Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Dennoch hat man den Folgerungen, welche die Antiphlogistiker aus diesem Versuche ziehen, wie mich dünkt, mit Grund, zwo wichtige Einwendungen entgegengestellt. Die erste ist, daß man jenes erzeugte elastische Fluidum nicht gehörig herausgenommen und eudiometrisch geprüft hat, wie doch nothwendig hätte geschehen müssen, wenn die Versicherung, daß es die gehörige Mischung von Gas oxygene und hydrogene gewesen sey, mehr als bloße Präsumtion seyn sollte. Der Schluß: Weil sich ein Gemisch von diesen zwo Gasarten entzündet, und Wasser giebt, so muß jedes Gas, das sich entzündet und Wasser giebt, ein Gemisch von diesen zwo Gasarten seyn -- ist nach den Regeln der Logik auffallend unrichtig, und enthält eine ganz unerlaubte Conversion. Die zweyte noch wichtigere Einwendung betrift die gänzliche Vernachläßigung des chemischen Einflusses der Elektricität. Dieser Einwurf ist von Hrn. Hofr. Lichtenberg (Vorr. zur sechsten Aufl. von Erxleb. Naturl. Gött. 1794. S. XXVIII. u. f.) sehr eindringend dargestellt worden. Den Antiphlogistikern fällt es gar nicht ein, zu fragen, was die Elektricität hiebey eigentlich thue. Erschüttert sie blos, oder wurfelt sie blos, oder erhitzt sie blos, oder verbindet sie sich etwa, ganz oder selbst zersetzt, mit dem Wasser, und hilst ihm die Luftgestalt geben? Diese Fragen müssen denn doch dem unbefangenen Naturforscher immer erlaubt bleiben. Es ist ungerecht, sie als Chimären und Phantome mit Verachtung zurückweisen, und zu sagen, wer so frage, stoße die Wahrheit von sich. Bey jedem andern Stoffe, durch den man die Verwandlung bewirkt hätte, wäre sicherlich von chemischer Verbindung gesprochen worden: nur beym elektrischen Funken will man daran gar nicht gedacht wissen. Und aus welchem Grunde? Weil wir, sagt man, noch keine chemischen Verbindungen der elektrischen
Dennoch hat man den Folgerungen, welche die Antiphlogiſtiker aus dieſem Verſuche ziehen, wie mich duͤnkt, mit Grund, zwo wichtige Einwendungen entgegengeſtellt. Die erſte iſt, daß man jenes erzeugte elaſtiſche Fluidum nicht gehoͤrig herausgenommen und eudiometriſch gepruͤft hat, wie doch nothwendig haͤtte geſchehen muͤſſen, wenn die Verſicherung, daß es die gehoͤrige Miſchung von Gas oxygène und hydrogène geweſen ſey, mehr als bloße Praͤſumtion ſeyn ſollte. Der Schluß: Weil ſich ein Gemiſch von dieſen zwo Gasarten entzuͤndet, und Waſſer giebt, ſo muß jedes Gas, das ſich entzuͤndet und Waſſer giebt, ein Gemiſch von dieſen zwo Gasarten ſeyn — iſt nach den Regeln der Logik auffallend unrichtig, und enthaͤlt eine ganz unerlaubte Converſion. Die zweyte noch wichtigere Einwendung betrift die gaͤnzliche Vernachlaͤßigung des chemiſchen Einfluſſes der Elektricitaͤt. Dieſer Einwurf iſt von Hrn. Hofr. Lichtenberg (Vorr. zur ſechſten Aufl. von Erxleb. Naturl. Goͤtt. 1794. S. XXVIII. u. f.) ſehr eindringend dargeſtellt worden. Den Antiphlogiſtikern faͤllt es gar nicht ein, zu fragen, was die Elektricitaͤt hiebey eigentlich thue. Erſchuͤttert ſie blos, oder wurfelt ſie blos, oder erhitzt ſie blos, oder verbindet ſie ſich etwa, ganz oder ſelbſt zerſetzt, mit dem Waſſer, und hilſt ihm die Luftgeſtalt geben? Dieſe Fragen muͤſſen denn doch dem unbefangenen Naturforſcher immer erlaubt bleiben. Es iſt ungerecht, ſie als Chimaͤren und Phantome mit Verachtung zuruͤckweiſen, und zu ſagen, wer ſo frage, ſtoße die Wahrheit von ſich. Bey jedem andern Stoffe, durch den man die Verwandlung bewirkt haͤtte, waͤre ſicherlich von chemiſcher Verbindung geſprochen worden: nur beym elektriſchen Funken will man daran gar nicht gedacht wiſſen. Und aus welchem Grunde? Weil wir, ſagt man, noch keine chemiſchen Verbindungen der elektriſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1004" xml:id="P.5.992" n="992"/><lb/> Luft von Seiten der elektriſchen Materie erzeugt ”worden ſey, ſo muß ich geſtehen, daß eine ſolche Einwen”dung blos Chimaͤre ſeyn wuͤrde, und daß ich nicht begreifen ”koͤnnte, wie man abſolut das Wahre von ſich ſtoßen kan, ”um nach Phantomen zu haſchen.“</p> <p>Dennoch hat man den Folgerungen, welche die Antiphlogiſtiker aus dieſem Verſuche ziehen, wie mich duͤnkt, mit Grund, zwo wichtige Einwendungen entgegengeſtellt.</p> <p>Die erſte iſt, daß man jenes erzeugte elaſtiſche Fluidum nicht gehoͤrig herausgenommen und eudiometriſch gepruͤft hat, wie doch nothwendig haͤtte geſchehen muͤſſen, wenn die Verſicherung, daß es die gehoͤrige Miſchung von <hi rendition="#aq">Gas oxygène</hi> und <hi rendition="#aq">hydrogène</hi> geweſen ſey, mehr als bloße Praͤſumtion ſeyn ſollte. Der Schluß: Weil ſich ein Gemiſch von dieſen zwo Gasarten entzuͤndet, und Waſſer giebt, ſo muß jedes Gas, das ſich entzuͤndet und Waſſer giebt, ein Gemiſch von dieſen zwo Gasarten ſeyn — iſt nach den Regeln der Logik auffallend unrichtig, und enthaͤlt eine ganz unerlaubte Converſion.</p> <p>Die zweyte noch wichtigere Einwendung betrift die gaͤnzliche Vernachlaͤßigung des chemiſchen Einfluſſes der <hi rendition="#b">Elektricitaͤt.</hi> Dieſer Einwurf iſt von Hrn. Hofr. <hi rendition="#b">Lichtenberg</hi> (Vorr. zur ſechſten Aufl. von Erxleb. Naturl. Goͤtt. 1794. S. <hi rendition="#aq">XXVIII.</hi> u. f.) ſehr eindringend dargeſtellt worden. Den Antiphlogiſtikern faͤllt es gar nicht ein, zu fragen, was die Elektricitaͤt hiebey eigentlich thue. Erſchuͤttert ſie blos, oder wurfelt ſie blos, oder erhitzt ſie blos, oder verbindet ſie ſich etwa, ganz oder ſelbſt zerſetzt, mit dem Waſſer, und hilſt ihm die Luftgeſtalt geben? Dieſe Fragen muͤſſen denn doch dem unbefangenen Naturforſcher immer erlaubt bleiben. Es iſt ungerecht, ſie als Chimaͤren und Phantome mit Verachtung zuruͤckweiſen, und zu ſagen, wer ſo frage, ſtoße die Wahrheit von ſich. Bey jedem andern Stoffe, durch den man die Verwandlung bewirkt haͤtte, waͤre ſicherlich von chemiſcher Verbindung geſprochen worden: nur beym elektriſchen Funken will man daran gar nicht gedacht wiſſen. Und aus welchem Grunde? Weil wir, ſagt man, noch keine chemiſchen Verbindungen der elektriſchen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [992/1004]
Luft von Seiten der elektriſchen Materie erzeugt ”worden ſey, ſo muß ich geſtehen, daß eine ſolche Einwen”dung blos Chimaͤre ſeyn wuͤrde, und daß ich nicht begreifen ”koͤnnte, wie man abſolut das Wahre von ſich ſtoßen kan, ”um nach Phantomen zu haſchen.“
Dennoch hat man den Folgerungen, welche die Antiphlogiſtiker aus dieſem Verſuche ziehen, wie mich duͤnkt, mit Grund, zwo wichtige Einwendungen entgegengeſtellt.
Die erſte iſt, daß man jenes erzeugte elaſtiſche Fluidum nicht gehoͤrig herausgenommen und eudiometriſch gepruͤft hat, wie doch nothwendig haͤtte geſchehen muͤſſen, wenn die Verſicherung, daß es die gehoͤrige Miſchung von Gas oxygène und hydrogène geweſen ſey, mehr als bloße Praͤſumtion ſeyn ſollte. Der Schluß: Weil ſich ein Gemiſch von dieſen zwo Gasarten entzuͤndet, und Waſſer giebt, ſo muß jedes Gas, das ſich entzuͤndet und Waſſer giebt, ein Gemiſch von dieſen zwo Gasarten ſeyn — iſt nach den Regeln der Logik auffallend unrichtig, und enthaͤlt eine ganz unerlaubte Converſion.
Die zweyte noch wichtigere Einwendung betrift die gaͤnzliche Vernachlaͤßigung des chemiſchen Einfluſſes der Elektricitaͤt. Dieſer Einwurf iſt von Hrn. Hofr. Lichtenberg (Vorr. zur ſechſten Aufl. von Erxleb. Naturl. Goͤtt. 1794. S. XXVIII. u. f.) ſehr eindringend dargeſtellt worden. Den Antiphlogiſtikern faͤllt es gar nicht ein, zu fragen, was die Elektricitaͤt hiebey eigentlich thue. Erſchuͤttert ſie blos, oder wurfelt ſie blos, oder erhitzt ſie blos, oder verbindet ſie ſich etwa, ganz oder ſelbſt zerſetzt, mit dem Waſſer, und hilſt ihm die Luftgeſtalt geben? Dieſe Fragen muͤſſen denn doch dem unbefangenen Naturforſcher immer erlaubt bleiben. Es iſt ungerecht, ſie als Chimaͤren und Phantome mit Verachtung zuruͤckweiſen, und zu ſagen, wer ſo frage, ſtoße die Wahrheit von ſich. Bey jedem andern Stoffe, durch den man die Verwandlung bewirkt haͤtte, waͤre ſicherlich von chemiſcher Verbindung geſprochen worden: nur beym elektriſchen Funken will man daran gar nicht gedacht wiſſen. Und aus welchem Grunde? Weil wir, ſagt man, noch keine chemiſchen Verbindungen der elektriſchen
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