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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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Mathematik. Erstes Heft, 1794. S. 127.) etwas ganz Unschickliches, daß die Klanglehre in der Physik gewöhnlich bey der Lehre von der Luft abgehandelt wird. Die Luft ist zwar das gemeinste Medium der Fortpflanzung des Schalles; aber sie hat in dieser Absicht gar nichts vor andern elastischen Körpern voraus, welche, sie mögen fest oder flüßig seyn, den Schall eben sowohl, als die Luft, leiten. Die Gesetze des Schalles und Klangs gründen sich auch nicht auf die Eigenschaften der Luft. sondern auf die Gesetze der wellenförmigen Bewegung elastischer Körper und Mittel. Billig sollte daher die Lehre vom Schall, Klang und Ton, als ein Abschnitt der Theorie wellenförmiger oder schwingender Bewegungen (motus vibratorii) betrachtet und vorgetragen werden.

Zu S. 809. Bey neuern Versuchen über die Geschwindigkeit des Schalles in atmosphärischer Luft, hat man mit Vortheil von Tertienuhren Gebrauch gemacht. An solchen Uhren läuft z. B. ein Zeiger in einer Secunde um, und bemerkt auf der in 60 Theile getheilten Scheibe des Zifferblatts Tertien. Zugleich ist ein Drücker angebracht, mit dem man in jedem Augenblicke das stillstehende Uhrwerk loslassen, oder das gehende hemmen kan, um die Zahl der Tertien, bey der der Zeiger stehen blieb, in der Ruhe zu bemerken.

Schon 1778 beobachteten die Herren Kästner und Mayer auf der Sternwarte zu Göttingen mit einer Tertienuhr von Herrn Klindworth die Geschwindigkeit des Schalls aus einer Entfernung, deren Größe aus einer gemessenen Standlinie berechnet war. Sie fanden bey starkem Winde aus Norden, der dem Schalle entgegen gieng, in einer Secunde 1034--1037 pariser Fuß.

Herr Major Müller in Göttingen bediente sich 1791 dazu einer von Herrn Ahrens in Hannover verfertigten Tertienuhr, die in Hrn. Hofr. Lichtenbergs Besitz ist, und von der er sich versichert hatte, daß sie mittlere Zeit angab. Er hatte auf dem Felde bey Göttingen unterschiedene Linien, theils mit 16füßigen Stäben, theils mit der Kette, sorgfältig gemessen. Aus beyderley Messungen, die nicht beträchtlich unterschieden waren, kam für eine das Mittel


Mathematik. Erſtes Heft, 1794. S. 127.) etwas ganz Unſchickliches, daß die Klanglehre in der Phyſik gewoͤhnlich bey der Lehre von der Luft abgehandelt wird. Die Luft iſt zwar das gemeinſte Medium der Fortpflanzung des Schalles; aber ſie hat in dieſer Abſicht gar nichts vor andern elaſtiſchen Koͤrpern voraus, welche, ſie moͤgen feſt oder fluͤßig ſeyn, den Schall eben ſowohl, als die Luft, leiten. Die Geſetze des Schalles und Klangs gruͤnden ſich auch nicht auf die Eigenſchaften der Luft. ſondern auf die Geſetze der wellenfoͤrmigen Bewegung elaſtiſcher Koͤrper und Mittel. Billig ſollte daher die Lehre vom Schall, Klang und Ton, als ein Abſchnitt der Theorie wellenfoͤrmiger oder ſchwingender Bewegungen (motus vibratorii) betrachtet und vorgetragen werden.

Zu S. 809. Bey neuern Verſuchen uͤber die Geſchwindigkeit des Schalles in atmoſphaͤriſcher Luft, hat man mit Vortheil von Tertienuhren Gebrauch gemacht. An ſolchen Uhren laͤuft z. B. ein Zeiger in einer Secunde um, und bemerkt auf der in 60 Theile getheilten Scheibe des Zifferblatts Tertien. Zugleich iſt ein Druͤcker angebracht, mit dem man in jedem Augenblicke das ſtillſtehende Uhrwerk loslaſſen, oder das gehende hemmen kan, um die Zahl der Tertien, bey der der Zeiger ſtehen blieb, in der Ruhe zu bemerken.

