Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Die Ausdünstung des Wassers geschieht durch Verbindung des Feuers (Wärmestoffs) mit dem Wasser, und nicht durch Auflösung des Wassers in der Luft. Mehrere Gründe für diese Meinung, welche Hr. de Luc in seinen Untersuchungen über die Atmosphäre vorgetragen hatte, findet man bereits bey dem Worte: Dünste (Th. I. S. 621 u. f.) angegeben, daher ich dieselben hier nicht wiederholen will. Der entscheidendste Grund unter allen ist dieser, daß jede tropfbare Flüßigkeit, wenn sie verdünstet, Kälte hervorbringt, s. Kälte, künstliche (Th. II. S. 710.) -- ein offenbarer Beweis, daß derjenige Antheil der Flüßigkeit, der jetzt verschwindet, durch eine Quantität Wärmestoff fortgesührt wird, und daß die tropfbare Flüßigkeit selbst diesen Wärmestoff hergiebt. Die Luft ist vielmehr durch ihren Druck der Verdünstung hinderlich; denn das Wasser dünstet im luftleeren Raume weit stärker, als an der Luft selbst. Es ist sogar nicht zu bezweifeln, daß sich auch im völlig luftleeren Raume Dunst erzeugen und erhalten könne, so lange nur die äußere Temperatur dazu hinreichend ist, d. h. so lange der im Wasserdunste enthaltene Wärmestoff nicht gezwungen ist, zu Herstellung des Gleichgewichts in die äußern kältern Körper überzugehen, und so einen Theil des Wassers fahren zu lassen. Wenn sich nun Ausdünstung zeigt, wo keine Luft vorhanden ist, so hat man überhaupt nicht nöthig, zu Erklärung des Ausdünstens die Dazwischenkunft der Luft anzunehmen. Es fällt dadurch der angenommene Unterschied zwischen wirklicher Verdampfung (vaporisation) und Ausdünstung (evaporation) gänzlich hinweg, und jede Ausdünstung ist eine wahre Verdampsung, von andern weiter nicht, als dem Grade nach, unterschieden.
Die Ausduͤnſtung des Waſſers geſchieht durch Verbindung des Feuers (Waͤrmeſtoffs) mit dem Waſſer, und nicht durch Aufloͤſung des Waſſers in der Luft. Mehrere Gruͤnde fuͤr dieſe Meinung, welche Hr. de Luc in ſeinen Unterſuchungen uͤber die Atmoſphaͤre vorgetragen hatte, findet man bereits bey dem Worte: Duͤnſte (Th. I. S. 621 u. f.) angegeben, daher ich dieſelben hier nicht wiederholen will. Der entſcheidendſte Grund unter allen iſt dieſer, daß jede tropfbare Fluͤßigkeit, wenn ſie verduͤnſtet, Kaͤlte hervorbringt, ſ. Kaͤlte, kuͤnſtliche (Th. II. S. 710.) — ein offenbarer Beweis, daß derjenige Antheil der Fluͤßigkeit, der jetzt verſchwindet, durch eine Quantitaͤt Waͤrmeſtoff fortgeſuͤhrt wird, und daß die tropfbare Fluͤßigkeit ſelbſt dieſen Waͤrmeſtoff hergiebt. Die Luft iſt vielmehr durch ihren Druck der Verduͤnſtung hinderlich; denn das Waſſer duͤnſtet im luftleeren Raume weit ſtaͤrker, als an der Luft ſelbſt. Es iſt ſogar nicht zu bezweifeln, daß ſich auch im voͤllig luftleeren Raume Dunſt erzeugen und erhalten koͤnne, ſo lange nur die aͤußere Temperatur dazu hinreichend iſt, d. h. ſo lange der im Waſſerdunſte enthaltene Waͤrmeſtoff nicht gezwungen iſt, zu Herſtellung des Gleichgewichts in die aͤußern kaͤltern Koͤrper uͤberzugehen, und ſo einen Theil des Waſſers fahren zu laſſen. Wenn ſich nun Ausduͤnſtung zeigt, wo keine Luft vorhanden iſt, ſo hat man uͤberhaupt nicht noͤthig, zu Erklaͤrung des Ausduͤnſtens die Dazwiſchenkunft der Luft anzunehmen. Es faͤllt dadurch der angenommene Unterſchied zwiſchen wirklicher Verdampfung (vaporiſation) und Ausduͤnſtung (evaporation) gaͤnzlich hinweg, und jede Ausduͤnſtung iſt eine wahre Verdampſung, von andern weiter nicht, als dem Grade nach, unterſchieden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0097" xml:id="P.5.85" n="85"/><lb/> es iſt noͤthig, dieſe Meinungen hier im Zuſammenhange vorzuſtellen. <hi rendition="#c">Identitaͤt der Verduͤnſtung und Verdampfung, nach de Luͤc.</hi></p> </div> <div n="2"> <head>Die Ausduͤnſtung des Waſſers geſchieht durch Verbindung des Feuers</head><lb/> <p>(Waͤrmeſtoffs) <hi rendition="#b">mit dem Waſſer, und nicht durch Aufloͤſung des Waſſers in der Luft.