Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Allein die Herren Paets van Troostwyck und Deiman (Recherches physico - chemiques. Mem. 2. Amst. 1793) haben in der That gefunden, daß diese Luftart eher noch irrespirabler und phlogistischer ist, oder nach der Sprache des neuen Systems weniger Oxygen enthält, als die gemeine Salpeterluft. Sie nennen sie daher Oxide gaseux d'azote. Sie erhielten sie aus Zinn und Zink durch diluirte Salpetersäure. Vögel starben darinn in 15 Secunden; dennoch brannten Lichter recht gut in ihr, Phosphor aber nicht. Ist diese Luftart rein, so wird sie weder durch dephlogistisirte, noch durch atmosphärische, noch durch gemeine Salpeterluft vermindert (s. Lichtenberg in Erxlebens Naturl. 6te Aufl. 1794. S. 213.). Eben diese Luftart scheint es gewesen zu seyn, welche Hr. Hermbstädt (Lavoisier's System der antiphlog. Chemie, I. Band, Zusatz S. 303.) aus einer Auflösung von geraspeltem Zinn in einer etwas starken Salpetersäure erhielt, wenn er, da die ganze Flüßigkeit schon zu einer breyartigen Masse geworden war, immer mehr Zinn hineinwarf. Er glaubte dadurch den ganzen Sauerstoff zu erschöpfen, und da keine Spur von nitröser Luft zu bemerken war, und sich demohnerachtet noch viel Gas entwickelte, so erwartete er zuversichtlich in der Flasche des Apparats Stickgas zu finden. Allein ein hineingebrachtes Licht loderte vielmehr schneller auf, und ein glimmendes Papier entbrannte völlig. Hr. Hermbstädt glaubt sich überzeugt zu haben, daß es wirklich Sauerstoffgas gewesen sey; er meldet aber nicht, durch welche Proben er sich dessen versichert habe, und bekennt übrigens, daß er dieses räthselhafte Phänomen weder nach Stahls, noch nach Lavoisier's Theorie zu erklären wisse. Er fragt, ob vielleicht durch die Wärme, die jedesmal beym Einbringen frischen Zinnes entstand, aus dem schon orydirten Zinn ein Theil Sauerstoff entwickelt, und dadurch Lebensluft sey erzeugt worden? Nach den Versuchen der holländischen Gelehrten ließe sich eher vermuthen, es habe an Sauerstoff gemangelt,
Allein die Herren Paets van Trooſtwyck und Deiman (Recherches phyſico - chemiques. Mem. 2. Amſt. 1793) haben in der That gefunden, daß dieſe Luftart eher noch irreſpirabler und phlogiſtiſcher iſt, oder nach der Sprache des neuen Syſtems weniger Oxygen enthaͤlt, als die gemeine Salpeterluft. Sie nennen ſie daher Oxide gaſeux d'azote. Sie erhielten ſie aus Zinn und Zink durch diluirte Salpeterſaͤure. Voͤgel ſtarben darinn in 15 Secunden; dennoch brannten Lichter recht gut in ihr, Phosphor aber nicht. Iſt dieſe Luftart rein, ſo wird ſie weder durch dephlogiſtiſirte, noch durch atmoſphaͤriſche, noch durch gemeine Salpeterluft vermindert (ſ. Lichtenberg in Erxlebens Naturl. 6te Aufl. 1794. S. 213.). Eben dieſe Luftart ſcheint es geweſen zu ſeyn, welche Hr. Hermbſtaͤdt (Lavoiſier's Syſtem der antiphlog. Chemie, I. Band, Zuſatz S. 303.) aus einer Aufloͤſung von geraſpeltem Zinn in einer etwas ſtarken Salpeterſaͤure erhielt, wenn er, da die ganze Fluͤßigkeit ſchon zu einer breyartigen Maſſe geworden war, immer mehr Zinn hineinwarf. Er glaubte dadurch den ganzen Sauerſtoff zu erſchoͤpfen, und da keine Spur von nitroͤſer Luft zu bemerken war, und ſich demohnerachtet noch viel Gas entwickelte, ſo erwartete er zuverſichtlich in der Flaſche des Apparats Stickgas zu finden. Allein ein hineingebrachtes Licht loderte vielmehr ſchneller auf, und ein glimmendes Papier entbrannte voͤllig. Hr. Hermbſtaͤdt glaubt ſich uͤberzeugt zu haben, daß es wirklich Sauerſtoffgas geweſen ſey; er meldet aber nicht, durch welche Proben er ſich deſſen verſichert habe, und bekennt uͤbrigens, daß er dieſes raͤthſelhafte Phaͤnomen weder nach Stahls, noch nach Lavoiſier's Theorie zu erklaͤren wiſſe. Er fragt, ob vielleicht durch die Waͤrme, die jedesmal beym Einbringen friſchen Zinnes entſtand, aus dem ſchon orydirten Zinn ein Theil Sauerſtoff entwickelt, und dadurch Lebensluft ſey erzeugt worden? Nach den Verſuchen der hollaͤndiſchen Gelehrten ließe ſich eher vermuthen, es habe an Sauerſtoff gemangelt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0476" xml:id="P.5.464" n="464"/><lb/> Prieſtley dephlogiſtirt, und der Analogie nach ſollte ihr antiphlogiſtiſcher Name <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Gaz nitreux oxygèné</hi></hi> oder <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Gaz nitrique</hi></hi> ſeyn.</p> <p>Allein die Herren <hi rendition="#b">Paets van Trooſtwyck</hi> und <hi rendition="#b">Deiman</hi> <hi rendition="#aq">(Recherches phyſico - chemiques. Mem. 2. Amſt. 1793)</hi> haben in der That gefunden, daß dieſe Luftart eher noch irreſpirabler und phlogiſtiſcher iſt, oder nach der Sprache des neuen Syſtems <hi rendition="#b">weniger Oxygen</hi> enthaͤlt, als die gemeine Salpeterluft. Sie nennen ſie daher <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Oxide gaſeux d'azote.</hi></hi> Sie erhielten ſie aus Zinn und Zink durch diluirte Salpeterſaͤure. Voͤgel ſtarben darinn in 15 Secunden; dennoch brannten Lichter recht gut in ihr, Phosphor aber nicht. Iſt dieſe Luftart rein, ſo wird ſie weder durch dephlogiſtiſirte, noch durch atmoſphaͤriſche, noch durch gemeine Salpeterluft vermindert (ſ. <hi rendition="#b">Lichtenberg</hi> in Erxlebens Naturl. 6te Aufl. 1794. S. 213.).</p> <p>Eben dieſe Luftart ſcheint es geweſen zu ſeyn, welche Hr. <hi rendition="#b">Hermbſtaͤdt</hi> (Lavoiſier's Syſtem der antiphlog. Chemie, <hi rendition="#aq">I.</hi> Band, Zuſatz S. 303.) aus einer Aufloͤſung von geraſpeltem Zinn in einer etwas ſtarken Salpeterſaͤure erhielt, wenn er, da die ganze Fluͤßigkeit ſchon zu einer breyartigen Maſſe geworden war, immer mehr Zinn hineinwarf. Er glaubte dadurch den ganzen Sauerſtoff zu erſchoͤpfen, und da keine Spur von nitroͤſer Luft zu bemerken war, und ſich demohnerachtet noch viel Gas entwickelte, ſo erwartete er zuverſichtlich in der Flaſche des Apparats Stickgas zu finden. Allein ein hineingebrachtes Licht loderte vielmehr ſchneller auf, und ein glimmendes Papier entbrannte voͤllig. Hr. <hi rendition="#b">Hermbſtaͤdt</hi> glaubt ſich uͤberzeugt zu haben, daß es wirklich Sauerſtoffgas geweſen ſey; er meldet aber nicht, durch welche Proben er ſich deſſen verſichert habe, und bekennt uͤbrigens, daß er dieſes raͤthſelhafte Phaͤnomen weder nach Stahls, noch nach Lavoiſier's Theorie zu erklaͤren wiſſe. Er fragt, ob vielleicht durch die Waͤrme, die jedesmal beym Einbringen friſchen Zinnes entſtand, aus dem ſchon orydirten Zinn ein Theil Sauerſtoff entwickelt, und dadurch Lebensluft ſey erzeugt worden? Nach den Verſuchen der hollaͤndiſchen Gelehrten ließe ſich eher vermuthen, es habe an Sauerſtoff gemangelt,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [464/0476]
Prieſtley dephlogiſtirt, und der Analogie nach ſollte ihr antiphlogiſtiſcher Name Gaz nitreux oxygèné oder Gaz nitrique ſeyn.
Allein die Herren Paets van Trooſtwyck und Deiman (Recherches phyſico - chemiques. Mem. 2. Amſt. 1793) haben in der That gefunden, daß dieſe Luftart eher noch irreſpirabler und phlogiſtiſcher iſt, oder nach der Sprache des neuen Syſtems weniger Oxygen enthaͤlt, als die gemeine Salpeterluft. Sie nennen ſie daher Oxide gaſeux d'azote. Sie erhielten ſie aus Zinn und Zink durch diluirte Salpeterſaͤure. Voͤgel ſtarben darinn in 15 Secunden; dennoch brannten Lichter recht gut in ihr, Phosphor aber nicht. Iſt dieſe Luftart rein, ſo wird ſie weder durch dephlogiſtiſirte, noch durch atmoſphaͤriſche, noch durch gemeine Salpeterluft vermindert (ſ. Lichtenberg in Erxlebens Naturl. 6te Aufl. 1794. S. 213.).
Eben dieſe Luftart ſcheint es geweſen zu ſeyn, welche Hr. Hermbſtaͤdt (Lavoiſier's Syſtem der antiphlog. Chemie, I. Band, Zuſatz S. 303.) aus einer Aufloͤſung von geraſpeltem Zinn in einer etwas ſtarken Salpeterſaͤure erhielt, wenn er, da die ganze Fluͤßigkeit ſchon zu einer breyartigen Maſſe geworden war, immer mehr Zinn hineinwarf. Er glaubte dadurch den ganzen Sauerſtoff zu erſchoͤpfen, und da keine Spur von nitroͤſer Luft zu bemerken war, und ſich demohnerachtet noch viel Gas entwickelte, ſo erwartete er zuverſichtlich in der Flaſche des Apparats Stickgas zu finden. Allein ein hineingebrachtes Licht loderte vielmehr ſchneller auf, und ein glimmendes Papier entbrannte voͤllig. Hr. Hermbſtaͤdt glaubt ſich uͤberzeugt zu haben, daß es wirklich Sauerſtoffgas geweſen ſey; er meldet aber nicht, durch welche Proben er ſich deſſen verſichert habe, und bekennt uͤbrigens, daß er dieſes raͤthſelhafte Phaͤnomen weder nach Stahls, noch nach Lavoiſier's Theorie zu erklaͤren wiſſe. Er fragt, ob vielleicht durch die Waͤrme, die jedesmal beym Einbringen friſchen Zinnes entſtand, aus dem ſchon orydirten Zinn ein Theil Sauerſtoff entwickelt, und dadurch Lebensluft ſey erzeugt worden? Nach den Verſuchen der hollaͤndiſchen Gelehrten ließe ſich eher vermuthen, es habe an Sauerſtoff gemangelt,
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