Farbe des Bluts ganz allein von dem Verluste des gekohlten Wasserstoffgas her, und der Sauerstoff geht in keine Verbindung mit dem venösen Blute über. Man sieht leicht, daß diese Theorie von der Priestleyischen nicht weit abweicht. Sie setzt blos an die Stelle des Priestleyischen Phlogistons das gekohlte Wasserstoffgas, und läßt aus dessen Verbindung mit der atmosphärischen Luft nicht, wie bey Priestley, phlogistisirte oder Stickluft, sondern Luftsäure und Wasser entstehen, wobey das Stickgas, das schon in der eingeathmeten Luft präexistirte, beym Ausathmen unverändert wieder hinweggeht.
Hingegen hat Hr. Girtanner (in Rozier Journ. de phys. 1790. Juin. p. 422. sq. übers. in Gren Journ. der Phys. B. III. S. 317 u. f. 507 u. f.) eine andere Theorie aufgestellt, und durch eine zahlreiche Menge von Versuchen zu bestätigen gesucht, nach welcher die Reizbarkeit als das Lebensprincip in der ganzen organisirten Natur, und das Oxygen als der Grundstoff dieser Reizbarkeit, betrachtet wird. Nach dieser Theorie soll sich nun der Sauerstoff der atmosphärischen Luft in den Lungen mit dem Blute selbst verbinden, diesem die hellrothe Farbe geben, und sich allen Theilen des thierischen Systems, zu Unterhaltung ihrer Reizbarkeit und ihres Lebens, durch die Eirculation mittheilen. Herr Girtanner selbst giebt von dieser Theorie folgenden kurzen Abriß.
Während des Athemholens wird das Sauerstoffgas der Atmosphäre zersetzt. Ein Theil des Sauerstoffs verbindet sich mit dem venösen Blute, und verwandelt seine dunkle Farbe in eine hellrothe. Ein anderer Theil des Sauerstoffs verbindet sich mit dem Kohlenstoffe, welcher aus dem venösen Blute abgesondert wird, und erzeugt kohlengesäuertes Gas. Ein dritter Theil verbindet sich mit dem Kohlenstoffe des schwärzlichen Schleims, welcher sich in den Aesten der Lunge in großer Menge absondert: dieser erzeugt ebenfalls kohlengesäuertes Gas. Ein vierter Theil verbindet sich mit dem aus dem venösen Blute abgesonderten Wasserstoffgas, und erzeugt Wasser, welches sich beym Ausathmen zeigt. Der Wärmestoff des zerlegten Sauerstoffgas bleibt zum Theil mit demjenigen Sauerstoffe verbunden, welcher sich mit dem venösen
Farbe des Bluts ganz allein von dem Verluſte des gekohlten Waſſerſtoffgas her, und der Sauerſtoff geht in keine Verbindung mit dem venoͤſen Blute uͤber. Man ſieht leicht, daß dieſe Theorie von der Prieſtleyiſchen nicht weit abweicht. Sie ſetzt blos an die Stelle des Prieſtleyiſchen Phlogiſtons das gekohlte Waſſerſtoffgas, und laͤßt aus deſſen Verbindung mit der atmoſphaͤriſchen Luft nicht, wie bey Prieſtley, phlogiſtiſirte oder Stickluft, ſondern Luftſaͤure und Waſſer entſtehen, wobey das Stickgas, das ſchon in der eingeathmeten Luft praͤexiſtirte, beym Ausathmen unveraͤndert wieder hinweggeht.
Hingegen hat Hr. Girtanner (in Rozier Journ. de phyſ. 1790. Juin. p. 422. ſq. uͤberſ. in Gren Journ. der Phyſ. B. III. S. 317 u. f. 507 u. f.) eine andere Theorie aufgeſtellt, und durch eine zahlreiche Menge von Verſuchen zu beſtaͤtigen geſucht, nach welcher die Reizbarkeit als das Lebensprincip in der ganzen organiſirten Natur, und das Oxygen als der Grundſtoff dieſer Reizbarkeit, betrachtet wird. Nach dieſer Theorie ſoll ſich nun der Sauerſtoff der atmoſphaͤriſchen Luft in den Lungen mit dem Blute ſelbſt verbinden, dieſem die hellrothe Farbe geben, und ſich allen Theilen des thieriſchen Syſtems, zu Unterhaltung ihrer Reizbarkeit und ihres Lebens, durch die Eirculation mittheilen. Herr Girtanner ſelbſt giebt von dieſer Theorie folgenden kurzen Abriß.
