Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Von Erbrecht ohne Kinder gestorbener Eheleuten.
vom andern in Ansehung ihres eheleib- und unaufflößlichen Bandes/
und dahero entstandenen Gemeinschafft in Mühe und Arbeit/ Lieb
und Leyd/ auff den Todesfall etwas zu gewarten und zu erben habe/
gleichwohl aber deßfalls in unsern Fürstenthumen/ Landen und Gebie-
then biß anhero ungleiche und eines Theils fast beschwerliche Ge-
wohnheiten und Mißbräuche eingerissen/ als nemlich/ daß an etlichen
Orten ein Ehegemahl das andere durchaus in allen Gütern ohneAlten Hessen
Rechts Ge-
wohnheit Miß-
brauch.
einigen Unterscheid und Rückfall geerbet/ und alle des erst Verstorbe-
nen nechste Bluts Freunde als Geschwistere/ Eltern und andere/ al-
lerdings davon ausgeschlossen; an etlichen Orten aber allein die alten
stamm- und hinterfällige Güter auff des erst abgestorbenen Ehege-
mahls nechste Freunde/ jedoch nicht ehe/ als nach letztlebenden Egehe-
mahls Absterben/ und also nach Endung seiner daran gehabten Leib-
zucht zurück gefallen.

§. 2. Jn welchem vorgemeldten Fall sich gleichwohl auch über
dem/ welche Güter vor alte stamm- und hinterfällige Güter eigentlich
zu halten/ allerhand Zanck und Haders zugetragen/ damit nun hinfüroOhne Kinder
verstorbener
Ehegatte was
auff den noch
Lebenden ver-
erbt.
in unsern Fürstenthumen/ Landen und Gebieten hierinn ein durchaus-
gehend gleichmäßig Recht gehalten/ und alle beschwerliche Mißbräu-
che/ Hadder und Gezänck nach aller Möglichkeit abgeschnitten wer-
den; So setzen/ ordnen und wollen wir/ daß/ wofern unter zweyen
Eheleuten eines nach gehaltenem Kirchgang und bezogener Ehe ohne
hinterlassene Kinder verstirbet/ und seines überbleibenden Ehegemahls
halben zuvor weder durch Eheberedung/ Testament noch dergleichen
rechtmäßiges Geschäffte/ Pact oder Geding nichts verordnet hat/ was
dasselbe Letztlebende von seinen des erst Abgestorbenen Gütern zum
Eigenthum oder Leibzucht zu gewarten/ so sollen alle und jede des erst
verstorbenen Ehegemahls Stamm- und andere liegende Güter/ und
die dafür laut dieser Ordnung geachtet/ so dasselbe vor der Vereheli-
chung gehabt/ oder ihm in währender Ehe durch Erbschafft oder sonst
angefallen seyn/ gantz- und die in stehender Ehe mit beyderseits Mü-
he/ Arbeit und fleißiger Haußhaltung eroberte liegende Güter/ und so
dafür geachtet/ alsbald zur Helffte seinen nechsten gesipten Bluts-
Freunden nach Vortheil und Naheit des Grads erb- und eigenthüm-
lich anheim fallen/ jedoch/ daß dem letztlebenden Ehegemahl der Usus-
fructus und nießlicher Brauch an allen diesen Gütern sein Leben lang
verbleibe/ dagegen es auch hinwiederum-solche Güter in wesentlichem
Bau und Besserung ohn alle Verwüstung Beschwer- und Veräusse-

rung
N n n 3

Von Erbrecht ohne Kinder geſtorbener Eheleuten.
vom andern in Anſehung ihres eheleib- und unauffloͤßlichen Bandes/
und dahero entſtandenen Gemeinſchafft in Muͤhe und Arbeit/ Lieb
und Leyd/ auff den Todesfall etwas zu gewarten und zu erben habe/
gleichwohl aber deßfalls in unſern Fuͤrſtenthumen/ Landen und Gebie-
then biß anhero ungleiche und eines Theils faſt beſchwerliche Ge-
wohnheiten und Mißbraͤuche eingeriſſen/ als nemlich/ daß an etlichen
Orten ein Ehegemahl das andere durchaus in allen Guͤtern ohneAlten Heſſen
Rechts Ge-
wohnheit Miß-
brauch.
