Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.Als er auf dem Gipfel angelangt und im Begrif war, seine Versuche anzustellen, fand er sich alle Augenblicke genöthiget, abzusetzen und Athem zu schöpfen. Das Barometer stand nicht höher, als 16 Zoll 1 Lin.; die Luft hatte nicht viel mehr, als die Hälfte ihrer gewöhnlichen Dichtigkeit, und es schien, als müsse dieser Abgang durch die häufigere Wiederholung des Athmens ersetzt werden. Vornehmlich aber war der Blutumlauf äußerst beschleuniget. Des Führers Balmat Puls schlug in der Minute 98mal; der des Hrn. v. S. 100mal, und der seines Bedienten 112mal, da dies zu Chamouni bey eben diesen Personen in der nemlichen Ordnung 49-, 72-, 60mal geschahe. Wenn sich Hr. v. S. ganz still hielt, so spürte er nur ein geringes Uebelbefinden, eine leichte Anwandlung von Herzweh; allein, wenn er sich mit etwas bemühte, oder seine Aufmerksamkeit auf etwas richtete, vornehmlich wenn er sich bückte und die Brust zusammenpreßte, so mußte er jedesmal ausruhen und einige Minuten lang Athem schöpfen. Seine Führer hatten ein ähnliches Gefühl. Der Appetit mangelte ihnen; selbst Wein und Brantewein begehrten sie nicht; auch hatten sie erfahren, daß starke Getränke jenes Uebelbefinden noch mehr vergrößerten, ohne Zweifel, weil sie den Blutumlauf noch mehr beschleunigen. Nur frisches Wasser war heilsam und erquickend. Herr v. S. konnte in 4 1/2 Stunden, die er auf dem Gipfel des Montblanc zubrachte, nicht alle die Versuche machen, die er am Ufer des Meers gar oft in weniger als 3 Stunden beendiget hatte. Die Rückreise war bequemer, als er geglaubt hatte, hauptsächlich deswegen, weil itzt das Zwerchfell nicht mehr gepreßt und das Respirationsgeschäft nicht gestört wurde. Man nahm das Nachtquartier wieder im Schnee, aber 200 Toisen tiefer, als vorher. Hier wurde man nun völlig überzeugt, daß die Unbehaglichkeit auf dem Gipfel von nichts anderem, als der Dünne der Luft, hergerührt habe. Denn, wäre Ermüdung die Ursache davon gewesen, so hätte man sich nach einem so langen und mühsamen Absteigen noch übler befinden müssen; davon zeigte sich aber gerade das Gegentheil; Als er auf dem Gipfel angelangt und im Begrif war, ſeine Verſuche anzuſtellen, fand er ſich alle Augenblicke genoͤthiget, abzuſetzen und Athem zu ſchoͤpfen. Das Barometer ſtand nicht hoͤher, als 16 Zoll 1 Lin.; die Luft hatte nicht viel mehr, als die Haͤlfte ihrer gewoͤhnlichen Dichtigkeit, und es ſchien, als muͤſſe dieſer Abgang durch die haͤufigere Wiederholung des Athmens erſetzt werden. Vornehmlich aber war der Blutumlauf aͤußerſt beſchleuniget. Des Fuͤhrers Balmat Puls ſchlug in der Minute 98mal; der des Hrn. v. S. 100mal, und der ſeines Bedienten 112mal, da dies zu Chamouni bey eben dieſen Perſonen in der nemlichen Ordnung 49-, 72-, 60mal geſchahe. Wenn ſich Hr. v. S. ganz ſtill hielt, ſo ſpuͤrte er nur ein geringes Uebelbefinden, eine leichte Anwandlung von Herzweh; allein, wenn er ſich mit etwas bemuͤhte, oder ſeine Aufmerkſamkeit auf etwas richtete, vornehmlich wenn er ſich buͤckte und die Bruſt zuſammenpreßte, ſo mußte er jedesmal ausruhen und einige Minuten lang Athem ſchoͤpfen. Seine Fuͤhrer hatten ein aͤhnliches Gefuͤhl. Der Appetit mangelte ihnen; ſelbſt Wein und Brantewein begehrten ſie nicht; auch hatten ſie erfahren, daß ſtarke Getraͤnke jenes Uebelbefinden noch mehr vergroͤßerten, ohne Zweifel, weil ſie den Blutumlauf noch mehr beſchleunigen. Nur friſches Waſſer war heilſam und erquickend. Herr v. S. konnte in 4 1/2 Stunden, die er auf dem Gipfel des Montblanc zubrachte, nicht alle die Verſuche machen, die er am Ufer des Meers gar oft in weniger als 3 Stunden beendiget hatte. Die Ruͤckreiſe war bequemer, als er geglaubt hatte, hauptſaͤchlich deswegen, weil itzt das Zwerchfell nicht mehr gepreßt und das Reſpirationsgeſchaͤft nicht geſtoͤrt