Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Man hat sich, sagt Herr de Luc, als die Identität des Blitzes und der Elektricität entdeckt war, durch eine scheinbare Aehnlichkeit irre führen lassen, ohne zu untersuchen, wodurch die Wolken so stark positiv oder negativ werden, und diesen erzwungenen Zustand mitten unter andern Wolken, und durch diese oder den Regen mit dem Boden verbunden, so lange behalten können. Indessen befriedigte man sich mit dieser schmeichelhaften Vorstellung, und dadurch ward die Meinung von einer Elektrisirung der Wolken, welche dem Elektrisiren bey unsern Versuchen ähnlich sey, befestiget, und man ließ sich lange Zeit nicht einmal einen Zweifel dagegen beyfallen. Eine sorgfältigere Erwägung der Umstände aber führt ganz natürlich auf den Gedanken, daß vor Entladung des Blitzes die Menge elektrischer Flüßigkeit, welche ihn bildet, als solche, weder in der Wolke, noch sonst wo, hat vorhanden seyn können, eben so wenig, als die flüßigen Materien, die sich aus dem Schießpulver entwickeln, vor der Entzündung desselben, als solche, darinn existiren. Dieser Erklärung zufolge läßt sich nach Hrn. Lampadius (Vers. und Beob. über die Elektr. und Wärme der Atm. §. 25) der Blitz, so sonderbar auch dieses klingen mag, mit dem Papinianischen Digestor vergleichen. In diesem wird eine Menge sehr heißer und elastischer Dämpfe erzeugt und durch den Druck zusammengehalten; überwinden diese den Druck, oder werden sie schnell in Freyheit gesetzt, so zersetzen sie sich, indem sie an der Decke neuen Widerstand erleiden. Nach und nach, aber nur langsam, würde sich das freye Wasser wieder mit neuem Feuer zu Dampf verbinden. Eben so wird bey dem Gewitter eine große Menge elektrisches Fluidum erzeugt, welches an der Luft, als einem Nichtleiter, Widerstand findet, und sich auf einen Augenblick zersetzt. In diesem Augenblicke sehen wir den Blitz, oder das aus dem zersetzten elektrischen Fluidum frey werdende Licht.
Man hat ſich, ſagt Herr de Luc, als die Identitaͤt des Blitzes und der Elektricitaͤt entdeckt war, durch eine ſcheinbare Aehnlichkeit irre fuͤhren laſſen, ohne zu unterſuchen, wodurch die Wolken ſo ſtark poſitiv oder negativ werden, und dieſen erzwungenen Zuſtand mitten unter andern Wolken, und durch dieſe oder den Regen mit dem Boden verbunden, ſo lange behalten koͤnnen. Indeſſen befriedigte man ſich mit dieſer ſchmeichelhaften Vorſtellung, und dadurch ward die Meinung von einer Elektriſirung der Wolken, welche dem Elektriſiren bey unſern Verſuchen aͤhnlich ſey, befeſtiget, und man ließ ſich lange Zeit nicht einmal einen Zweifel dagegen beyfallen. Eine ſorgfaͤltigere Erwaͤgung der Umſtaͤnde aber fuͤhrt ganz natuͤrlich auf den Gedanken, daß vor Entladung des Blitzes die Menge elektriſcher Fluͤßigkeit, welche ihn bildet, als ſolche, weder in der Wolke, noch ſonſt wo, hat vorhanden ſeyn koͤnnen, eben ſo wenig, als die fluͤßigen Materien, die ſich aus dem Schießpulver entwickeln, vor der Entzuͤndung deſſelben, als ſolche, darinn exiſtiren. Dieſer Erklaͤrung zufolge laͤßt ſich nach Hrn. Lampadius (Verſ. und Beob. uͤber die Elektr. und Waͤrme der Atm. §. 25) der Blitz, ſo ſonderbar auch dieſes klingen mag, mit dem Papinianiſchen Digeſtor vergleichen. In dieſem wird eine Menge ſehr heißer und elaſtiſcher Daͤmpfe erzeugt und durch den Druck zuſammengehalten; uͤberwinden dieſe den Druck, oder werden ſie ſchnell in Freyheit geſetzt, ſo zerſetzen ſie ſich, indem ſie an der Decke neuen Widerſtand erleiden. Nach und nach, aber nur langſam, wuͤrde ſich das freye Waſſer wieder mit neuem Feuer zu Dampf verbinden. Eben ſo wird bey dem Gewitter eine große Menge elektriſches Fluidum erzeugt, welches an der Luft, als einem Nichtleiter, Widerſtand findet, und ſich auf einen Augenblick zerſetzt. In dieſem Augenblicke ſehen wir den Blitz, oder das aus dem zerſetzten elektriſchen Fluidum frey werdende Licht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0582" xml:id="P.5.570" n="570"/><lb/> der dieſen ungeheuren Vorrath in einen Nebel zuſammendraͤngt, welcher noch uͤberdieſes durch einen Platzregen mit der Erde in leitender Verbindung ſteht? Was beſtimmt dieſen Vorrath, ſich zu entladen, und zwar nicht auf einmal, ſondern in ſo vielfach wiederholten Exploſionen?