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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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Eher könnte etwas Wahres in des Satzes ersterm Theile liegen. In der That wird man, sobald man unter den vorausgesetzten Umständen die Kerze auslöscht, eine plötzliche Veränderung in den Eindrücken wahrnehmen, welche die Farben der Körper auf den Sinn des Gesichts machen. Nichts ist bekannter, als daß die Beleuchtung durch Taglicht ein ganz anderes Colorit, als die Beleuchtung durch eine Kerze, oder durch Taglicht und Kerze zusammen, hervorbringt. Auch ist nicht zu läugnen, daß die beschattete Stelle des Papiers, die bey brennender Kerze blau aussahe, im Augenblicke des Auslöschens weiß wird, obgleich in den Stralen, die von ihr ins Auge kommen, durch das Auslöschen der Kerze nichts geändert wird. Die natürlichste Erklärung hievon ist wohl die, welche Monge's Satz giebt. Man weiß schon aus der Erfahrung, daß das Papier, welches man vor sich sieht, weiß sey, daß man also die Empfindung, die es erregt, als Empfindung von Weiß zu beurtheilen habe. Die im Wörterbuche gegebne Erklärung der blauen Schatten kan dabey ungehindert bestehen.

Herr Monge führt noch folgende, von Meusnier ihm mitgetheilte, Beobachtung an. Wenn das Innere eines Zimmers nur durch Sonnenlicht erhellt wird, welches durch einen Vorhang von rothem Taffet geht, und dieser Vorhang ein Loch von 2--3 Lin. im Durchmesser hat, durch welches das Licht gerade fällt, und dann dieser Lichtbündel mit einem weissen Papiere aufgefangen wird, so sollte man glauben, der erleuchtete Theil des Papiers müsse weiß erscheinen; er erscheint aber sehr schön grün. Wenn man hingegen statt des rothen Vorhangs einen grünen wählt, so erscheint dieser helle Fleck unter gleichen Umständen roth. Monge nimmt dieses für eine Bestätigung des Satzes an, daß wir über die Farben nach Beziehungen urtheilen; man sieht aber bald, daß das Phänomen mit den Gesetzen der zufälligen Farben zusammenhängt, wobey sich Roth und Grün correspondiren, s. Farben, zufällige (oben S. 391.)

Zu S. 825. Des Abbe Mazeas hier erwähnten Versuch hat Herr Wilkens (Ein Beytrag zu den gefärbten Schatten, in Grens Journ. d. Phys. B. VII. S. 21 u. s.)


Eher koͤnnte etwas Wahres in des Satzes erſterm Theile liegen. In der That wird man, ſobald man unter den vorausgeſetzten Umſtaͤnden die Kerze ausloͤſcht, eine ploͤtzliche Veraͤnderung in den Eindruͤcken wahrnehmen, welche die Farben der Koͤrper auf den Sinn des Geſichts machen. Nichts iſt bekannter, als daß die Beleuchtung durch Taglicht ein ganz anderes Colorit, als die Beleuchtung durch eine Kerze, oder durch Taglicht und Kerze zuſammen, hervorbringt. Auch iſt nicht zu laͤugnen, daß die beſchattete Stelle des Papiers, die bey brennender Kerze blau ausſahe, im Augenblicke des Ausloͤſchens weiß wird, obgleich in den Stralen, die von ihr ins Auge kommen, durch das Ausloͤſchen der Kerze nichts geaͤndert wird. Die natuͤrlichſte Erklaͤrung hievon iſt wohl die, welche Monge's Satz giebt. Man weiß ſchon aus der Erfahrung, daß das Papier, welches man vor ſich ſieht, weiß ſey, daß man alſo die Empfindung, die es erregt, als Empfindung von Weiß zu beurtheilen habe. Die im Woͤrterbuche gegebne Erklaͤrung der blauen Schatten kan dabey ungehindert beſtehen.