Schon 1778 beobachteten die Herren Kaͤſtner und Mayer auf der Sternwarte zu Goͤttingen mit einer Tertienuhr von Herrn Klindworth die Geſchwindigkeit des Schalls aus einer Entfernung, deren Groͤße aus einer gemeſſenen Standlinie berechnet war. Sie fanden bey ſtarkem Winde aus Norden, der dem Schalle entgegen gieng, in einer Secunde 1034—1037 pariſer Fuß.

Herr Major Muͤller in Goͤttingen bediente ſich 1791 dazu einer von Herrn Ahrens in Hannover verfertigten Tertienuhr, die in Hrn. Hofr. Lichtenbergs Beſitz iſt, und von der er ſich verſichert hatte, daß ſie mittlere Zeit angab. Er hatte auf dem Felde bey Goͤttingen unterſchiedene Linien, theils mit 16fuͤßigen Staͤben, theils mit der Kette, ſorgfaͤltig gemeſſen. Aus beyderley Meſſungen, die nicht betraͤchtlich unterſchieden waren, kam fuͤr eine das Mittel

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[811/0823] Mathematik. Erſtes Heft, 1794. S. 127.) etwas ganz Unſchickliches, daß die Klanglehre in der Phyſik gewoͤhnlich bey der Lehre von der Luft abgehandelt wird. Die Luft iſt zwar das gemeinſte Medium der Fortpflanzung des Schalles; aber ſie hat in dieſer Abſicht gar nichts vor andern elaſtiſchen Koͤrpern voraus, welche, ſie moͤgen feſt oder fluͤßig ſeyn, den Schall eben ſowohl, als die Luft, leiten. Die Geſetze des Schalles und Klangs gruͤnden ſich auch nicht auf die Eigenſchaften der Luft. ſondern auf die Geſetze der wellenfoͤrmigen Bewegung elaſtiſcher Koͤrper und Mittel. Billig ſollte daher die Lehre vom Schall, Klang und Ton, als ein Abſchnitt der Theorie wellenfoͤrmiger oder ſchwingender Bewegungen (motus vibratorii) betrachtet und vorgetragen werden. Zu S. 809. Bey neuern Verſuchen uͤber die Geſchwindigkeit des Schalles in atmoſphaͤriſcher Luft, hat man mit Vortheil von Tertienuhren Gebrauch gemacht. An ſolchen Uhren laͤuft z. B. ein Zeiger in einer Secunde um, und bemerkt auf der in 60 Theile getheilten Scheibe des Zifferblatts Tertien. Zugleich iſt ein Druͤcker angebracht, mit dem man in jedem Augenblicke das ſtillſtehende Uhrwerk loslaſſen, oder das gehende hemmen kan, um die Zahl der Tertien, bey der der Zeiger ſtehen blieb, in der Ruhe zu bemerken. Schon 1778 beobachteten die Herren Kaͤſtner und Mayer auf der Sternwarte zu Goͤttingen mit einer Tertienuhr von Herrn Klindworth die Geſchwindigkeit des Schalls aus einer Entfernung, deren Groͤße aus einer gemeſſenen Standlinie berechnet war. Sie fanden bey ſtarkem Winde aus Norden, der dem Schalle entgegen gieng, in einer Secunde 1034—1037 pariſer Fuß. Herr Major Muͤller in Goͤttingen bediente ſich 1791 dazu einer von Herrn Ahrens in Hannover verfertigten Tertienuhr, die in Hrn. Hofr. Lichtenbergs Beſitz iſt, und von der er ſich verſichert hatte, daß ſie mittlere Zeit angab. Er hatte auf dem Felde bey Goͤttingen unterſchiedene Linien, theils mit 16fuͤßigen Staͤben, theils mit der Kette, ſorgfaͤltig gemeſſen. Aus beyderley Meſſungen, die nicht betraͤchtlich unterſchieden waren, kam fuͤr eine das Mittel

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 811. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/823>, abgerufen am 22.11.2024.