</p> <p>Man hat ſich, ſagt Herr <hi rendition="#b">de Luc,</hi> als die Identitaͤt des Blitzes und der Elektricitaͤt entdeckt war, durch eine ſcheinbare Aehnlichkeit irre fuͤhren laſſen, ohne zu unterſuchen, wodurch die Wolken ſo ſtark poſitiv oder negativ werden, und dieſen erzwungenen Zuſtand mitten unter andern Wolken, und durch dieſe oder den Regen mit dem Boden verbunden, ſo lange behalten koͤnnen. Indeſſen befriedigte man ſich mit dieſer ſchmeichelhaften Vorſtellung, und dadurch ward die Meinung von einer Elektriſirung der Wolken, welche dem Elektriſiren bey unſern Verſuchen aͤhnlich ſey, befeſtiget, und man ließ ſich lange Zeit nicht einmal einen Zweifel dagegen beyfallen. Eine ſorgfaͤltigere Erwaͤgung der Umſtaͤnde aber fuͤhrt ganz natuͤrlich auf den Gedanken, daß vor Entladung des Blitzes die Menge elektriſcher Fluͤßigkeit, welche ihn bildet, als ſolche, weder in der Wolke, noch ſonſt wo, hat vorhanden ſeyn koͤnnen, eben ſo wenig, als die fluͤßigen Materien, die ſich aus dem Schießpulver entwickeln, vor der Entzuͤndung deſſelben, als ſolche, darinn exiſtiren.</p> <p>Dieſer Erklaͤrung zufolge laͤßt ſich nach Hrn. <hi rendition="#b">Lampadius</hi> (Verſ. und Beob. uͤber die Elektr. und Waͤrme der Atm. §. 25) der Blitz, ſo ſonderbar auch dieſes klingen mag, mit dem Papinianiſchen Digeſtor vergleichen. In dieſem wird eine Menge ſehr heißer und elaſtiſcher Daͤmpfe erzeugt und durch den Druck zuſammengehalten; uͤberwinden dieſe den Druck, oder werden ſie ſchnell in Freyheit geſetzt, ſo zerſetzen ſie ſich, indem ſie an der Decke neuen Widerſtand erleiden. Nach und nach, aber nur langſam, wuͤrde ſich das freye Waſſer wieder mit neuem Feuer zu Dampf verbinden. Eben ſo wird bey dem Gewitter eine große Menge elektriſches Fluidum erzeugt, welches an der Luft, als einem Nichtleiter, Widerſtand findet, und ſich auf einen Augenblick zerſetzt. In dieſem Augenblicke ſehen wir den Blitz, oder das aus dem zerſetzten elektriſchen Fluidum frey werdende Licht.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [570/0582]
der dieſen ungeheuren Vorrath in einen Nebel zuſammendraͤngt, welcher noch uͤberdieſes durch einen Platzregen mit der Erde in leitender Verbindung ſteht? Was beſtimmt dieſen Vorrath, ſich zu entladen, und zwar nicht auf einmal, ſondern in ſo vielfach wiederholten Exploſionen?
Man hat ſich, ſagt Herr de Luc, als die Identitaͤt des Blitzes und der Elektricitaͤt entdeckt war, durch eine ſcheinbare Aehnlichkeit irre fuͤhren laſſen, ohne zu unterſuchen, wodurch die Wolken ſo ſtark poſitiv oder negativ werden, und dieſen erzwungenen Zuſtand mitten unter andern Wolken, und durch dieſe oder den Regen mit dem Boden verbunden, ſo lange behalten koͤnnen. Indeſſen befriedigte man ſich mit dieſer ſchmeichelhaften Vorſtellung, und dadurch ward die Meinung von einer Elektriſirung der Wolken, welche dem Elektriſiren bey unſern Verſuchen aͤhnlich ſey, befeſtiget, und man ließ ſich lange Zeit nicht einmal einen Zweifel dagegen beyfallen. Eine ſorgfaͤltigere Erwaͤgung der Umſtaͤnde aber fuͤhrt ganz natuͤrlich auf den Gedanken, daß vor Entladung des Blitzes die Menge elektriſcher Fluͤßigkeit, welche ihn bildet, als ſolche, weder in der Wolke, noch ſonſt wo, hat vorhanden ſeyn koͤnnen, eben ſo wenig, als die fluͤßigen Materien, die ſich aus dem Schießpulver entwickeln, vor der Entzuͤndung deſſelben, als ſolche, darinn exiſtiren.
Dieſer Erklaͤrung zufolge laͤßt ſich nach Hrn. Lampadius (Verſ. und Beob. uͤber die Elektr. und Waͤrme der Atm. §. 25) der Blitz, ſo ſonderbar auch dieſes klingen mag, mit dem Papinianiſchen Digeſtor vergleichen. In dieſem wird eine Menge ſehr heißer und elaſtiſcher Daͤmpfe erzeugt und durch den Druck zuſammengehalten; uͤberwinden dieſe den Druck, oder werden ſie ſchnell in Freyheit geſetzt, ſo zerſetzen ſie ſich, indem ſie an der Decke neuen Widerſtand erleiden. Nach und nach, aber nur langſam, wuͤrde ſich das freye Waſſer wieder mit neuem Feuer zu Dampf verbinden. Eben ſo wird bey dem Gewitter eine große Menge elektriſches Fluidum erzeugt, welches an der Luft, als einem Nichtleiter, Widerſtand findet, und ſich auf einen Augenblick zerſetzt. In dieſem Augenblicke ſehen wir den Blitz, oder das aus dem zerſetzten elektriſchen Fluidum frey werdende Licht.
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