einigen Unterſcheid und Ruͤckfall geerbet/ und alle des erſt Verſtorbe-
nen nechſte Bluts Freunde als Geſchwiſtere/ Eltern und andere/ al-
lerdings davon ausgeſchloſſen; an etlichen Orten aber allein die alten
ſtamm- und hinterfaͤllige Guͤter auff des erſt abgeſtorbenen Ehege-
mahls nechſte Freunde/ jedoch nicht ehe/ als nach letztlebenden Egehe-
mahls Abſterben/ und alſo nach Endung ſeiner daran gehabten Leib-
zucht zuruͤck gefallen.

§. 2. Jn welchem vorgemeldten Fall ſich gleichwohl auch uͤber
dem/ welche Guͤter vor alte ſtamm- und hinterfaͤllige Guͤter eigentlich
zu halten/ allerhand Zanck und Haders zugetragen/ damit nun hinfuͤroOhne Kinder
verſtorbener
Ehegatte was
auff den noch
Lebenden ver-
erbt.
in unſern Fuͤrſtenthumen/ Landen und Gebieten hierinn ein durchaus-
gehend gleichmaͤßig Recht gehalten/ und alle beſchwerliche Mißbraͤu-
che/ Hadder und Gezaͤnck nach aller Moͤglichkeit abgeſchnitten wer-
den; So ſetzen/ ordnen und wollen wir/ daß/ wofern unter zweyen
Eheleuten eines nach gehaltenem Kirchgang und bezogener Ehe ohne
hinterlaſſene Kinder verſtirbet/ und ſeines uͤberbleibenden Ehegemahls
halben zuvor weder durch Eheberedung/ Teſtament noch dergleichen
rechtmaͤßiges Geſchaͤffte/ Pact oder Geding nichts verordnet hat/ was
daſſelbe Letztlebende von ſeinen des erſt Abgeſtorbenen Guͤtern zum
Eigenthum oder Leibzucht zu gewarten/ ſo ſollen alle und jede des erſt
verſtorbenen Ehegemahls Stamm- und andere liegende Guͤter/ und
die dafuͤr laut dieſer Ordnung geachtet/ ſo daſſelbe vor der Vereheli-
chung gehabt/ oder ihm in waͤhrender Ehe durch Erbſchafft oder ſonſt
angefallen ſeyn/ gantz- und die in ſtehender Ehe mit beyderſeits Muͤ-
he/ Arbeit und fleißiger Haußhaltung eroberte liegende Guͤter/ und ſo
dafuͤr geachtet/ alsbald zur Helffte ſeinen nechſten geſipten Bluts-
Freunden nach Vortheil und Naheit des Grads erb- und eigenthuͤm-
lich anheim fallen/ jedoch/ daß dem letztlebenden Ehegemahl der Uſus-
fructus und nießlicher Brauch an allen dieſen Guͤtern ſein Leben lang
verbleibe/ dagegen es auch hinwiederum-ſolche Guͤter in weſentlichem
Bau und Beſſerung ohn alle Verwuͤſtung Beſchwer- und Veraͤuſſe-

rung
N n n 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0476" n="469"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von Erbrecht ohne Kinder ge&#x017F;torbener Eheleuten.</hi></fw><lb/>
vom andern in An&#x017F;ehung ihres eheleib- und unaufflo&#x0364;ßlichen Bandes/<lb/>
und dahero ent&#x017F;tandenen Gemein&#x017F;chafft in Mu&#x0364;he und Arbeit/ Lieb<lb/>
und Leyd/ auff den Todesfall etwas zu gewarten und zu erben habe/<lb/>
gleichwohl aber deßfalls in un&#x017F;ern Fu&#x0364;r&#x017F;tenthumen/ Landen und Gebie-<lb/>
then biß anhero ungleiche und eines Theils fa&#x017F;t be&#x017F;chwerliche Ge-<lb/>
wohnheiten und Mißbra&#x0364;uche eingeri&#x017F;&#x017F;en/ als nemlich/ daß an etlichen<lb/>
Orten ein Ehegemahl das andere durchaus in allen Gu&#x0364;tern ohne<note place="right">Alten He&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Rechts Ge-<lb/>
wohnheit Miß-<lb/>
brauch.</note><lb/>