Waͤhrend des Athemholens wird das Sauerſtoffgas der Atmoſphaͤre zerſetzt. Ein Theil des Sauerſtoffs verbindet ſich mit dem venoͤſen Blute, und verwandelt ſeine dunkle Farbe in eine hellrothe. Ein anderer Theil des Sauerſtoffs verbindet ſich mit dem Kohlenſtoffe, welcher aus dem venoͤſen Blute abgeſondert wird, und erzeugt kohlengeſaͤuertes Gas. Ein dritter Theil verbindet ſich mit dem Kohlenſtoffe des ſchwaͤrzlichen Schleims, welcher ſich in den Aeſten der Lunge in großer Menge abſondert: dieſer erzeugt ebenfalls kohlengeſaͤuertes Gas. Ein vierter Theil verbindet ſich mit dem aus dem venoͤſen Blute abgeſonderten Waſſerſtoffgas, und erzeugt Waſſer, welches ſich beym Ausathmen zeigt. Der Waͤrmeſtoff des zerlegten Sauerſtoffgas bleibt zum Theil mit demjenigen Sauerſtoffe verbunden, welcher ſich mit dem venoͤſen
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Farbe des Bluts ganz allein von dem Verluſte des gekohlten Waſſerſtoffgas her, und der Sauerſtoff geht in keine Verbindung mit dem venoͤſen Blute uͤber. Man ſieht leicht, daß dieſe Theorie von der Prieſtleyiſchen nicht weit abweicht. Sie ſetzt blos an die Stelle des Prieſtleyiſchen Phlogiſtons das gekohlte Waſſerſtoffgas, und laͤßt aus deſſen Verbindung mit der atmoſphaͤriſchen Luft nicht, wie bey Prieſtley, phlogiſtiſirte oder Stickluft, ſondern Luftſaͤure und Waſſer entſtehen, wobey das Stickgas, das ſchon in der eingeathmeten Luft praͤexiſtirte, beym Ausathmen unveraͤndert wieder hinweggeht.</p><p>Hingegen hat Hr. <hirendition="#b">Girtanner</hi> (in <hirendition="#aq"><hirendition="#i">Rozier</hi> Journ. de phyſ. 1790. Juin. p. 422. ſq.</hi> uͤberſ. in <hirendition="#b">Gren</hi> Journ. der Phyſ. B. <hirendition="#aq">III.</hi> S. 317 u. f. 507 u. f.) eine andere Theorie aufgeſtellt, und durch eine zahlreiche Menge von Verſuchen zu beſtaͤtigen geſucht, nach welcher die Reizbarkeit als das Lebensprincip in der ganzen organiſirten Natur, und das <hirendition="#b">Oxygen</hi> als der Grundſtoff dieſer Reizbarkeit, betrachtet wird. Nach dieſer Theorie ſoll ſich nun der Sauerſtoff der atmoſphaͤriſchen Luft in den Lungen mit dem Blute ſelbſt verbinden, dieſem die hellrothe Farbe geben, und ſich allen Theilen des thieriſchen Syſtems, zu Unterhaltung ihrer Reizbarkeit und ihres Lebens, durch die Eirculation mittheilen. Herr <hirendition="#b">Girtanner</hi>ſelbſt giebt von dieſer Theorie folgenden kurzen Abriß.</p><p>Waͤhrend des Athemholens wird das Sauerſtoffgas der Atmoſphaͤre zerſetzt. Ein Theil des Sauerſtoffs verbindet ſich mit dem venoͤſen Blute, und verwandelt ſeine dunkle Farbe in eine hellrothe. Ein anderer Theil des Sauerſtoffs verbindet ſich mit dem Kohlenſtoffe, welcher aus dem venoͤſen Blute abgeſondert wird, und erzeugt kohlengeſaͤuertes Gas. Ein dritter Theil verbindet ſich mit dem Kohlenſtoffe des ſchwaͤrzlichen