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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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beybehalten werden, gewiß dachte dabey Niemand mehr an Kalkerde. Das aber ist höchst tadelnswürdig, daß man wieder neue Hypothesen in diese Sprache gemischt hat, wie Oxygene. Die Hypothese gehört in den Vortrag, der dem Verfasser eigen bleibt, aber nicht in die Sprache, die der ganzen Nation bestimmt ist. Eine Hypothese ist ein unmaßgebliches Gutachten; wer sie aber der Sprache aufzwingt, der publicirt Mandate. Inzwischen haben es die Franzosen durchgesetzt, und es ist nur Schade, daß man diesen Zeitpunkt nicht benützt hat, um erst eine durchaus philosophische Theorie der Nomenclaturen überhaupt festzusetzen, und darnach die neue einzurichten. Daß übrigens schlechtgewählte Namen so sehr eben nicht schaden, beweißt die Astronomie, die ihrer höchst abgeschmackten Nomenclatur ohngeachtet eine der vollkommensten, sichersten und bestimmtesten Wissenschaften geworden ist.

Das antiphlogistische System mag also mit allen den Lücken, die es noch offen läßt und allen Fehlern seiner Nomenclatur immer seine Stelle unter den Vorstellungsarten behaupten, die man zu einer schicklichen Zusammenordnung und Verbindung der Erfahrungen als die vorzüglichsten empfiehlt. Untersuchung der Natur wird dadurch allemal befördert, und das ist denn doch das Größte, was der aufrichtige Verehrer dieses erhabnen Studiums wünschen kan. Systeme, deren Wahrscheinlichkeit, wie die des copernikanischen, an mathematische Gewißheit gränzt, lassen sich hier, wo es auf die ersten Anfänge der Körper ankömmt, nicht erwarten; unsere Erklärungen der Natur sind und bleiben nur Schemata, nach denen wir uns die Dinge vorstellen (Videmus enim, omnes rationes, quibus natura explicari solet, modos esse tantummodo imaginandi, nec ullius rei naturam, sed tantum imaginationis constitutionem indicare. Spinoza, Opp. omn. 1677. p. 39.).

Girtanner Anfangsgründe der antiphlogist. Chemie. Berlin, 1792. gr. 8.

Gren Journ. der Physik, an mehrern angeführten Stellen.

Lichtenberg Vorrede zu Erxlebens Anfangsgr. der Naturlehre. Sechste Auflage. Göttingen, 1794. 8.


beybehalten werden, gewiß dachte dabey Niemand mehr an Kalkerde. Das aber iſt hoͤchſt tadelnswuͤrdig, daß man wieder neue Hypotheſen in dieſe Sprache gemiſcht hat, wie Oxygène. Die Hypotheſe gehoͤrt in den Vortrag, der dem Verfaſſer eigen bleibt, aber nicht in die Sprache, die der ganzen Nation beſtimmt iſt. Eine Hypotheſe iſt ein unmaßgebliches Gutachten; wer ſie aber der Sprache aufzwingt, der publicirt Mandate. Inzwiſchen haben es die Franzoſen durchgeſetzt, und es iſt nur Schade, daß man dieſen Zeitpunkt nicht benuͤtzt hat, um erſt eine durchaus philoſophiſche Theorie der Nomenclaturen uͤberhaupt feſtzuſetzen, und darnach die neue einzurichten. Daß uͤbrigens ſchlechtgewaͤhlte Namen ſo ſehr eben nicht ſchaden, beweißt die Aſtronomie, die ihrer hoͤchſt abgeſchmackten Nomenclatur ohngeachtet eine der vollkommenſten, ſicherſten und beſtimmteſten Wiſſenſchaften geworden iſt.

