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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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Zwar scheint diese Antwort den Begriffen zu widersprechen, welche Lavoisier, und andere vorzügliche Schriftsteller, beym Vortrage des Systems zum Grunde legen. Nach diesen Begriffen liegt der Grund der Säurebildung nicht in der Basis, sondern in dem Oxygen selbst. Nach Lavoisier (Traite elem. To. I. p. 65) ist jede Verbindung irgend eines brennbaren Körpers mit dem Oxygen eine Säurung (Oxygenation), und die Oxygenation einer jeden Substanz bildet Säure (La formation des acides s'opere par l'oxygenation d'une substance quelconque. p. 69.); der Sauerstoff ist es, was die Säuren macht, und die Natur der Grundlagen bestimmt nur ihre Verschiedenheit. Herr Girtanner nennt den Sauerstoff selbst Principium acidum, und schreibt ihm die Eigenschaft zu, mit andern Körpern verbunden, denselben einen säuerlichen Geschmack mitzutheilen. Man könnte diesen Aeußerungen nach überall Acidität und sauren Geschmack erwarten, wo sich Oxygen mit irgend einer Substanz, zumal mit einer brennbaren, wie im Wasser, verbindet.

Allein diese Ausdrücke werden von den Antiphlogistikern nicht in so strengem Sinne genommen. Sie unterscheiden in der Folge selbst die verschiedenen Grade der Sättigung mit Oxygen, und erinnern ausdrücklich, daß der erste sehr unvollkommne Grad, die Oxydation, noch keine Acidität hervorbringe, daher man auch in den Halbsäuren (Metallkalken), wie in andern Mittelsubstanzen, nichts Saures bemerke, obgleich der Sauerstoff einen ihrer Bestandtheile ausmache. Man sieht also wohl, daß die Meinung dahin nicht gegangen sey, den Sauerstoff für die Säure selbst, und alles, was ihn enthält, für sauer auszugeben. Alsdann muß er aber nicht Principium acidum, sondern acidificum, genannt werden, und es bleibt noch immer schwer zu begreifen, wie eine einfache Substanz die Kräfte und Eigenschaften der Säure, die sie selbst nicht hat, in andere Dinge bringen könnne, die sie auch nicht haben.

Anfangsgründe der antiphlogistischen Chemie, von Chr. Girtanner. Berlin, 1792. gr. 8. Kap. 5.

Grens Journal der Physik, B. III. S. 315 u. f. 507 u. f.


Zwar ſcheint dieſe Antwort den Begriffen zu widerſprechen, welche Lavoiſier, und andere vorzuͤgliche Schriftſteller, beym Vortrage des Syſtems zum Grunde legen. Nach dieſen Begriffen liegt der Grund der Saͤurebildung nicht in der Baſis, ſondern in dem Oxygen ſelbſt. Nach Lavoiſier (Traité élém. To. I. p. 65) iſt jede Verbindung irgend eines brennbaren Koͤrpers mit dem Oxygen eine Saͤurung (Oxygènation), und die Oxygenation einer jeden Subſtanz bildet Saͤure (La formation des acides s'opère par l'oxygenation d'une ſubſtance quelconque. p. 69.); der Sauerſtoff iſt es, was die Saͤuren macht, und die Natur der Grundlagen beſtimmt nur ihre Verſchiedenheit. Herr Girtanner nennt den Sauerſtoff ſelbſt Principium acidum, und ſchreibt ihm die Eigenſchaft zu, mit andern Koͤrpern verbunden, denſelben einen ſaͤuerlichen Geſchmack mitzutheilen. Man koͤnnte dieſen Aeußerungen nach uͤberall Aciditaͤt und ſauren Geſchmack erwarten, wo ſich Oxygen mit irgend einer Subſtanz, zumal mit einer brennbaren, wie im Waſſer, verbindet.

