergiffter und Todtschläger Straffe.

§. 45. Eine Kindermörderin mag man auch also befragen: WoSonderliche
Frag-Articul
wegen Kinder-
mords.

sie sich bißher auffgehalten? Ob sie kranck gewesen? Wie sie denn so
bleich aussehe? Was sie des Orts verrichtet? Ob sie auch des Nachts
das Vieh gewartet? Wo sie in benant-vergangener Nacht gewesen/
und wann sie auffgestanden? Was das für eine Kuh gewesen/ die in
der Nacht geworffen/ davon sie die Affter Geburt/ ihrer Rede nach/
ausgetragen? Warum sie es bey Nacht gethan/ und nicht/ des Tages
zu erwarten/ anderwärts hingelegt? Ob sie nicht in jenem wüsten Kel-
ler gewesen? Wie sie denn das läugnen könne/ da sie doch bey Mond-
schein gesehen worden? Ob sie nicht folgenden gantzen Tag zu Bette
gelegen? Wovon ihre Schürtze blutig gewesen? Warum sie gelogen/
daß sie nicht kranck oder des Viehes gewartet/ da sie doch nicht aus
dem Bette kommen/ auch dieselbe Nacht die genant schwartz-bundte
Kuh nicht geworffen? Sie solte sich recht bedencken/ ob sie nirgend
anderswo als im Stalle beym Vieh/ und nicht etwa auch beym Was-
ser gewesen? Was sie allda gemacht habe? Ob sie nicht etwas da-
hin getragen? Ob sie auch sonst also die Nachbürde hinweg zu schaf-
fen gepfleget? Ob nicht die Frau vielmehr offt wegen ihrer Faulheit
deßfalls gescholten? Ob sie mit solchen Lügen ihre Sache nicht ver-
riethe/ daß sie schuldig.

§. 46. Nach Heil. Römischen Reichs Abschied ist niemand schul-Trunckenheit
Entschuldi-
gungs Recht.

dig/ einem jeden zugetrunckenen Maasse Bescheid zu thun; so ent-
schuldiget auch Trunckenheit niemand von ordentlichen Todtschlags
Straffe/ weilen ein Trunckener Todtschläger zwiefach sündiget/ als
wegen Trunckenheit und Todtschlag/ jedoch ist Unterscheid zu machen
zwischen mittel- und übermäßiger Trunckenheit/ weilen diese/ nicht
aber jene die Straffe zu mildern pfleget; darum insgemein von Trun-
ckenheit zu wissen: Ob einer aus unvermuthlicher oder steter ange-
wehnten Völlerey gesündiget/ so entschuldiget erster Fall so weit/ daß
die ordentliche Straffe zu lindern/ andern Falls aber soll man sehen/
ob die Missethat durch Reue kan wieder gut gemacht werden oder nicht?
Wofern jenes/ mag man auch lindern/ ist es aber unersetzlich/ so hö-
ret dennoch in gelinden Verbrechen ordentliche Straffe auff; Wie-
wohl dabey zu mercken/ ob es nicht ein halber oder kleiner Rausch/Trunckenheit
mercklicher
Unterscheid.

sondern der Thäter übermäßig voll/ gantz ohne Sinn/ Witz und
Verstand; Jtem/ daß es keine angemaste oder verstellte Trunckenheit
gewesen; wie auch/ daß einer etwa sich nicht zu dem Ende/ solches La-
ster zu begehen/ vollgesoffen/ um sich zu entschuldigen.

Anno
G g g g 3
Von Friedbrecher/ Vergiffter und Todtſchlaͤger Straffe.

§. 45. Eine Kindermoͤrderin mag man auch alſo befragen: WoSonderliche
Frag-Articul
wegen Kinder-
mords.

ſie ſich bißher auffgehalten? Ob ſie kranck geweſen? Wie ſie denn ſo
bleich ausſehe? Was ſie des Orts verrichtet? Ob ſie auch des Nachts
das Vieh gewartet? Wo ſie in benant-vergangener Nacht geweſen/
und wann ſie auffgeſtanden? Was das fuͤr eine Kuh geweſen/ die in
der Nacht geworffen/ davon ſie die Affter Geburt/ ihrer Rede nach/
ausgetragen? Warum ſie es bey Nacht gethan/ und nicht/ des Tages
zu erwarten/ anderwaͤrts hingelegt? Ob ſie nicht in jenem wuͤſten Kel-
ler geweſen? Wie ſie denn das laͤugnen koͤnne/ da ſie doch bey Mond-
ſchein geſehen worden? Ob ſie nicht folgenden gantzen Tag zu Bette
gelegen? Wovon ihre Schuͤrtze blutig geweſen? Warum ſie gelogen/
daß ſie nicht kranck oder des Viehes gewartet/ da ſie doch nicht aus
dem Bette kommen/ auch dieſelbe Nacht die genant ſchwartz-bundte
Kuh nicht geworffen? Sie ſolte ſich recht bedencken/ ob ſie nirgend
anderswo als im Stalle beym Vieh/ und nicht etwa auch beym Waſ-
ſer geweſen? Was ſie allda gemacht habe? Ob ſie nicht etwas da-
hin getragen? Ob ſie auch ſonſt alſo die Nachbuͤrde hinweg zu ſchaf-
fen gepfleget? Ob nicht die Frau vielmehr offt wegen ihrer Faulheit
deßfalls geſcholten? Ob ſie mit ſolchen Luͤgen ihre Sache nicht ver-
riethe/ daß ſie ſchuldig.

