Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Zu S. 662. Hier sind noch einige Meinungen über die Ursache der Wasserhosen nachzuholen. Oliver (Theory of waterspouts, in den Philos. Transact. of the American Society held at Philadelphia. Vol. II. 1786. 4. p. 101) leitet diese Erscheinung von der dichtern Luft her, die in einen Ort, wo vorher Windstille und große Hitze geherrscht hatte, plötzlich von allen benachbarten Gegenden her einströmt. Sobald diese Ströme, sagt er, den Punkt ihres Zusammenstoßens erreichen, so wird die sämmtliche stockende und verdünnte Luft, die vorher ruhig war, von der Stelle getrieben und genöthiget, sich in die höhern Gegenden zu erheben. Wenn nun die Ströme schief eindringen, so wird dieses in Gestalt einer Schnecke geschehen, und von weitem das Bild eines Sprachrohrs geben, dessen Mündung zu unterst gekehrt ist. Dagegen sucht Perkins (Coniectures concerning wind and waterspouts, Tornado's and Hurricanes, ibid. p. 335) die Wasserhosen durch ein Herabstürzen des Wassers aus den Wolken zu erklären. Hr. Prudhomme in Bordeaux hat die im Vorigen angeführte Beschreibung einer Landwasserhose gleichfalls mit einer Erklärung begleitet. Für die erste Ursache hält er veränderliche Winde, die durch ihr Zusammenstoßen Luftwirbel erregen, bey ihrem Fortgange aber in den verschiedenen Luftschichten, durch welche sie kommen, allemal Elektricität erwecken. Hieraus erklärt er die kleinen Wolken, welche aus der Wasserhose, wenn sie sich gebildet hat, nach allen Seiten ausgehen und Blitze von sich schleudern. Durch die dem Körper der Wasserhose mitgetheilte Rotation drängt sich die Luft gegen die Erde, und wird mit Gewalt wieder zurückgestoßen, woraus sich das Abdecken der Dächer und das Ausreißen der Bäume erklärt. Eine solche kreisförmige Bewegung muß nothwendig in der Gegend der Axe eine Leere oder starke Verdünnung der Materie verursachen, weil die Schwungbewegung alle Theile nach dem Umkreise treibt, daher durch eine Art von Ansaugung alle leichte und bewegliche
Zu S. 662. Hier ſind noch einige Meinungen uͤber die Urſache der Waſſerhoſen nachzuholen. Oliver (Theory of waterſpouts, in den Philoſ. Transact. of the American Society held at Philadelphia. Vol. II. 1786. 4. p. 101) leitet dieſe Erſcheinung von der dichtern Luft her, die in einen Ort, wo vorher Windſtille und große Hitze geherrſcht hatte, ploͤtzlich von allen benachbarten Gegenden her einſtroͤmt. Sobald dieſe Stroͤme, ſagt er, den Punkt ihres Zuſammenſtoßens erreichen, ſo wird die ſaͤmmtliche ſtockende und verduͤnnte Luft, die vorher ruhig war, von der Stelle getrieben und genoͤthiget, ſich in die hoͤhern Gegenden zu erheben. Wenn nun die Stroͤme ſchief eindringen, ſo wird dieſes in Geſtalt einer Schnecke geſchehen, und von weitem das Bild eines Sprachrohrs geben, deſſen Muͤndung zu unterſt gekehrt iſt. Dagegen ſucht Perkins (Coniectures concerning wind and waterſpouts, Tornado's and Hurricanes, ibid. p. 335) die Waſſerhoſen durch ein Herabſtuͤrzen des Waſſers aus den Wolken zu erklaͤren. Hr. Prudhomme in Bordeaux hat die im Vorigen angefuͤhrte Beſchreibung einer Landwaſſerhoſe gleichfalls mit einer Erklaͤrung begleitet. Fuͤr die erſte Urſache haͤlt er veraͤnderliche Winde, die durch ihr Zuſammenſtoßen Luftwirbel erregen, bey ihrem Fortgange aber in den verſchiedenen Luftſchichten, durch welche ſie kommen, allemal Elektricitaͤt erwecken. Hieraus erklaͤrt er die kleinen Wolken, welche aus der Waſſerhoſe, wenn ſie ſich gebildet hat, nach allen Seiten ausgehen und Blitze von ſich ſchleudern. Durch die dem Koͤrper der Waſſerhoſe mitgetheilte Rotation draͤngt ſich die Luft gegen die Erde, und wird mit Gewalt wieder zuruͤckgeſtoßen, woraus ſich das Abdecken der Daͤcher und das Ausreißen der Baͤume erklaͤrt. Eine ſolche kreisfoͤrmige Bewegung muß nothwendig in der Gegend der Axe eine Leere oder ſtarke Verduͤnnung der Materie verurſachen, weil die Schwungbewegung alle Theile nach dem Umkreiſe treibt, daher durch eine Art von Anſaugung alle leichte und bewegliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1008" xml:id="P.5.996" n="996"/><lb/> zertheilte ſich uͤbrigens an eben dem Orte, an welchem es ſich gebildet hatte, und die benachbarten Gegenden litten nicht das Mindeſte davon.</p> <p><hi rendition="#b">Zu S.</hi> 662. Hier ſind noch einige Meinungen uͤber die Urſache der Waſſerhoſen nachzuholen. <hi rendition="#b">Oliver</hi> <hi rendition="#aq">(Theory of waterſpouts,</hi> in den <hi rendition="#aq">Philoſ. Transact. of the American Society held at Philadelphia. Vol. II. 1786. 4. p. 101)</hi> leitet dieſe Erſcheinung von der dichtern Luft her, die in einen Ort, wo vorher Windſtille und große Hitze geherrſcht hatte, ploͤtzlich von allen benachbarten Gegenden her einſtroͤmt. Sobald dieſe Stroͤme, ſagt er, den Punkt ihres Zuſammenſtoßens erreichen, ſo wird die ſaͤmmtliche ſtockende und verduͤnnte Luft, die vorher ruhig war, von der Stelle getrieben und genoͤthiget, ſich in die hoͤhern Gegenden zu erheben. Wenn nun die Stroͤme ſchief eindringen, ſo wird dieſes in Geſtalt einer Schnecke geſchehen, und von weitem das Bild eines Sprachrohrs geben, deſſen Muͤndung zu unterſt gekehrt iſt. Dagegen ſucht <hi rendition="#b">Perkins</hi> <hi rendition="#aq">(Coniectures concerning wind and waterſpouts, Tornado's and Hurricanes, ibid. p. 335)</hi> die Waſſerhoſen durch ein Herabſtuͤrzen des Waſſers aus den Wolken zu erklaͤren.</p> <p>Hr. <hi rendition="#b">Prudhomme</hi> in Bordeaux hat die im Vorigen angefuͤhrte Beſchreibung einer Landwaſſerhoſe gleichfalls mit einer Erklaͤrung begleitet. Fuͤr die erſte Urſache haͤlt er veraͤnderliche Winde, die durch ihr Zuſammenſtoßen Luftwirbel erregen, bey ihrem Fortgange aber in den verſchiedenen Luftſchichten, durch welche ſie kommen, allemal Elektricitaͤt erwecken. Hieraus erklaͤrt er die kleinen Wolken, welche aus der Waſſerhoſe, wenn ſie ſich gebildet hat, nach allen Seiten ausgehen und Blitze von ſich ſchleudern. Durch die dem Koͤrper der Waſſerhoſe mitgetheilte Rotation draͤngt ſich die Luft gegen die Erde, und wird mit Gewalt wieder zuruͤckgeſtoßen, woraus ſich das Abdecken der Daͤcher und das Ausreißen der Baͤume erklaͤrt. Eine ſolche kreisfoͤrmige Bewegung muß nothwendig in der Gegend der Axe eine Leere oder ſtarke Verduͤnnung der Materie verurſachen, weil die Schwungbewegung alle Theile nach dem Umkreiſe treibt, daher durch eine Art von Anſaugung alle leichte und bewegliche<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [996/1008]
zertheilte ſich uͤbrigens an eben dem Orte, an welchem es ſich gebildet hatte, und die benachbarten Gegenden litten nicht das Mindeſte davon.
Zu S. 662. Hier ſind noch einige Meinungen uͤber die Urſache der Waſſerhoſen nachzuholen. Oliver (Theory of waterſpouts, in den Philoſ. Transact. of the American Society held at Philadelphia. Vol. II. 1786. 4. p. 101) leitet dieſe Erſcheinung von der dichtern Luft her, die in einen Ort, wo vorher Windſtille und große Hitze geherrſcht hatte, ploͤtzlich von allen benachbarten Gegenden her einſtroͤmt. Sobald dieſe Stroͤme, ſagt er, den Punkt ihres Zuſammenſtoßens erreichen, ſo wird die ſaͤmmtliche ſtockende und verduͤnnte Luft, die vorher ruhig war, von der Stelle getrieben und genoͤthiget, ſich in die hoͤhern Gegenden zu erheben. Wenn nun die Stroͤme ſchief eindringen, ſo wird dieſes in Geſtalt einer Schnecke geſchehen, und von weitem das Bild eines Sprachrohrs geben, deſſen Muͤndung zu unterſt gekehrt iſt. Dagegen ſucht Perkins (Coniectures concerning wind and waterſpouts, Tornado's and Hurricanes, ibid. p. 335) die Waſſerhoſen durch ein Herabſtuͤrzen des Waſſers aus den Wolken zu erklaͤren.
Hr. Prudhomme in Bordeaux hat die im Vorigen angefuͤhrte Beſchreibung einer Landwaſſerhoſe gleichfalls mit einer Erklaͤrung begleitet. Fuͤr die erſte Urſache haͤlt er veraͤnderliche Winde, die durch ihr Zuſammenſtoßen Luftwirbel erregen, bey ihrem Fortgange aber in den verſchiedenen Luftſchichten, durch welche ſie kommen, allemal Elektricitaͤt erwecken. Hieraus erklaͤrt er die kleinen Wolken, welche aus der Waſſerhoſe, wenn ſie ſich gebildet hat, nach allen Seiten ausgehen und Blitze von ſich ſchleudern. Durch die dem Koͤrper der Waſſerhoſe mitgetheilte Rotation draͤngt ſich die Luft gegen die Erde, und wird mit Gewalt wieder zuruͤckgeſtoßen, woraus ſich das Abdecken der Daͤcher und das Ausreißen der Baͤume erklaͤrt. Eine ſolche kreisfoͤrmige Bewegung muß nothwendig in der Gegend der Axe eine Leere oder ſtarke Verduͤnnung der Materie verurſachen, weil die Schwungbewegung alle Theile nach dem Umkreiſe treibt, daher durch eine Art von Anſaugung alle leichte und bewegliche
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