Schleims, welcher ſich in den Aeſten der Lunge in großer Menge abſondert: dieſer erzeugt ebenfalls kohlengeſaͤuertes Gas. Ein vierter Theil verbindet ſich mit dem aus dem venoͤſen Blute abgeſonderten Waſſerſtoffgas, und erzeugt Waſſer, welches ſich beym Ausathmen zeigt. Der Waͤrmeſtoff des zerlegten Sauerſtoffgas bleibt zum Theil mit demjenigen Sauerſtoffe verbunden, welcher ſich mit dem venoͤſen<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
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Farbe des Bluts ganz allein von dem Verluſte des gekohlten Waſſerſtoffgas her, und der Sauerſtoff geht in keine Verbindung mit dem venoͤſen Blute uͤber. Man ſieht leicht, daß dieſe Theorie von der Prieſtleyiſchen nicht weit abweicht. Sie ſetzt blos an die Stelle des Prieſtleyiſchen Phlogiſtons das gekohlte Waſſerſtoffgas, und laͤßt aus deſſen Verbindung mit der atmoſphaͤriſchen Luft nicht, wie bey Prieſtley, phlogiſtiſirte oder Stickluft, ſondern Luftſaͤure und Waſſer entſtehen, wobey das Stickgas, das ſchon in der eingeathmeten Luft praͤexiſtirte, beym Ausathmen unveraͤndert wieder hinweggeht.
Hingegen hat Hr. Girtanner (in Rozier Journ. de phyſ. 1790. Juin. p. 422. ſq. uͤberſ. in Gren Journ. der Phyſ. B. III. S. 317 u. f. 507 u. f.) eine andere Theorie aufgeſtellt, und durch eine zahlreiche Menge von Verſuchen zu beſtaͤtigen geſucht, nach welcher die Reizbarkeit als das Lebensprincip in der ganzen organiſirten Natur, und das Oxygen als der Grundſtoff dieſer Reizbarkeit, betrachtet wird. Nach dieſer Theorie ſoll ſich nun der Sauerſtoff der atmoſphaͤriſchen Luft in den Lungen mit dem Blute ſelbſt verbinden, dieſem die hellrothe Farbe geben, und ſich allen Theilen des thieriſchen Syſtems, zu Unterhaltung ihrer Reizbarkeit und ihres Lebens, durch die Eirculation mittheilen. Herr Girtanner ſelbſt giebt von dieſer Theorie folgenden kurzen Abriß.
Waͤhrend des Athemholens wird das Sauerſtoffgas der Atmoſphaͤre zerſetzt. Ein Theil des Sauerſtoffs verbindet ſich mit dem venoͤſen Blute, und verwandelt ſeine dunkle Farbe in eine hellrothe. Ein anderer Theil des Sauerſtoffs verbindet ſich mit dem Kohlenſtoffe, welcher aus dem venoͤſen Blute abgeſondert wird, und erzeugt kohlengeſaͤuertes Gas. Ein dritter Theil verbindet ſich mit dem Kohlenſtoffe des ſchwaͤrzlichen Schleims, welcher ſich in den Aeſten der Lunge in großer Menge abſondert: dieſer erzeugt ebenfalls kohlengeſaͤuertes Gas. Ein vierter Theil verbindet ſich mit dem aus dem venoͤſen Blute abgeſonderten Waſſerſtoffgas, und erzeugt Waſſer, welches ſich beym Ausathmen zeigt. Der Waͤrmeſtoff des zerlegten Sauerſtoffgas bleibt zum Theil mit demjenigen Sauerſtoffe verbunden, welcher ſich mit dem venoͤſen
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/77>, abgerufen am 22.11.2024.
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