einigen Unter&#x017F;cheid und Ru&#x0364;ckfall geerbet/ und alle des er&#x017F;t Ver&#x017F;torbe-<lb/>
nen nech&#x017F;te Bluts Freunde als Ge&#x017F;chwi&#x017F;tere/ Eltern und andere/ al-<lb/>
lerdings davon ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en; an etlichen Orten aber allein die alten<lb/>
&#x017F;tamm- und hinterfa&#x0364;llige Gu&#x0364;ter auff des er&#x017F;t abge&#x017F;torbenen Ehege-<lb/>
mahls nech&#x017F;te Freunde/ jedoch nicht ehe/ als nach letztlebenden Egehe-<lb/>
mahls Ab&#x017F;terben/ und al&#x017F;o nach Endung &#x017F;einer daran gehabten Leib-<lb/>
zucht zuru&#x0364;ck gefallen.</p><lb/>
          <p>§. 2. Jn welchem vorgemeldten Fall &#x017F;ich gleichwohl auch u&#x0364;ber<lb/>
dem/ welche Gu&#x0364;ter vor alte &#x017F;tamm- und hinterfa&#x0364;llige Gu&#x0364;ter eigentlich<lb/>
zu halten/ allerhand Zanck und Haders zugetragen/ damit nun hinfu&#x0364;ro<note place="right">Ohne Kinder<lb/>
ver&#x017F;torbener<lb/>
Ehegatte was<lb/>
auff den noch<lb/>
Lebenden ver-<lb/>
erbt.</note><lb/>
in un&#x017F;ern Fu&#x0364;r&#x017F;tenthumen/ Landen und Gebieten hierinn ein durchaus-<lb/>
gehend gleichma&#x0364;ßig Recht gehalten/ und alle be&#x017F;chwerliche Mißbra&#x0364;u-<lb/>
che/ Hadder und Geza&#x0364;nck nach aller Mo&#x0364;glichkeit abge&#x017F;chnitten wer-<lb/>
den; So &#x017F;etzen/ ordnen und wollen wir/ daß/ wofern unter zweyen<lb/>
Eheleuten eines nach gehaltenem Kirchgang und bezogener Ehe ohne<lb/>
hinterla&#x017F;&#x017F;ene Kinder ver&#x017F;tirbet/ und &#x017F;eines u&#x0364;berbleibenden Ehegemahls<lb/>
halben zuvor weder durch Eheberedung/ Te&#x017F;tament noch dergleichen<lb/>
rechtma&#x0364;ßiges Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte/ <hi rendition="#aq">Pact</hi> oder Geding nichts verordnet hat/ was<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe Letztlebende von &#x017F;einen des er&#x017F;t Abge&#x017F;torbenen Gu&#x0364;tern zum<lb/>
Eigenthum oder Leibzucht zu gewarten/ &#x017F;o &#x017F;ollen alle und jede des er&#x017F;t<lb/>
ver&#x017F;torbenen Ehegemahls Stamm- und andere liegende Gu&#x0364;ter/ und<lb/>
die dafu&#x0364;r laut die&#x017F;er Ordnung geachtet/ &#x017F;o da&#x017F;&#x017F;elbe vor der Vereheli-<lb/>
chung gehabt/ oder ihm in wa&#x0364;hrender Ehe durch Erb&#x017F;chafft oder &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
angefallen &#x017F;eyn/ gantz- und die in &#x017F;tehender Ehe mit beyder&#x017F;eits Mu&#x0364;-<lb/>
he/ Arbeit und fleißiger Haußhaltung eroberte liegende Gu&#x0364;ter/ und &#x017F;o<lb/>
dafu&#x0364;r geachtet/ alsbald zur Helffte &#x017F;einen nech&#x017F;ten ge&#x017F;ipten Bluts-<lb/>
Freunden nach Vortheil und Naheit des Grads erb- und eigenthu&#x0364;m-<lb/>
lich anheim fallen/ jedoch/ daß dem letztlebenden Ehegemahl der <hi rendition="#aq">U&#x017F;us-<lb/>
fructus</hi> und nießlicher Brauch an allen die&#x017F;en Gu&#x0364;tern &#x017F;ein Leben lang<lb/>
verbleibe/ dagegen es auch hinwiederum-&#x017F;olche Gu&#x0364;ter in we&#x017F;entlichem<lb/>