§. 46. Nach Heil. Roͤmiſchen Reichs Abſchied iſt niemand ſchul-Trunckenheit
Entſchuldi-
gungs Recht.

dig/ einem jeden zugetrunckenen Maaſſe Beſcheid zu thun; ſo ent-
ſchuldiget auch Trunckenheit niemand von ordentlichen Todtſchlags
Straffe/ weilen ein Trunckener Todtſchlaͤger zwiefach ſuͤndiget/ als
wegen Trunckenheit und Todtſchlag/ jedoch iſt Unterſcheid zu machen
zwiſchen mittel- und uͤbermaͤßiger Trunckenheit/ weilen dieſe/ nicht
aber jene die Straffe zu mildern pfleget; darum insgemein von Trun-
ckenheit zu wiſſen: Ob einer aus unvermuthlicher oder ſteter ange-
wehnten Voͤllerey geſuͤndiget/ ſo entſchuldiget erſter Fall ſo weit/ daß
die ordentliche Straffe zu lindern/ andern Falls aber ſoll man ſehen/
ob die Miſſethat durch Reue kan wieder gut gemacht werden oder nicht?
Wofern jenes/ mag man auch lindern/ iſt es aber unerſetzlich/ ſo hoͤ-
ret dennoch in gelinden Verbrechen ordentliche Straffe auff; Wie-
wohl dabey zu mercken/ ob es nicht ein halber oder kleiner Rauſch/Trunckenheit
mercklicher
Unterſcheid.

ſondern der Thaͤter uͤbermaͤßig voll/ gantz ohne Sinn/ Witz und
Verſtand; Jtem/ daß es keine angemaſte oder verſtellte Trunckenheit
geweſen; wie auch/ daß einer etwa ſich nicht zu dem Ende/ ſolches La-
ſter zu begehen/ vollgeſoffen/ um ſich zu entſchuldigen.

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[605/0612] Von Friedbrecher/ Vergiffter und Todtſchlaͤger Straffe. §. 45. Eine Kindermoͤrderin mag man auch alſo befragen: Wo ſie ſich bißher auffgehalten? Ob ſie kranck geweſen? Wie ſie denn ſo bleich ausſehe? Was ſie des Orts verrichtet? Ob ſie auch des Nachts das Vieh gewartet? Wo ſie in benant-vergangener Nacht geweſen/ und wann ſie auffgeſtanden? Was das fuͤr eine Kuh geweſen/ die in der Nacht geworffen/ davon ſie die Affter Geburt/ ihrer Rede nach/ ausgetragen? Warum ſie es bey Nacht gethan/ und nicht/ des Tages zu erwarten/ anderwaͤrts hingelegt? Ob ſie nicht in jenem wuͤſten Kel- ler geweſen? Wie ſie denn das laͤugnen koͤnne/ da ſie doch bey Mond- ſchein geſehen worden? Ob ſie nicht folgenden gantzen Tag zu Bette gelegen? Wovon ihre Schuͤrtze blutig geweſen? Warum ſie gelogen/ daß ſie nicht kranck oder des Viehes gewartet/ da ſie doch nicht aus dem Bette kommen/ auch dieſelbe Nacht die genant ſchwartz-bundte Kuh nicht geworffen? Sie ſolte ſich recht bedencken/ ob ſie nirgend anderswo als im Stalle beym Vieh/ und nicht etwa auch beym Waſ- ſer geweſen? Was ſie allda gemacht habe? Ob ſie nicht etwas da- hin getragen? Ob ſie auch ſonſt alſo die Nachbuͤrde hinweg zu ſchaf- fen gepfleget? Ob nicht die Frau vielmehr offt wegen ihrer Faulheit deßfalls geſcholten? Ob ſie mit ſolchen Luͤgen ihre Sache nicht ver- riethe/ daß ſie ſchuldig. Sonderliche Frag-Articul wegen Kinder- mords. §. 46. Nach Heil. Roͤmiſchen Reichs Abſchied iſt niemand ſchul- dig/ einem jeden zugetrunckenen Maaſſe Beſcheid zu thun; ſo ent- ſchuldiget auch Trunckenheit niemand von ordentlichen Todtſchlags Straffe/ weilen ein Trunckener Todtſchlaͤger zwiefach ſuͤndiget/ als wegen Trunckenheit und Todtſchlag/ jedoch iſt Unterſcheid zu machen zwiſchen mittel- und uͤbermaͤßiger Trunckenheit/ weilen dieſe/ nicht aber jene die Straffe zu mildern pfleget; darum insgemein von Trun- ckenheit zu wiſſen: Ob einer aus unvermuthlicher oder ſteter ange- wehnten Voͤllerey geſuͤndiget/ ſo entſchuldiget erſter Fall ſo weit/ daß die ordentliche Straffe zu lindern/ andern Falls aber ſoll man ſehen/ ob die Miſſethat durch Reue kan wieder gut gemacht werden oder nicht? Wofern jenes/ mag man auch lindern/ iſt es aber unerſetzlich/ ſo hoͤ- ret dennoch in gelinden Verbrechen ordentliche Straffe auff; Wie- wohl dabey zu mercken/ ob es nicht ein halber oder kleiner Rauſch/ ſondern der Thaͤter uͤbermaͤßig voll/ gantz ohne Sinn/ Witz und Verſtand; Jtem/ daß es keine angemaſte oder verſtellte Trunckenheit geweſen; wie auch/ daß einer etwa ſich nicht zu dem Ende/ ſolches La- ſter zu begehen/ vollgeſoffen/ um ſich zu entſchuldigen. Trunckenheit Entſchuldi- gungs Recht. Trunckenheit mercklicher Unterſcheid. Anno G g g g 3

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Zitationshilfe: Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703/612>, abgerufen am 16.07.2024.