Herr Monge fuͤhrt noch folgende, von Meusnier ihm mitgetheilte, Beobachtung an. Wenn das Innere eines Zimmers nur durch Sonnenlicht erhellt wird, welches durch einen Vorhang von rothem Taffet geht, und dieſer Vorhang ein Loch von 2—3 Lin. im Durchmeſſer hat, durch welches das Licht gerade faͤllt, und dann dieſer Lichtbuͤndel mit einem weiſſen Papiere aufgefangen wird, ſo ſollte man glauben, der erleuchtete Theil des Papiers muͤſſe weiß erſcheinen; er erſcheint aber ſehr ſchoͤn gruͤn. Wenn man hingegen ſtatt des rothen Vorhangs einen gruͤnen waͤhlt, ſo erſcheint dieſer helle Fleck unter gleichen Umſtaͤnden roth. Monge nimmt dieſes fuͤr eine Beſtaͤtigung des Satzes an, daß wir uͤber die Farben nach Beziehungen urtheilen; man ſieht aber bald, daß das Phaͤnomen mit den Geſetzen der zufaͤlligen Farben zuſammenhaͤngt, wobey ſich Roth und Gruͤn correſpondiren, ſ. Farben, zufaͤllige (oben S. 391.)

Zu S. 825. Des Abbe Mazeas hier erwaͤhnten Verſuch hat Herr Wilkens (Ein Beytrag zu den gefaͤrbten Schatten, in Grens Journ. d. Phyſ. B. VII. S. 21 u. ſ.)

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[814/0826] Eher koͤnnte etwas Wahres in des Satzes erſterm Theile liegen. In der That wird man, ſobald man unter den vorausgeſetzten Umſtaͤnden die Kerze ausloͤſcht, eine ploͤtzliche Veraͤnderung in den Eindruͤcken wahrnehmen, welche die Farben der Koͤrper auf den Sinn des Geſichts machen. Nichts iſt bekannter, als daß die Beleuchtung durch Taglicht ein ganz anderes Colorit, als die Beleuchtung durch eine Kerze, oder durch Taglicht und Kerze zuſammen, hervorbringt. Auch iſt nicht zu laͤugnen, daß die beſchattete Stelle des Papiers, die bey brennender Kerze blau ausſahe, im Augenblicke des Ausloͤſchens weiß wird, obgleich in den Stralen, die von ihr ins Auge kommen, durch das Ausloͤſchen der Kerze nichts geaͤndert wird. Die natuͤrlichſte Erklaͤrung hievon iſt wohl die, welche Monge's Satz giebt. Man weiß ſchon aus der Erfahrung, daß das Papier, welches man vor ſich ſieht, weiß ſey, daß man alſo die Empfindung, die es erregt, als Empfindung von Weiß zu beurtheilen habe. Die im Woͤrterbuche gegebne Erklaͤrung der blauen Schatten kan dabey ungehindert beſtehen. Herr Monge fuͤhrt noch folgende, von Meusnier ihm mitgetheilte, Beobachtung an. Wenn das Innere eines Zimmers nur durch Sonnenlicht erhellt wird, welches durch einen Vorhang von rothem Taffet geht, und dieſer Vorhang ein Loch von 2—3 Lin. im Durchmeſſer hat, durch welches das Licht gerade faͤllt, und dann dieſer Lichtbuͤndel mit einem weiſſen Papiere aufgefangen wird, ſo ſollte man glauben, der erleuchtete Theil des Papiers muͤſſe weiß erſcheinen; er erſcheint aber ſehr ſchoͤn gruͤn. Wenn man hingegen ſtatt des rothen Vorhangs einen gruͤnen waͤhlt, ſo erſcheint dieſer helle Fleck unter gleichen Umſtaͤnden roth. Monge nimmt dieſes fuͤr eine Beſtaͤtigung des Satzes an, daß wir uͤber die Farben nach Beziehungen urtheilen; man ſieht aber bald, daß das Phaͤnomen mit den Geſetzen der zufaͤlligen Farben zuſammenhaͤngt, wobey ſich Roth und Gruͤn correſpondiren, ſ. Farben, zufaͤllige (oben S. 391.) Zu S. 825. Des Abbe Mazeas hier erwaͤhnten Verſuch hat Herr Wilkens (Ein Beytrag zu den gefaͤrbten Schatten, in Grens Journ. d. Phyſ. B. VII. S. 21 u. ſ.)

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 814. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/826>, abgerufen am 22.11.2024.