Bau und Be&#x017F;&#x017F;erung ohn alle Verwu&#x0364;&#x017F;tung Be&#x017F;chwer- und Vera&#x0364;u&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N n n 3</fw><fw place="bottom" type="catch">rung</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0476] Von Erbrecht ohne Kinder geſtorbener Eheleuten. vom andern in Anſehung ihres eheleib- und unauffloͤßlichen Bandes/ und dahero entſtandenen Gemeinſchafft in Muͤhe und Arbeit/ Lieb und Leyd/ auff den Todesfall etwas zu gewarten und zu erben habe/ gleichwohl aber deßfalls in unſern Fuͤrſtenthumen/ Landen und Gebie- then biß anhero ungleiche und eines Theils faſt beſchwerliche Ge- wohnheiten und Mißbraͤuche eingeriſſen/ als nemlich/ daß an etlichen Orten ein Ehegemahl das andere durchaus in allen Guͤtern ohne einigen Unterſcheid und Ruͤckfall geerbet/ und alle des erſt Verſtorbe- nen nechſte Bluts Freunde als Geſchwiſtere/ Eltern und andere/ al- lerdings davon ausgeſchloſſen; an etlichen Orten aber allein die alten ſtamm- und hinterfaͤllige Guͤter auff des erſt abgeſtorbenen Ehege- mahls nechſte Freunde/ jedoch nicht ehe/ als nach letztlebenden Egehe- mahls Abſterben/ und alſo nach Endung ſeiner daran gehabten Leib- zucht zuruͤck gefallen. Alten Heſſen Rechts Ge- wohnheit Miß- brauch. §. 2. Jn welchem vorgemeldten Fall ſich gleichwohl auch uͤber dem/ welche Guͤter vor alte ſtamm- und hinterfaͤllige Guͤter eigentlich zu halten/ allerhand Zanck und Haders zugetragen/ damit nun hinfuͤro in unſern Fuͤrſtenthumen/ Landen und Gebieten hierinn ein durchaus- gehend gleichmaͤßig Recht gehalten/ und alle beſchwerliche Mißbraͤu- che/ Hadder und Gezaͤnck nach aller Moͤglichkeit abgeſchnitten wer- den; So ſetzen/ ordnen und wollen wir/ daß/ wofern unter zweyen Eheleuten eines nach gehaltenem Kirchgang und bezogener Ehe ohne hinterlaſſene Kinder verſtirbet/ und ſeines uͤberbleibenden Ehegemahls halben zuvor weder durch Eheberedung/ Teſtament noch dergleichen rechtmaͤßiges Geſchaͤffte/ Pact oder Geding nichts verordnet hat/ was daſſelbe Letztlebende von ſeinen des erſt Abgeſtorbenen Guͤtern zum Eigenthum oder Leibzucht zu gewarten/ ſo ſollen alle und jede des erſt verſtorbenen Ehegemahls Stamm- und andere liegende Guͤter/ und die dafuͤr laut dieſer Ordnung geachtet/ ſo daſſelbe vor der Vereheli- chung gehabt/ oder ihm in waͤhrender Ehe durch Erbſchafft oder ſonſt angefallen ſeyn/ gantz- und die in ſtehender Ehe mit beyderſeits Muͤ- he/ Arbeit und fleißiger Haußhaltung eroberte liegende Guͤter/ und ſo dafuͤr geachtet/ alsbald zur Helffte ſeinen nechſten geſipten Bluts- Freunden nach Vortheil und Naheit des Grads erb- und eigenthuͤm- lich anheim fallen/ jedoch/ daß dem letztlebenden Ehegemahl der Uſus- fructus und nießlicher Brauch an allen dieſen Guͤtern ſein Leben lang verbleibe/ dagegen es auch hinwiederum-ſolche Guͤter in weſentlichem Bau und Beſſerung ohn alle Verwuͤſtung Beſchwer- und Veraͤuſſe- rung Ohne Kinder verſtorbener Ehegatte was auff den noch Lebenden ver- erbt. N n n 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703/476
Zitationshilfe: Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703/476>, abgerufen am 16.02.2025.