wurde. Man nahm das Nachtquartier wieder im Schnee, aber 200 Toiſen tiefer, als vorher. Hier wurde man nun voͤllig uͤberzeugt, daß die Unbehaglichkeit auf dem Gipfel von nichts anderem, als der Duͤnne der Luft, hergeruͤhrt habe. Denn, waͤre Ermuͤdung die Urſache davon geweſen, ſo haͤtte man ſich nach einem ſo langen und muͤhſamen Abſteigen noch uͤbler befinden muͤſſen; davon zeigte ſich aber gerade das Gegentheil; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0161" xml:id="P.5.149" n="149"/><lb/> </p> <p>Als er auf dem Gipfel angelangt und im Begrif war, ſeine Verſuche anzuſtellen, fand er ſich alle Augenblicke genoͤthiget, abzuſetzen und Athem zu ſchoͤpfen. 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Der Appetit mangelte ihnen; ſelbſt Wein und Brantewein begehrten ſie nicht; auch hatten ſie erfahren, daß ſtarke Getraͤnke jenes Uebelbefinden noch mehr vergroͤßerten, ohne Zweifel, weil ſie den Blutumlauf noch mehr beſchleunigen. Nur friſches Waſſer war heilſam und erquickend.</p> <p>Herr v. S. konnte in 4 1/2 Stunden, die er auf dem Gipfel des Montblanc zubrachte, nicht alle die Verſuche machen, die er am Ufer des Meers gar oft in weniger als 3 Stunden beendiget hatte.</p> <p>Die Ruͤckreiſe war bequemer, als er geglaubt hatte, hauptſaͤchlich deswegen, weil itzt das Zwerchfell nicht mehr gepreßt und das Reſpirationsgeſchaͤft nicht geſtoͤrt wurde. Man nahm das Nachtquartier wieder im Schnee, aber 200 Toiſen tiefer, als vorher. Hier wurde man nun voͤllig uͤberzeugt, daß die Unbehaglichkeit auf dem Gipfel von nichts anderem, als der Duͤnne der Luft, hergeruͤhrt habe. 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Als er auf dem Gipfel angelangt und im Begrif war, ſeine Verſuche anzuſtellen, fand er ſich alle Augenblicke genoͤthiget, abzuſetzen und Athem zu ſchoͤpfen. Das Barometer ſtand nicht hoͤher, als 16 Zoll 1 Lin.; die Luft hatte nicht viel mehr, als die Haͤlfte ihrer gewoͤhnlichen Dichtigkeit, und es ſchien, als muͤſſe dieſer Abgang durch die haͤufigere Wiederholung des Athmens erſetzt werden. Vornehmlich aber war der Blutumlauf aͤußerſt beſchleuniget. Des Fuͤhrers Balmat Puls ſchlug in der Minute 98mal; der des Hrn. v. S. 100mal, und der ſeines Bedienten 112mal, da dies zu Chamouni bey eben dieſen Perſonen in der nemlichen Ordnung 49-, 72-, 60mal geſchahe.
Wenn ſich Hr. v. S. ganz ſtill hielt, ſo ſpuͤrte er nur ein geringes Uebelbefinden, eine leichte Anwandlung von Herzweh; allein, wenn er ſich mit etwas bemuͤhte, oder ſeine Aufmerkſamkeit auf etwas richtete, vornehmlich wenn er ſich buͤckte und die Bruſt zuſammenpreßte, ſo mußte er jedesmal ausruhen und einige Minuten lang Athem ſchoͤpfen. Seine Fuͤhrer hatten ein aͤhnliches Gefuͤhl. Der Appetit mangelte ihnen; ſelbſt Wein und Brantewein begehrten ſie nicht; auch hatten ſie erfahren, daß ſtarke Getraͤnke jenes Uebelbefinden noch mehr vergroͤßerten, ohne Zweifel, weil ſie den Blutumlauf noch mehr beſchleunigen. Nur friſches Waſſer war heilſam und erquickend.
Herr v. S. konnte in 4 1/2 Stunden, die er auf dem Gipfel des Montblanc zubrachte, nicht alle die Verſuche machen, die er am Ufer des Meers gar oft in weniger als 3 Stunden beendiget hatte.
Die Ruͤckreiſe war bequemer, als er geglaubt hatte, hauptſaͤchlich deswegen, weil itzt das Zwerchfell nicht mehr gepreßt und das Reſpirationsgeſchaͤft nicht geſtoͤrt wurde. Man nahm das Nachtquartier wieder im Schnee, aber 200 Toiſen tiefer, als vorher. Hier wurde man nun voͤllig uͤberzeugt, daß die Unbehaglichkeit auf dem Gipfel von nichts anderem, als der Duͤnne der Luft, hergeruͤhrt habe. Denn, waͤre Ermuͤdung die Urſache davon geweſen, ſo haͤtte man ſich nach einem ſo langen und muͤhſamen Abſteigen noch uͤbler befinden muͤſſen; davon zeigte ſich aber gerade das Gegentheil;
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