</hi> Mehrere Gruͤnde fuͤr dieſe Meinung, welche Hr. <hi rendition="#b">de Luc</hi> in ſeinen Unterſuchungen uͤber die Atmoſphaͤre vorgetragen hatte, findet man bereits bey dem Worte: <hi rendition="#b">Duͤnſte</hi> (Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 621 u. f.) angegeben, daher ich dieſelben hier nicht wiederholen will.</p> <p>Der entſcheidendſte Grund unter allen iſt dieſer, daß jede tropfbare Fluͤßigkeit, wenn ſie verduͤnſtet, <hi rendition="#b">Kaͤlte</hi> hervorbringt, ſ. <hi rendition="#b">Kaͤlte, kuͤnſtliche</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 710.) — ein offenbarer Beweis, daß derjenige Antheil der Fluͤßigkeit, der jetzt verſchwindet, durch eine Quantitaͤt Waͤrmeſtoff fortgeſuͤhrt wird, und daß die tropfbare Fluͤßigkeit ſelbſt dieſen Waͤrmeſtoff hergiebt.</p> <p>Die Luft iſt vielmehr durch ihren Druck der Verduͤnſtung hinderlich; denn das Waſſer duͤnſtet im luftleeren Raume weit ſtaͤrker, als an der Luft ſelbſt. Es iſt ſogar nicht zu bezweifeln, daß ſich auch im voͤllig luftleeren Raume Dunſt erzeugen und erhalten koͤnne, ſo lange nur die aͤußere Temperatur dazu hinreichend iſt, d. h. ſo lange der im Waſſerdunſte enthaltene Waͤrmeſtoff nicht gezwungen iſt, zu Herſtellung des Gleichgewichts in die aͤußern kaͤltern Koͤrper uͤberzugehen, und ſo einen Theil des Waſſers fahren zu laſſen. Wenn ſich nun Ausduͤnſtung zeigt, wo keine Luft vorhanden iſt, ſo hat man uͤberhaupt nicht noͤthig, zu Erklaͤrung des Ausduͤnſtens die Dazwiſchenkunft der Luft anzunehmen. Es faͤllt dadurch der angenommene Unterſchied zwiſchen wirklicher <hi rendition="#b">Verdampfung</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">vaporiſation</hi></hi>) und <hi rendition="#b">Ausduͤnſtung</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">evaporation</hi></hi>) gaͤnzlich hinweg, und jede Ausduͤnſtung iſt eine wahre Verdampſung, von andern weiter nicht, als dem Grade nach, unterſchieden.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0097]
es iſt noͤthig, dieſe Meinungen hier im Zuſammenhange vorzuſtellen. Identitaͤt der Verduͤnſtung und Verdampfung, nach de Luͤc.
Die Ausduͤnſtung des Waſſers geſchieht durch Verbindung des Feuers
(Waͤrmeſtoffs) mit dem Waſſer, und nicht durch Aufloͤſung des Waſſers in der Luft. Mehrere Gruͤnde fuͤr dieſe Meinung, welche Hr. de Luc in ſeinen Unterſuchungen uͤber die Atmoſphaͤre vorgetragen hatte, findet man bereits bey dem Worte: Duͤnſte (Th. I. S. 621 u. f.) angegeben, daher ich dieſelben hier nicht wiederholen will.
Der entſcheidendſte Grund unter allen iſt dieſer, daß jede tropfbare Fluͤßigkeit, wenn ſie verduͤnſtet, Kaͤlte hervorbringt, ſ. Kaͤlte, kuͤnſtliche (Th. II. S. 710.) — ein offenbarer Beweis, daß derjenige Antheil der Fluͤßigkeit, der jetzt verſchwindet, durch eine Quantitaͤt Waͤrmeſtoff fortgeſuͤhrt wird, und daß die tropfbare Fluͤßigkeit ſelbſt dieſen Waͤrmeſtoff hergiebt.
Die Luft iſt vielmehr durch ihren Druck der Verduͤnſtung hinderlich; denn das Waſſer duͤnſtet im luftleeren Raume weit ſtaͤrker, als an der Luft ſelbſt. Es iſt ſogar nicht zu bezweifeln, daß ſich auch im voͤllig luftleeren Raume Dunſt erzeugen und erhalten koͤnne, ſo lange nur die aͤußere Temperatur dazu hinreichend iſt, d. h. ſo lange der im Waſſerdunſte enthaltene Waͤrmeſtoff nicht gezwungen iſt, zu Herſtellung des Gleichgewichts in die aͤußern kaͤltern Koͤrper uͤberzugehen, und ſo einen Theil des Waſſers fahren zu laſſen. Wenn ſich nun Ausduͤnſtung zeigt, wo keine Luft vorhanden iſt, ſo hat man uͤberhaupt nicht noͤthig, zu Erklaͤrung des Ausduͤnſtens die Dazwiſchenkunft der Luft anzunehmen. Es faͤllt dadurch der angenommene Unterſchied zwiſchen wirklicher Verdampfung (vaporiſation) und Ausduͤnſtung (evaporation) gaͤnzlich hinweg, und jede Ausduͤnſtung iſt eine wahre Verdampſung, von andern weiter nicht, als dem Grade nach, unterſchieden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |