Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


durch welche das Meer sein ehemaliges Bette verließ, und das jetzige feste Land aufs Trockne kam, welchen Zeitpunkt aber die bis hieher erschienenen vier Briefe des V. noch nicht erreichen.

Whitehurst (Inquiry into the original state and form of the Earth. London, 1778. 2. ed. 1786. 4. übetsetzt mit Zus. u. Anm. Leipz. 1788. 8.) nimmt an, die Erde sey ursprünglich ein flüßiges Chaos aus Wasser und den fein zertheilten Stoffen aller Körper gewesen, aus welchem sich Luft und Wasser vermöge ihrer geringern Schwere zuerst geschieden hätten. Das Niedersinken der festen Theile geschahe ungleichförmig wegen der Wirkung der Sonne und des Monds, oder wegen der Ebbe und Fluth, die auch die ersten <*>ln bildete. Aber die dadurch entstandenen Ungleichheiten und Hügel können nicht über 50 Fuß hoch gewesen seyn. In der Folge entwickelte sich im innern verdichteten Theile das unterirdische Feuer, dehnte die Erdschichten aus, hob den Meergrund empor, und durchbrach ihn endlich so, daß zwischen dem Feuerheerde und dem Wasser eine Gemeinschaft eröfnet ward. Hierdurch ward die Gewalt der Explosionen vermehrt, die emporgeschleuderten Bruchstücke thürmten sich über einander, und bildeten unsere hohen Gebirge. Dagegen wurden in der Tiefe unermeßliche Schlünde eröfnet, in die sich das Meer zurückzog, und so unser festes Land, den ehemaligen Meergrund aufs Trockne brachte. Diese Revolution, welche Whitehurst für die Sündfluth hält, machte große Veränderungen in der Temperatur der Luft, woraus der Unterschied des antediluvianischen Zustandes der Erde von dem jetzigen begreiflich wird. Dieser Schriftsteller braucht als Stützen seines Systems eine große Menge Thatsachen, die er mit vielem Fleiße gesammelt hat; allein er hat daraus weit mehr gefolgert, als ihm unbefangene Naturforscher zugeben werden, und die gewaltsamen Wirkungen, durch welche er die Sündfluth erklärt, stehen mit den mosaischen Rachrichten davon im offenbarsten Widerspruche.

Nach D. Hutton (Theorie der Erde, a. d. Transact. of the Royal Society of Edinburgh, To. I. P. 1. pag. 209. sqq. übers. in den Sammlungen zur Physik und Naturg.


durch welche das Meer ſein ehemaliges Bette verließ, und das jetzige feſte Land aufs Trockne kam, welchen Zeitpunkt aber die bis hieher erſchienenen vier Briefe des V. noch nicht erreichen.

Whitehurſt (Inquiry into the original ſtate and form of the Earth. London, 1778. 2. ed. 1786. 4. uͤbetſetzt mit Zuſ. u. Anm. Leipz. 1788. 8.) nimmt an, die Erde ſey urſpruͤnglich ein fluͤßiges Chaos aus Waſſer und den fein zertheilten Stoffen aller Koͤrper geweſen, aus welchem ſich Luft und Waſſer vermoͤge ihrer geringern Schwere zuerſt geſchieden haͤtten. Das Niederſinken der feſten Theile geſchahe ungleichfoͤrmig wegen der Wirkung der Sonne und des Monds, oder wegen der Ebbe und Fluth, die auch die erſten <*>ln bildete. Aber die dadurch entſtandenen Ungleichheiten und Huͤgel koͤnnen nicht uͤber 50 Fuß hoch geweſen ſeyn. In der Folge entwickelte ſich im innern verdichteten Theile das unterirdiſche Feuer, dehnte die Erdſchichten aus, hob den Meergrund empor, und durchbrach ihn endlich ſo, daß zwiſchen dem Feuerheerde und dem Waſſer eine Gemeinſchaft eroͤfnet ward. Hierdurch ward die Gewalt der Exploſionen vermehrt, die emporgeſchleuderten Bruchſtuͤcke thuͤrmten ſich uͤber einander, und bildeten unſere hohen Gebirge. Dagegen wurden in der Tiefe unermeßliche Schluͤnde eroͤfnet, in die ſich das Meer zuruͤckzog, und ſo unſer feſtes Land, den ehemaligen Meergrund aufs Trockne brachte. Dieſe Revolution, welche Whitehurſt fuͤr die Suͤndfluth haͤlt, machte große Veraͤnderungen in der Temperatur der Luft, woraus der Unterſchied des antediluvianiſchen Zuſtandes der Erde von dem jetzigen begreiflich wird. Dieſer Schriftſteller braucht als Stuͤtzen ſeines Syſtems eine große Menge Thatſachen, die er mit vielem Fleiße geſammelt hat; allein er hat daraus weit mehr gefolgert, als ihm unbefangene Naturforſcher zugeben werden, und die gewaltſamen Wirkungen, durch welche er die Suͤndfluth erklaͤrt, ſtehen mit den moſaiſchen Rachrichten davon im offenbarſten Widerſpruche.

Nach D. Hutton (Theorie der Erde, a. d. Transact. of the Royal Society of Edinburgh, To. I. P. 1. pag. 209. ſqq. uͤberſ. in den Sammlungen zur Phyſik und Naturg.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0379" xml:id="P.5.367" n="367"/><lb/>
durch welche das Meer &#x017F;ein ehemaliges Bette verließ, und das jetzige fe&#x017F;te Land aufs Trockne kam, welchen Zeitpunkt aber die bis hieher er&#x017F;chienenen vier Briefe des V. noch nicht erreichen.</p>
              <p><hi rendition="#b">Whitehur&#x017F;t</hi><hi rendition="#aq">(Inquiry into the original &#x017F;tate and form of the Earth. London, 1778. 2. ed. 1786. 4.</hi> u&#x0364;bet&#x017F;etzt mit Zu&#x017F;. u. Anm. Leipz. 1788. 8.) nimmt an, die Erde &#x017F;ey ur&#x017F;pru&#x0364;nglich ein flu&#x0364;ßiges Chaos aus Wa&#x017F;&#x017F;er und den fein zertheilten Stoffen aller Ko&#x0364;rper gewe&#x017F;en, aus welchem &#x017F;ich Luft und Wa&#x017F;&#x017F;er vermo&#x0364;ge ihrer geringern Schwere zuer&#x017F;t ge&#x017F;chieden ha&#x0364;tten. Das Nieder&#x017F;inken der fe&#x017F;ten Theile ge&#x017F;chahe ungleichfo&#x0364;rmig wegen der Wirkung der Sonne und des Monds, oder wegen der Ebbe und Fluth, die auch die er&#x017F;ten &lt;*&gt;ln bildete. Aber die dadurch ent&#x017F;tandenen Ungleichheiten und Hu&#x0364;gel ko&#x0364;nnen nicht u&#x0364;ber 50 Fuß hoch gewe&#x017F;en &#x017F;eyn. In der Folge entwickelte &#x017F;ich im innern verdichteten Theile das unterirdi&#x017F;che Feuer, dehnte die Erd&#x017F;chichten aus, hob den Meergrund empor, und durchbrach ihn endlich &#x017F;o, daß zwi&#x017F;chen dem Feuerheerde und dem Wa&#x017F;&#x017F;er eine Gemein&#x017F;chaft ero&#x0364;fnet ward. Hierdurch ward die Gewalt der Explo&#x017F;ionen vermehrt, die emporge&#x017F;chleuderten Bruch&#x017F;tu&#x0364;cke thu&#x0364;rmten &#x017F;ich u&#x0364;ber einander, und bildeten un&#x017F;ere hohen Gebirge. Dagegen wurden in der Tiefe unermeßliche Schlu&#x0364;nde ero&#x0364;fnet, in die &#x017F;ich das Meer zuru&#x0364;ckzog, und &#x017F;o un&#x017F;er fe&#x017F;tes Land, den ehemaligen Meergrund aufs Trockne brachte. Die&#x017F;e Revolution, welche Whitehur&#x017F;t fu&#x0364;r die Su&#x0364;ndfluth ha&#x0364;lt, machte große Vera&#x0364;nderungen in der Temperatur der Luft, woraus der Unter&#x017F;chied des antediluviani&#x017F;chen Zu&#x017F;tandes der Erde von dem jetzigen begreiflich wird. Die&#x017F;er Schrift&#x017F;teller braucht als Stu&#x0364;tzen &#x017F;eines Sy&#x017F;tems eine große Menge That&#x017F;achen, die er mit vielem Fleiße ge&#x017F;ammelt hat; allein er hat daraus weit mehr gefolgert, als ihm unbefangene Naturfor&#x017F;cher zugeben werden, und die gewalt&#x017F;amen Wirkungen, durch welche er die Su&#x0364;ndfluth erkla&#x0364;rt, &#x017F;tehen mit den mo&#x017F;ai&#x017F;chen Rachrichten davon im offenbar&#x017F;ten Wider&#x017F;pruche.</p>
              <p>Nach D. <hi rendition="#b">Hutton</hi> (Theorie der Erde, a. d. <hi rendition="#aq">Transact. of the Royal Society of Edinburgh, To. I. P. 1. pag. 209. &#x017F;qq.</hi> u&#x0364;ber&#x017F;. in den Sammlungen zur Phy&#x017F;ik und Naturg.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0379] durch welche das Meer ſein ehemaliges Bette verließ, und das jetzige feſte Land aufs Trockne kam, welchen Zeitpunkt aber die bis hieher erſchienenen vier Briefe des V. noch nicht erreichen. Whitehurſt (Inquiry into the original ſtate and form of the Earth. London, 1778. 2. ed. 1786. 4. uͤbetſetzt mit Zuſ. u. Anm. Leipz. 1788. 8.) nimmt an, die Erde ſey urſpruͤnglich ein fluͤßiges Chaos aus Waſſer und den fein zertheilten Stoffen aller Koͤrper geweſen, aus welchem ſich Luft und Waſſer vermoͤge ihrer geringern Schwere zuerſt geſchieden haͤtten. Das Niederſinken der feſten Theile geſchahe ungleichfoͤrmig wegen der Wirkung der Sonne und des Monds, oder wegen der Ebbe und Fluth, die auch die erſten <*>ln bildete. Aber die dadurch entſtandenen Ungleichheiten und Huͤgel koͤnnen nicht uͤber 50 Fuß hoch geweſen ſeyn. In der Folge entwickelte ſich im innern verdichteten Theile das unterirdiſche Feuer, dehnte die Erdſchichten aus, hob den Meergrund empor, und durchbrach ihn endlich ſo, daß zwiſchen dem Feuerheerde und dem Waſſer eine Gemeinſchaft eroͤfnet ward. Hierdurch ward die Gewalt der Exploſionen vermehrt, die emporgeſchleuderten Bruchſtuͤcke thuͤrmten ſich uͤber einander, und bildeten unſere hohen Gebirge. Dagegen wurden in der Tiefe unermeßliche Schluͤnde eroͤfnet, in die ſich das Meer zuruͤckzog, und ſo unſer feſtes Land, den ehemaligen Meergrund aufs Trockne brachte. Dieſe Revolution, welche Whitehurſt fuͤr die Suͤndfluth haͤlt, machte große Veraͤnderungen in der Temperatur der Luft, woraus der Unterſchied des antediluvianiſchen Zuſtandes der Erde von dem jetzigen begreiflich wird. Dieſer Schriftſteller braucht als Stuͤtzen ſeines Syſtems eine große Menge Thatſachen, die er mit vielem Fleiße geſammelt hat; allein er hat daraus weit mehr gefolgert, als ihm unbefangene Naturforſcher zugeben werden, und die gewaltſamen Wirkungen, durch welche er die Suͤndfluth erklaͤrt, ſtehen mit den moſaiſchen Rachrichten davon im offenbarſten Widerſpruche. Nach D. Hutton (Theorie der Erde, a. d. Transact. of the Royal Society of Edinburgh, To. I. P. 1. pag. 209. ſqq. uͤberſ. in den Sammlungen zur Phyſik und Naturg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/379
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/379>, abgerufen am 22.11.2024.