Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Auch die Engländer, insbesondere D. Priestley, Kirwan, Black, setzten den Erklärungen der Antiphlogistiker wichtige Zweifel entgegen, welche vornehmlich die Natur des Schwefels, der Kohle, der Metallkalke und des Wassers betrafen. Kirwan vertheidigte die Präexistenz der Säure im Schwefel und der Kohle: man findet seine Einwürfe bey Girtanner (Kap. 17 und 20.), in der Kürze zusammengestellt. Von den deutschen Chemisten ward die neue Lehre mit Kälte, und selbst mit Geringschätzung aufgenommen; zum Theil vielleicht, wie Hr. Lichtenberg vermuthet, wegen des Charakters der Nation, von der sie herkam, und wegen des kleinlichen Triumphs, den man sich über das alte System erlaubte. Madame Lavoisier, als Priesterin gekleidet, verbrannte Stahls Phlogiston in einer feyerlichen Versammlung. Wäre Newton fähig gewesen, so kindisch über die Cartesianischen Wirbel zu triumphiren, so wäre er schwerlich der Mann gewesen, der die Principia schreiben konnte. Hiezu kam die gewaltsame Umänderung der chemischen Sprache; eine Revolution, die nothwendig Unwillen erregen mußte, da sie großentheils auf bloße Hypothesen gegründet war. Mehrere Chemiker vom ersten Range bestritten die antiphlogistische Theorie von verschiedenen Seiten, vornehmlich aber durch Läugnung einiger der vorzüglichsten Thatsachen, die ihr zum Grunde gelegt waren. Man setzte denselben eigne Versuche entgegen, wovon die Resultate ganz anders auszufallen schienen. Herr Gren, der schon vorher in einer eignen Dissertation (De genesi aeris fixi et phlogisticati. Halae, 1786. 4.) von der Entstehung der Luftsäure und der Stickluft ganz andere Erklärungen gegeben, und dieselben mit Versuchen bestärkt hatte, trug eine zahlreiche Menge von Zweifeln und Gegengründen sowohl in seinem
Auch die Englaͤnder, insbeſondere D. Prieſtley, Kirwan, Black, ſetzten den Erklaͤrungen der Antiphlogiſtiker wichtige Zweifel entgegen, welche vornehmlich die Natur des Schwefels, der Kohle, der Metallkalke und des Waſſers betrafen. Kirwan vertheidigte die Praͤexiſtenz der Saͤure im Schwefel und der Kohle: man findet ſeine Einwuͤrfe bey Girtanner (Kap. 17 und 20.), in der Kuͤrze zuſammengeſtellt. Von den deutſchen Chemiſten ward die neue Lehre mit Kaͤlte, und ſelbſt mit Geringſchaͤtzung aufgenommen; zum Theil vielleicht, wie Hr. Lichtenberg vermuthet, wegen des Charakters der Nation, von der ſie herkam, und wegen des kleinlichen Triumphs, den man ſich uͤber das alte Syſtem erlaubte. Madame Lavoiſier, als Prieſterin gekleidet, verbrannte Stahls Phlogiſton in einer feyerlichen Verſammlung. Waͤre Newton faͤhig geweſen, ſo kindiſch uͤber die Carteſianiſchen Wirbel zu triumphiren, ſo waͤre er ſchwerlich der Mann geweſen, der die Principia ſchreiben konnte. Hiezu kam die gewaltſame Umaͤnderung der chemiſchen Sprache; eine Revolution, die nothwendig Unwillen erregen mußte, da ſie großentheils auf bloße Hypotheſen gegruͤndet war. Mehrere Chemiker vom erſten Range beſtritten die antiphlogiſtiſche Theorie von verſchiedenen Seiten, vornehmlich aber durch Laͤugnung einiger der vorzuͤglichſten Thatſachen, die ihr zum Grunde gelegt waren. Man ſetzte denſelben eigne Verſuche entgegen, wovon die Reſultate ganz anders auszufallen ſchienen. Herr Gren, der ſchon vorher in einer eignen Diſſertation (De geneſi aëris fixi et phlogiſticati. Halae, 1786. 4.) von der Entſtehung der Luftſaͤure und der Stickluft ganz andere Erklaͤrungen gegeben, und dieſelben mit Verſuchen beſtaͤrkt hatte, trug eine zahlreiche Menge von Zweifeln und Gegengruͤnden ſowohl in ſeinem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0053" xml:id="P.5.41" n="41"/><lb/> des Waſſers, und damit auch die von Oxygen und Hydrogen verlaſſen werden. Der Brief an <hi rendition="#b">Fourcroy</hi> enthaͤlt noch ſtrengern Tadel, und behauptet, da es unmoͤglich ſey, den Regen aus der Feuchtigkeit der Luft zu erklaͤren, ſo muͤſſe das Waſſer von einer Zerſetzung der atmoſphaͤriſchen Luft herruͤhren, und mithin eine Baſis derſelben ausmachen.