Allein dieſe Ausdruͤcke werden von den Antiphlogiſtikern nicht in ſo ſtrengem Sinne genommen. Sie unterſcheiden in der Folge ſelbſt die verſchiedenen Grade der Saͤttigung mit Oxygen, und erinnern ausdruͤcklich, daß der erſte ſehr unvollkommne Grad, die Oxydation, noch keine Aciditaͤt hervorbringe, daher man auch in den Halbſaͤuren (Metallkalken), wie in andern Mittelſubſtanzen, nichts Saures bemerke, obgleich der Sauerſtoff einen ihrer Beſtandtheile ausmache. Man ſieht alſo wohl, daß die Meinung dahin nicht gegangen ſey, den Sauerſtoff fuͤr die Saͤure ſelbſt, und alles, was ihn enthaͤlt, fuͤr ſauer auszugeben. Alsdann muß er aber nicht Principium acidum, ſondern acidificum, genannt werden, und es bleibt noch immer ſchwer zu begreifen, wie eine einfache Subſtanz die Kraͤfte und Eigenſchaften der Saͤure, die ſie ſelbſt nicht hat, in andere Dinge bringen koͤnnne, die ſie auch nicht haben.

Anfangsgründe der antiphlogiſtiſchen Chemie, von Chr. Girtanner. Berlin, 1792. gr. 8. Kap. 5.

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[809/0821] Zwar ſcheint dieſe Antwort den Begriffen zu widerſprechen, welche Lavoiſier, und andere vorzuͤgliche Schriftſteller, beym Vortrage des Syſtems zum Grunde legen. Nach dieſen Begriffen liegt der Grund der Saͤurebildung nicht in der Baſis, ſondern in dem Oxygen ſelbſt. Nach Lavoiſier (Traité élém. To. I. p. 65) iſt jede Verbindung irgend eines brennbaren Koͤrpers mit dem Oxygen eine Saͤurung (Oxygènation), und die Oxygenation einer jeden Subſtanz bildet Saͤure (La formation des acides s'opère par l'oxygenation d'une ſubſtance quelconque. p. 69.); der Sauerſtoff iſt es, was die Saͤuren macht, und die Natur der Grundlagen beſtimmt nur ihre Verſchiedenheit. Herr Girtanner nennt den Sauerſtoff ſelbſt Principium acidum, und ſchreibt ihm die Eigenſchaft zu, mit andern Koͤrpern verbunden, denſelben einen ſaͤuerlichen Geſchmack mitzutheilen. Man koͤnnte dieſen Aeußerungen nach uͤberall Aciditaͤt und ſauren Geſchmack erwarten, wo ſich Oxygen mit irgend einer Subſtanz, zumal mit einer brennbaren, wie im Waſſer, verbindet. Allein dieſe Ausdruͤcke werden von den Antiphlogiſtikern nicht in ſo ſtrengem Sinne genommen. Sie unterſcheiden in der Folge ſelbſt die verſchiedenen Grade der Saͤttigung mit Oxygen, und erinnern ausdruͤcklich, daß der erſte ſehr unvollkommne Grad, die Oxydation, noch keine Aciditaͤt hervorbringe, daher man auch in den Halbſaͤuren (Metallkalken), wie in andern Mittelſubſtanzen, nichts Saures bemerke, obgleich der Sauerſtoff einen ihrer Beſtandtheile ausmache. Man ſieht alſo wohl, daß die Meinung dahin nicht gegangen ſey, den Sauerſtoff fuͤr die Saͤure ſelbſt, und alles, was ihn enthaͤlt, fuͤr ſauer auszugeben. Alsdann muß er aber nicht Principium acidum, ſondern acidificum, genannt werden, und es bleibt noch immer ſchwer zu begreifen, wie eine einfache Subſtanz die Kraͤfte und Eigenſchaften der Saͤure, die ſie ſelbſt nicht hat, in andere Dinge bringen koͤnnne, die ſie auch nicht haben. Anfangsgründe der antiphlogiſtiſchen Chemie, von Chr. Girtanner. Berlin, 1792. gr. 8. Kap. 5. Grens Journal der Phyſik, B. III. S. 315 u. f. 507 u. f.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 809. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/821>, abgerufen am 23.11.2024.