Das antiphlogiſtiſche Syſtem mag alſo mit allen den Luͤcken, die es noch offen laͤßt und allen Fehlern ſeiner Nomenclatur immer ſeine Stelle unter den Vorſtellungsarten behaupten, die man zu einer ſchicklichen Zuſammenordnung und Verbindung der Erfahrungen als die vorzuͤglichſten empfiehlt. Unterſuchung der Natur wird dadurch allemal befoͤrdert, und das iſt denn doch das Groͤßte, was der aufrichtige Verehrer dieſes erhabnen Studiums wuͤnſchen kan. Syſteme, deren Wahrſcheinlichkeit, wie die des copernikaniſchen, an mathematiſche Gewißheit graͤnzt, laſſen ſich hier, wo es auf die erſten Anfaͤnge der Koͤrper ankoͤmmt, nicht erwarten; unſere Erklaͤrungen der Natur ſind und bleiben nur Schemata, nach denen wir uns die Dinge vorſtellen (Videmus enim, omnes rationes, quibus natura explicari ſolet, modos eſſe tantummodo imaginandi, nec ullius rei naturam, ſed tantum imaginationis conſtitutionem indicare. Spinoza, Opp. omn. 1677. p. 39.).

Girtanner Anfangsgründe der antiphlogiſt. Chemie. Berlin, 1792. gr. 8.

Gren Journ. der Phyſik, an mehrern angefuͤhrten Stellen.

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[49/0061] beybehalten werden, gewiß dachte dabey Niemand mehr an Kalkerde. Das aber iſt hoͤchſt tadelnswuͤrdig, daß man wieder neue Hypotheſen in dieſe Sprache gemiſcht hat, wie Oxygène. Die Hypotheſe gehoͤrt in den Vortrag, der dem Verfaſſer eigen bleibt, aber nicht in die Sprache, die der ganzen Nation beſtimmt iſt. Eine Hypotheſe iſt ein unmaßgebliches Gutachten; wer ſie aber der Sprache aufzwingt, der publicirt Mandate. Inzwiſchen haben es die Franzoſen durchgeſetzt, und es iſt nur Schade, daß man dieſen Zeitpunkt nicht benuͤtzt hat, um erſt eine durchaus philoſophiſche Theorie der Nomenclaturen uͤberhaupt feſtzuſetzen, und darnach die neue einzurichten. Daß uͤbrigens ſchlechtgewaͤhlte Namen ſo ſehr eben nicht ſchaden, beweißt die Aſtronomie, die ihrer hoͤchſt abgeſchmackten Nomenclatur ohngeachtet eine der vollkommenſten, ſicherſten und beſtimmteſten Wiſſenſchaften geworden iſt. Das antiphlogiſtiſche Syſtem mag alſo mit allen den Luͤcken, die es noch offen laͤßt und allen Fehlern ſeiner Nomenclatur immer ſeine Stelle unter den Vorſtellungsarten behaupten, die man zu einer ſchicklichen Zuſammenordnung und Verbindung der Erfahrungen als die vorzuͤglichſten empfiehlt. Unterſuchung der Natur wird dadurch allemal befoͤrdert, und das iſt denn doch das Groͤßte, was der aufrichtige Verehrer dieſes erhabnen Studiums wuͤnſchen kan. Syſteme, deren Wahrſcheinlichkeit, wie die des copernikaniſchen, an mathematiſche Gewißheit graͤnzt, laſſen ſich hier, wo es auf die erſten Anfaͤnge der Koͤrper ankoͤmmt, nicht erwarten; unſere Erklaͤrungen der Natur ſind und bleiben nur Schemata, nach denen wir uns die Dinge vorſtellen (Videmus enim, omnes rationes, quibus natura explicari ſolet, modos eſſe tantummodo imaginandi, nec ullius rei naturam, ſed tantum imaginationis conſtitutionem indicare. Spinoza, Opp. omn. 1677. p. 39.). Girtanner Anfangsgründe der antiphlogiſt. Chemie. Berlin, 1792. gr. 8. Gren Journ. der Phyſik, an mehrern angefuͤhrten Stellen. Lichtenberg Vorrede zu Erxlebens Anfangsgr. der Naturlehre. Sechſte Auflage. Goͤttingen, 1794. 8.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/61>, abgerufen am 23.11.2024.