Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


der Fall ist, und die Feuchtigkeit, so wie man die Luft auspumpt, sich vermindert, so muß man nothwendig annehmen, die Dünste seyen nicht in der Luft aufgelöst.

Sieht man hingegen mit Herrn de Luc den Dampf, oder die Auflösung des Wassers im Feuer, als blos vermischt mit der Luft unter der|Glocke, an, so wird die Erklärung dieses sonst räthselhaften Phänomens ungemein leicht und befriedigend. Man schaft nemlich mit dem Auspumpen der Luft auch einen Theil Dämpfe, d. i. Feuer mit dem zugehörigen Antheil Wasser, aus der Glocke, und hiebey bleibt anfangs die Feuchtigkeit, wie vorhin, auf demselben Grade. Bald aber dringt durch die Wände der Glocke neues Feuer herein, welches noch kein Wasser bey sich hat. Dieses sucht sich mit den übrigen unter der Glocke befindlichen Substanzen in das gehörige hygroskopische Gleichgewicht zu setzen, und da nach dem angenommenen Falle hier weiter keine Quelle des Wassers vorhanden ist, als die Substanz des Hygrometers und die in der Glocke gebliebenen Dünste, so raubt diesen das Feuer ihre Feuchtigkeit, der ganze Raum wird trockner, und das Hygrometer zeigt diese Trockenheit an.

Da man jederzeit in dem der freyen Luft ausgesetzten Wasser eine beträchtliche Menge Luft findet, welche sich durch Aufhebung des Drucks der Atmosphäre unter der Luftpumpe, oder durch Kochen, wieder heraustreiben läßt (s. Wasser, Th. IV. S. 640.), so hat man das Wasser als ein Auflösungsmittel der Luft betrachtet, und, weil alle Auflösungen wechselseitig sind, geschlossen, daß auch die Luft ein Auflösungsmittel des Wassers seyn müsse. Allein dieses Argument läßt sich mit weit mehrerer Stärke gegen das Auflösungssystem selbst kehren. Denn da die bloße Verminderung des Drucks unter der Luftpumpe die Luft aus dem Wasser treibt, so kan dieselbe wohl schwerlich in letzterm aufgelöst gewesen seyn. Wenigstens läßt sich aus der Theorie der Auflösungen nicht erklären, warum ein minder zusammengedrücktes Auflösungsmittel die in ihm aufgelöste Substanz sollte fahren lassen. Ueberdies wird durch Wärme alle Luft aus dem Wasser geschieden, da sonst die Wärme bekanntermaaßen nicht Niederschlag, sondern vielmehr stärkere Auflösung bewirkt.


der Fall iſt, und die Feuchtigkeit, ſo wie man die Luft auspumpt, ſich vermindert, ſo muß man nothwendig annehmen, die Duͤnſte ſeyen nicht in der Luft aufgeloͤſt.

Sieht man hingegen mit Herrn de Luc den Dampf, oder die Aufloͤſung des Waſſers im Feuer, als blos vermiſcht mit der Luft unter der|Glocke, an, ſo wird die Erklaͤrung dieſes ſonſt raͤthſelhaften Phaͤnomens ungemein leicht und befriedigend. Man ſchaft nemlich mit dem Auspumpen der Luft auch einen Theil Daͤmpfe, d. i. Feuer mit dem zugehoͤrigen Antheil Waſſer, aus der Glocke, und hiebey bleibt anfangs die Feuchtigkeit, wie vorhin, auf demſelben Grade. Bald aber dringt durch die Waͤnde der Glocke neues Feuer herein, welches noch kein Waſſer bey ſich hat. Dieſes ſucht ſich mit den uͤbrigen unter der Glocke befindlichen Subſtanzen in das gehoͤrige hygroſkopiſche Gleichgewicht zu ſetzen, und da nach dem angenommenen Falle hier weiter keine Quelle des Waſſers vorhanden iſt, als die Subſtanz des Hygrometers und die in der Glocke gebliebenen Duͤnſte, ſo raubt dieſen das Feuer ihre Feuchtigkeit, der ganze Raum wird trockner, und das Hygrometer zeigt dieſe Trockenheit an.

Da man jederzeit in dem der freyen Luft ausgeſetzten Waſſer eine betraͤchtliche Menge Luft findet, welche ſich durch Aufhebung des Drucks der Atmoſphaͤre unter der Luftpumpe, oder durch Kochen, wieder heraustreiben laͤßt (ſ. Waſſer, Th. IV. S. 640.), ſo hat man das Waſſer als ein Aufloͤſungsmittel der Luft betrachtet, und, weil alle Aufloͤſungen wechſelſeitig ſind, geſchloſſen, daß auch die Luft ein Aufloͤſungsmittel des Waſſers ſeyn muͤſſe. Allein dieſes Argument laͤßt ſich mit weit mehrerer Staͤrke gegen das Aufloͤſungsſyſtem ſelbſt kehren. Denn da die bloße Verminderung des Drucks unter der Luftpumpe die Luft aus dem Waſſer treibt, ſo kan dieſelbe wohl ſchwerlich in letzterm aufgeloͤſt geweſen ſeyn. Wenigſtens laͤßt ſich aus der Theorie der Aufloͤſungen nicht erklaͤren, warum ein minder zuſammengedruͤcktes Aufloͤſungsmittel die in ihm aufgeloͤſte Subſtanz ſollte fahren laſſen. Ueberdies wird durch Waͤrme alle Luft aus dem Waſſer geſchieden, da ſonſt die Waͤrme bekanntermaaßen nicht Niederſchlag, ſondern vielmehr ſtaͤrkere Aufloͤſung bewirkt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0102" xml:id="P.5.90" n="90"/><lb/>
der Fall i&#x017F;t, und die Feuchtigkeit, &#x017F;o wie man die Luft auspumpt, &#x017F;ich vermindert, &#x017F;o muß man nothwendig annehmen, die Du&#x0364;n&#x017F;te &#x017F;eyen nicht in der Luft aufgelo&#x0364;&#x017F;t.</p>
              <p>Sieht man hingegen mit Herrn <hi rendition="#b">de Luc</hi> den Dampf, oder die Auflo&#x0364;&#x017F;ung des Wa&#x017F;&#x017F;ers im Feuer, als blos vermi&#x017F;cht mit der Luft unter der|Glocke, an, &#x017F;o wird die Erkla&#x0364;rung die&#x017F;es &#x017F;on&#x017F;t ra&#x0364;th&#x017F;elhaften Pha&#x0364;nomens ungemein leicht und befriedigend. Man &#x017F;chaft nemlich mit dem Auspumpen der Luft auch einen Theil Da&#x0364;mpfe, d. i. Feuer mit dem zugeho&#x0364;rigen Antheil Wa&#x017F;&#x017F;er, aus der Glocke, und hiebey bleibt anfangs die Feuchtigkeit, wie vorhin, auf dem&#x017F;elben Grade. Bald aber dringt durch die Wa&#x0364;nde der Glocke neues Feuer herein, welches noch kein Wa&#x017F;&#x017F;er bey &#x017F;ich hat. Die&#x017F;es &#x017F;ucht &#x017F;ich mit den u&#x0364;brigen unter der Glocke befindlichen Sub&#x017F;tanzen in das geho&#x0364;rige hygro&#x017F;kopi&#x017F;che Gleichgewicht zu &#x017F;etzen, und da nach dem angenommenen Falle hier weiter keine Quelle des Wa&#x017F;&#x017F;ers vorhanden i&#x017F;t, als die Sub&#x017F;tanz des Hygrometers und die in der Glocke gebliebenen Du&#x0364;n&#x017F;te, &#x017F;o raubt die&#x017F;en das Feuer ihre Feuchtigkeit, der ganze Raum wird trockner, und das Hygrometer zeigt die&#x017F;e Trockenheit an.</p>
              <p>Da man jederzeit in dem der freyen Luft ausge&#x017F;etzten Wa&#x017F;&#x017F;er eine betra&#x0364;chtliche Menge Luft findet, welche &#x017F;ich durch Aufhebung des Drucks der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re unter der Luftpumpe, oder durch Kochen, wieder heraustreiben la&#x0364;ßt (&#x017F;. <hi rendition="#b">Wa&#x017F;&#x017F;er,</hi> Th. <hi rendition="#aq">IV.</hi> S. 640.), &#x017F;o hat man das Wa&#x017F;&#x017F;er als ein Auflo&#x0364;&#x017F;ungsmittel der Luft betrachtet, und, weil alle Auflo&#x0364;&#x017F;ungen wech&#x017F;el&#x017F;eitig &#x017F;ind, ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, daß auch die Luft ein Auflo&#x0364;&#x017F;ungsmittel des Wa&#x017F;&#x017F;ers &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Allein die&#x017F;es Argument la&#x0364;ßt &#x017F;ich mit weit mehrerer Sta&#x0364;rke gegen das Auflo&#x0364;&#x017F;ungs&#x017F;y&#x017F;tem &#x017F;elb&#x017F;t kehren. Denn da die bloße Verminderung des Drucks unter der Luftpumpe die Luft aus dem Wa&#x017F;&#x017F;er treibt, &#x017F;o kan die&#x017F;elbe wohl &#x017F;chwerlich in letzterm aufgelo&#x0364;&#x017F;t gewe&#x017F;en &#x017F;eyn. Wenig&#x017F;tens la&#x0364;ßt &#x017F;ich aus der Theorie der Auflo&#x0364;&#x017F;ungen nicht erkla&#x0364;ren, warum ein minder zu&#x017F;ammengedru&#x0364;cktes Auflo&#x0364;&#x017F;ungsmittel die in ihm aufgelo&#x0364;&#x017F;te Sub&#x017F;tanz &#x017F;ollte fahren la&#x017F;&#x017F;en. Ueberdies wird durch Wa&#x0364;rme alle Luft aus dem Wa&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;chieden, da &#x017F;on&#x017F;t die Wa&#x0364;rme bekanntermaaßen nicht Nieder&#x017F;chlag, &#x017F;ondern vielmehr &#x017F;ta&#x0364;rkere Auflo&#x0364;&#x017F;ung bewirkt.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0102] der Fall iſt, und die Feuchtigkeit, ſo wie man die Luft auspumpt, ſich vermindert, ſo muß man nothwendig annehmen, die Duͤnſte ſeyen nicht in der Luft aufgeloͤſt. Sieht man hingegen mit Herrn de Luc den Dampf, oder die Aufloͤſung des Waſſers im Feuer, als blos vermiſcht mit der Luft unter der|Glocke, an, ſo wird die Erklaͤrung dieſes ſonſt raͤthſelhaften Phaͤnomens ungemein leicht und befriedigend. Man ſchaft nemlich mit dem Auspumpen der Luft auch einen Theil Daͤmpfe, d. i. Feuer mit dem zugehoͤrigen Antheil Waſſer, aus der Glocke, und hiebey bleibt anfangs die Feuchtigkeit, wie vorhin, auf demſelben Grade. Bald aber dringt durch die Waͤnde der Glocke neues Feuer herein, welches noch kein Waſſer bey ſich hat. Dieſes ſucht ſich mit den uͤbrigen unter der Glocke befindlichen Subſtanzen in das gehoͤrige hygroſkopiſche Gleichgewicht zu ſetzen, und da nach dem angenommenen Falle hier weiter keine Quelle des Waſſers vorhanden iſt, als die Subſtanz des Hygrometers und die in der Glocke gebliebenen Duͤnſte, ſo raubt dieſen das Feuer ihre Feuchtigkeit, der ganze Raum wird trockner, und das Hygrometer zeigt dieſe Trockenheit an. Da man jederzeit in dem der freyen Luft ausgeſetzten Waſſer eine betraͤchtliche Menge Luft findet, welche ſich durch Aufhebung des Drucks der Atmoſphaͤre unter der Luftpumpe, oder durch Kochen, wieder heraustreiben laͤßt (ſ. Waſſer, Th. IV. S. 640.), ſo hat man das Waſſer als ein Aufloͤſungsmittel der Luft betrachtet, und, weil alle Aufloͤſungen wechſelſeitig ſind, geſchloſſen, daß auch die Luft ein Aufloͤſungsmittel des Waſſers ſeyn muͤſſe. Allein dieſes Argument laͤßt ſich mit weit mehrerer Staͤrke gegen das Aufloͤſungsſyſtem ſelbſt kehren. Denn da die bloße Verminderung des Drucks unter der Luftpumpe die Luft aus dem Waſſer treibt, ſo kan dieſelbe wohl ſchwerlich in letzterm aufgeloͤſt geweſen ſeyn. Wenigſtens laͤßt ſich aus der Theorie der Aufloͤſungen nicht erklaͤren, warum ein minder zuſammengedruͤcktes Aufloͤſungsmittel die in ihm aufgeloͤſte Subſtanz ſollte fahren laſſen. Ueberdies wird durch Waͤrme alle Luft aus dem Waſſer geſchieden, da ſonſt die Waͤrme bekanntermaaßen nicht Niederſchlag, ſondern vielmehr ſtaͤrkere Aufloͤſung bewirkt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/102
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/102>, abgerufen am 25.11.2024.