Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Verdünstung übergienge, und ihre Rückkehr zum Boden statt fände, wenn sich die Dünste wieder in Wasser verwandein, so müßte es immer bey allen starken und plötzlichen Regengüssen Donnerwetter geben. Denn bey der schnellen Bildung des Wassers, in welcher solche Regengüsse den Gewitterschauern völlig ähnlich sind, müßte sich das elektrische Fluidum eben so häufig entbinden: nun giebt es aber immer häufigere Platzregen ohne Gewitter, als mit solchen. Auch müßte jeder Regen sehr merkliche Zeichen positiver Elektricität geben, welches doch nicht geschieht. Noch mehr, es müßte jedes Gewitter immer vom Regen begleitet seyn, weil nur zur Zeit des Regens allein der Wasserdunst zu Wasser wird: nun donnert es aber sehr oft in Gewölken, welche vielmehr durch Vermehrung der Dünste sich verdichten, ohne daß ein Tropfen Wasser herausfällt. Endlich, wenn der Regen selbst nur durch Dünste erklärt werden kan, welche vor der Bildung des Gewölks in der Luft zugegen waren, so kan sich die Quelle des elektrischen Fluidums, das sich in einigem Gewölke offenbaret, nicht in den Dünsten finden. Diese Gründe benehmen dem angeführten System viel von seiner Wahrscheinlichkeit, obgleich Hr. Volta dasselbe darum noch nicht aufgegeben hat.

Ich habe endlich im Artikel S. 33 die Luftelektricität als die ganz unstreitige Ursache der Gewitterelektricität angegeben, und von jener behauptet, daß sie sich den Wolken mittheile, und sich in ihnen, als isolirten Leitern, anhäufe. Freylich zweifelte damals Niemand hieran; man glaubte sich ganz im Besitze einer unumstößlichen Causalerklärung der Gewitter, indem man entweder eine elektrische Wolke gegen eine unelektrisirte, oder zwey auf entgegengesetzte Art elektrisirte Wolken gegen einander, oder endlich die Wolke und Erdfläche unter einander Funken schlagen, oder Blitze schleudern ließ, so lange, bis entweder das Gleichgewicht der Elektricitäten hergestellt, oder die Wolke selbst im Regen herabgefallen war. Diese Vorstellungsart passet vortreflich zu den Versuchen, welche sich mit den geladenen Conductoren unserer Elektrisirmaschinen anstellen lassen, und man hat sie daher aufs innigste mit allem dem verwebt, was bisher über Gewitter, Blitz, Ableitung u. dgl. experimentirt und vorgetragen


Verduͤnſtung uͤbergienge, und ihre Ruͤckkehr zum Boden ſtatt faͤnde, wenn ſich die Duͤnſte wieder in Waſſer verwandein, ſo muͤßte es immer bey allen ſtarken und ploͤtzlichen Regenguͤſſen Donnerwetter geben. Denn bey der ſchnellen Bildung des Waſſers, in welcher ſolche Regenguͤſſe den Gewitterſchauern voͤllig aͤhnlich ſind, muͤßte ſich das elektriſche Fluidum eben ſo haͤufig entbinden: nun giebt es aber immer haͤufigere Platzregen ohne Gewitter, als mit ſolchen. Auch muͤßte jeder Regen ſehr merkliche Zeichen poſitiver Elektricitaͤt geben, welches doch nicht geſchieht. Noch mehr, es muͤßte jedes Gewitter immer vom Regen begleitet ſeyn, weil nur zur Zeit des Regens allein der Waſſerdunſt zu Waſſer wird: nun donnert es aber ſehr oft in Gewoͤlken, welche vielmehr durch Vermehrung der Duͤnſte ſich verdichten, ohne daß ein Tropfen Waſſer herausfaͤllt. Endlich, wenn der Regen ſelbſt nur durch Duͤnſte erklaͤrt werden kan, welche vor der Bildung des Gewoͤlks in der Luft zugegen waren, ſo kan ſich die Quelle des elektriſchen Fluidums, das ſich in einigem Gewoͤlke offenbaret, nicht in den Duͤnſten finden. Dieſe Gruͤnde benehmen dem angefuͤhrten Syſtem viel von ſeiner Wahrſcheinlichkeit, obgleich Hr. Volta daſſelbe darum noch nicht aufgegeben hat.

Ich habe endlich im Artikel S. 33 die Luftelektricitaͤt als die ganz unſtreitige Urſache der Gewitterelektricitaͤt angegeben, und von jener behauptet, daß ſie ſich den Wolken mittheile, und ſich in ihnen, als iſolirten Leitern, anhaͤufe. Freylich zweifelte damals Niemand hieran; man glaubte ſich ganz im Beſitze einer unumſtoͤßlichen Cauſalerklaͤrung der Gewitter, indem man entweder eine elektriſche Wolke gegen eine unelektriſirte, oder zwey auf entgegengeſetzte Art elektriſirte Wolken gegen einander, oder endlich die Wolke und Erdflaͤche unter einander Funken ſchlagen, oder Blitze ſchleudern ließ, ſo lange, bis entweder das Gleichgewicht der Elektricitaͤten hergeſtellt, oder die Wolke ſelbſt im Regen herabgefallen war. Dieſe Vorſtellungsart paſſet vortreflich zu den Verſuchen, welche ſich mit den geladenen Conductoren unſerer Elektriſirmaſchinen anſtellen laſſen, und man hat ſie daher aufs innigſte mit allem dem verwebt, was bisher uͤber Gewitter, Blitz, Ableitung u. dgl. experimentirt und vorgetragen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0578" xml:id="P.5.566" n="566"/><lb/>
Verdu&#x0364;n&#x017F;tung u&#x0364;bergienge, und ihre Ru&#x0364;ckkehr zum Boden &#x017F;tatt fa&#x0364;nde, wenn &#x017F;ich die Du&#x0364;n&#x017F;te wieder in Wa&#x017F;&#x017F;er verwandein, &#x017F;o mu&#x0364;ßte es immer bey allen &#x017F;tarken und plo&#x0364;tzlichen Regengu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Donnerwetter geben. Denn bey der &#x017F;chnellen Bildung des Wa&#x017F;&#x017F;ers, in welcher &#x017F;olche Regengu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e den Gewitter&#x017F;chauern vo&#x0364;llig a&#x0364;hnlich &#x017F;ind, mu&#x0364;ßte &#x017F;ich das elektri&#x017F;che Fluidum eben &#x017F;o ha&#x0364;ufig entbinden: nun giebt es aber immer ha&#x0364;ufigere Platzregen ohne Gewitter, als mit &#x017F;olchen. Auch mu&#x0364;ßte jeder Regen &#x017F;ehr merkliche Zeichen <hi rendition="#b">po&#x017F;itiver Elektricita&#x0364;t</hi> geben, welches doch nicht ge&#x017F;chieht. Noch mehr, es mu&#x0364;ßte jedes Gewitter immer vom Regen begleitet &#x017F;eyn, weil nur zur Zeit des Regens allein der Wa&#x017F;&#x017F;erdun&#x017F;t zu Wa&#x017F;&#x017F;er wird: nun donnert es aber &#x017F;ehr oft in Gewo&#x0364;lken, welche vielmehr durch Vermehrung der Du&#x0364;n&#x017F;te &#x017F;ich verdichten, ohne daß ein Tropfen Wa&#x017F;&#x017F;er herausfa&#x0364;llt. Endlich, wenn der Regen &#x017F;elb&#x017F;t nur durch Du&#x0364;n&#x017F;te erkla&#x0364;rt werden kan, welche vor der Bildung des Gewo&#x0364;lks in der Luft zugegen waren, &#x017F;o kan &#x017F;ich die Quelle des elektri&#x017F;chen Fluidums, das &#x017F;ich in einigem Gewo&#x0364;lke offenbaret, nicht in den Du&#x0364;n&#x017F;ten finden. Die&#x017F;e Gru&#x0364;nde benehmen dem angefu&#x0364;hrten Sy&#x017F;tem viel von &#x017F;einer Wahr&#x017F;cheinlichkeit, obgleich Hr. <hi rendition="#b">Volta</hi> da&#x017F;&#x017F;elbe darum noch nicht aufgegeben hat.</p>
              <p>Ich habe endlich im Artikel S. 33 die Luftelektricita&#x0364;t als die ganz un&#x017F;treitige Ur&#x017F;ache der <hi rendition="#b">Gewitterelektricita&#x0364;t</hi> angegeben, und von jener behauptet, daß &#x017F;ie &#x017F;ich den Wolken mittheile, und &#x017F;ich in ihnen, als i&#x017F;olirten Leitern, anha&#x0364;ufe. Freylich zweifelte damals Niemand hieran; man glaubte &#x017F;ich ganz im Be&#x017F;itze einer unum&#x017F;to&#x0364;ßlichen Cau&#x017F;alerkla&#x0364;rung der Gewitter, indem man entweder eine elektri&#x017F;che Wolke gegen eine unelektri&#x017F;irte, oder zwey auf entgegenge&#x017F;etzte Art elektri&#x017F;irte Wolken gegen einander, oder endlich die Wolke und Erdfla&#x0364;che unter einander Funken &#x017F;chlagen, oder Blitze &#x017F;chleudern ließ, &#x017F;o lange, bis entweder das Gleichgewicht der Elektricita&#x0364;ten herge&#x017F;tellt, oder die Wolke &#x017F;elb&#x017F;t im Regen herabgefallen war. Die&#x017F;e Vor&#x017F;tellungsart pa&#x017F;&#x017F;et vortreflich zu den Ver&#x017F;uchen, welche &#x017F;ich mit den geladenen Conductoren un&#x017F;erer Elektri&#x017F;irma&#x017F;chinen an&#x017F;tellen la&#x017F;&#x017F;en, und man hat &#x017F;ie daher aufs innig&#x017F;te mit allem dem verwebt, was bisher u&#x0364;ber Gewitter, Blitz, Ableitung u. dgl. experimentirt und vorgetragen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[566/0578] Verduͤnſtung uͤbergienge, und ihre Ruͤckkehr zum Boden ſtatt faͤnde, wenn ſich die Duͤnſte wieder in Waſſer verwandein, ſo muͤßte es immer bey allen ſtarken und ploͤtzlichen Regenguͤſſen Donnerwetter geben. Denn bey der ſchnellen Bildung des Waſſers, in welcher ſolche Regenguͤſſe den Gewitterſchauern voͤllig aͤhnlich ſind, muͤßte ſich das elektriſche Fluidum eben ſo haͤufig entbinden: nun giebt es aber immer haͤufigere Platzregen ohne Gewitter, als mit ſolchen. Auch muͤßte jeder Regen ſehr merkliche Zeichen poſitiver Elektricitaͤt geben, welches doch nicht geſchieht. Noch mehr, es muͤßte jedes Gewitter immer vom Regen begleitet ſeyn, weil nur zur Zeit des Regens allein der Waſſerdunſt zu Waſſer wird: nun donnert es aber ſehr oft in Gewoͤlken, welche vielmehr durch Vermehrung der Duͤnſte ſich verdichten, ohne daß ein Tropfen Waſſer herausfaͤllt. Endlich, wenn der Regen ſelbſt nur durch Duͤnſte erklaͤrt werden kan, welche vor der Bildung des Gewoͤlks in der Luft zugegen waren, ſo kan ſich die Quelle des elektriſchen Fluidums, das ſich in einigem Gewoͤlke offenbaret, nicht in den Duͤnſten finden. Dieſe Gruͤnde benehmen dem angefuͤhrten Syſtem viel von ſeiner Wahrſcheinlichkeit, obgleich Hr. Volta daſſelbe darum noch nicht aufgegeben hat. Ich habe endlich im Artikel S. 33 die Luftelektricitaͤt als die ganz unſtreitige Urſache der Gewitterelektricitaͤt angegeben, und von jener behauptet, daß ſie ſich den Wolken mittheile, und ſich in ihnen, als iſolirten Leitern, anhaͤufe. Freylich zweifelte damals Niemand hieran; man glaubte ſich ganz im Beſitze einer unumſtoͤßlichen Cauſalerklaͤrung der Gewitter, indem man entweder eine elektriſche Wolke gegen eine unelektriſirte, oder zwey auf entgegengeſetzte Art elektriſirte Wolken gegen einander, oder endlich die Wolke und Erdflaͤche unter einander Funken ſchlagen, oder Blitze ſchleudern ließ, ſo lange, bis entweder das Gleichgewicht der Elektricitaͤten hergeſtellt, oder die Wolke ſelbſt im Regen herabgefallen war. Dieſe Vorſtellungsart paſſet vortreflich zu den Verſuchen, welche ſich mit den geladenen Conductoren unſerer Elektriſirmaſchinen anſtellen laſſen, und man hat ſie daher aufs innigſte mit allem dem verwebt, was bisher uͤber Gewitter, Blitz, Ableitung u. dgl. experimentirt und vorgetragen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/578
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/578>, abgerufen am 22.11.2024.