</p> <p>Auch die Englaͤnder, insbeſondere D. <hi rendition="#b">Prieſtley, Kirwan, Black,</hi> ſetzten den Erklaͤrungen der Antiphlogiſtiker wichtige Zweifel entgegen, welche vornehmlich die Natur des Schwefels, der Kohle, der Metallkalke und des Waſſers betrafen. <hi rendition="#b">Kirwan</hi> vertheidigte die Praͤexiſtenz der Saͤure im Schwefel und der Kohle: man findet ſeine Einwuͤrfe bey <hi rendition="#b">Girtanner</hi> (Kap. 17 und 20.), in der Kuͤrze zuſammengeſtellt.</p> <p>Von den deutſchen Chemiſten ward die neue Lehre mit Kaͤlte, und ſelbſt mit Geringſchaͤtzung aufgenommen; zum Theil vielleicht, wie Hr. <hi rendition="#b">Lichtenberg</hi> vermuthet, wegen des Charakters der Nation, von der ſie herkam, und wegen des kleinlichen Triumphs, den man ſich uͤber das alte Syſtem erlaubte. Madame <hi rendition="#b">Lavoiſier,</hi> als Prieſterin gekleidet, verbrannte Stahls <hi rendition="#b">Phlogiſton</hi> in einer feyerlichen Verſammlung. Waͤre <hi rendition="#b">Newton</hi> faͤhig geweſen, ſo kindiſch uͤber die Carteſianiſchen Wirbel zu triumphiren, ſo waͤre er ſchwerlich der Mann geweſen, der die <hi rendition="#aq">Principia</hi> ſchreiben konnte. Hiezu kam die gewaltſame Umaͤnderung der chemiſchen Sprache; eine Revolution, die nothwendig Unwillen erregen mußte, da ſie großentheils auf bloße Hypotheſen gegruͤndet war.</p> <p>Mehrere Chemiker vom erſten Range beſtritten die antiphlogiſtiſche Theorie von verſchiedenen Seiten, vornehmlich aber durch Laͤugnung einiger der vorzuͤglichſten Thatſachen, die ihr zum Grunde gelegt waren. Man ſetzte denſelben eigne Verſuche entgegen, wovon die Reſultate ganz anders auszufallen ſchienen. Herr <hi rendition="#b">Gren,</hi> der ſchon vorher in einer eignen Diſſertation <hi rendition="#aq">(De geneſi aëris fixi et phlogiſticati. Halae, 1786. 4.)</hi> von der Entſtehung der Luftſaͤure und der Stickluft ganz andere Erklaͤrungen gegeben, und dieſelben mit Verſuchen beſtaͤrkt hatte, trug eine zahlreiche Menge von Zweifeln und Gegengruͤnden ſowohl in ſeinem<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0053]
des Waſſers, und damit auch die von Oxygen und Hydrogen verlaſſen werden. Der Brief an Fourcroy enthaͤlt noch ſtrengern Tadel, und behauptet, da es unmoͤglich ſey, den Regen aus der Feuchtigkeit der Luft zu erklaͤren, ſo muͤſſe das Waſſer von einer Zerſetzung der atmoſphaͤriſchen Luft herruͤhren, und mithin eine Baſis derſelben ausmachen.
Auch die Englaͤnder, insbeſondere D. Prieſtley, Kirwan, Black, ſetzten den Erklaͤrungen der Antiphlogiſtiker wichtige Zweifel entgegen, welche vornehmlich die Natur des Schwefels, der Kohle, der Metallkalke und des Waſſers betrafen. Kirwan vertheidigte die Praͤexiſtenz der Saͤure im Schwefel und der Kohle: man findet ſeine Einwuͤrfe bey Girtanner (Kap. 17 und 20.), in der Kuͤrze zuſammengeſtellt.
Von den deutſchen Chemiſten ward die neue Lehre mit Kaͤlte, und ſelbſt mit Geringſchaͤtzung aufgenommen; zum Theil vielleicht, wie Hr. Lichtenberg vermuthet, wegen des Charakters der Nation, von der ſie herkam, und wegen des kleinlichen Triumphs, den man ſich uͤber das alte Syſtem erlaubte. Madame Lavoiſier, als Prieſterin gekleidet, verbrannte Stahls Phlogiſton in einer feyerlichen Verſammlung. Waͤre Newton faͤhig geweſen, ſo kindiſch uͤber die Carteſianiſchen Wirbel zu triumphiren, ſo waͤre er ſchwerlich der Mann geweſen, der die Principia ſchreiben konnte. Hiezu kam die gewaltſame Umaͤnderung der chemiſchen Sprache; eine Revolution, die nothwendig Unwillen erregen mußte, da ſie großentheils auf bloße Hypotheſen gegruͤndet war.
Mehrere Chemiker vom erſten Range beſtritten die antiphlogiſtiſche Theorie von verſchiedenen Seiten, vornehmlich aber durch Laͤugnung einiger der vorzuͤglichſten Thatſachen, die ihr zum Grunde gelegt waren. Man ſetzte denſelben eigne Verſuche entgegen, wovon die Reſultate ganz anders auszufallen ſchienen. Herr Gren, der ſchon vorher in einer eignen Diſſertation (De geneſi aëris fixi et phlogiſticati. Halae, 1786. 4.) von der Entſtehung der Luftſaͤure und der Stickluft ganz andere Erklaͤrungen gegeben, und dieſelben mit Verſuchen beſtaͤrkt hatte, trug eine zahlreiche Menge von Zweifeln und Gegengruͤnden ſowohl in ſeinem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |