Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
"Solche decisive Versuche," sagt Herr Girtanner, "lassen sich nicht durch hypothetisches Raisonnement wegdis"putiren." Aber man bezweifelt auch nicht den Versuch, sondern blos dessen Erklärung, welche doch wenigstens eben so hypothetisch, als das Raisonnement der Gegner, ist. Denn diese behaupten nichts weiter, als es sey eben so möglich, daß der Wasserdunst durch Feuer unterstützt dem Eisen etwas rauben und damit brennbaren Gas bilden, zum Theil aber sich selbst mit dem Eisen verbinden und krystallisiren könne. Der Versuch zeigt, ein Theil des Wassers komme in die Zusammensetzung der brennbaren Luft, ein anderer in die der Eisenkrystallen. Dieses ist Factum. Ob aber beyde Theile noch Wasserdunst, oder ob es zwey verschiedene Bestandtheile sind, in die der Dunst zerlegt wird, davon sagt der Versuch nichts. Die Wahrheit zu gestehen, weiß man es auch gar nicht, und die zweyte Behauptung ist eben sowohl Hypothese, als die erste. Der bescheidne Naturforscher kann beyde, als Vorstellungsarten, zulassen; er wird aber keine davon, wie die Antiphlogistiker thun, mit der Thatsache selbst verwechseln. Man hat gegen die Wasserzerlegung durch Eisen noch folgenden von D. Priestley angestellten Versuch angeführt. Unter einer Glocke mit dephlogistisirter Luft ward ein Stück Eisen den Sonnenstralen im Brennpunkte eines Brennglases ausgesetzt. Die Luft verminderte sich, und das Eisen ward in einen schwarzen Kalk verwandelt, der schwerer war, als das Metall. Diesen Kalk setzte Priestley unter eine Glocke mit brennbarer Luft, und ließ den Brennpunkt darauf fallen. Es entstand Wasser, das Gas verminderte sich, und das Eisen ward zum Theil reducirt. Hier scheint es vielmehr, als sauge das Eisen Wasser aus der dephlogistisirten Luft ein, und gebe es nachher wieder, um dafür aus der brennbaren Luft etwas an sich zu nehmen, wodurch es reducirt
”Solche deciſive Verſuche,“ ſagt Herr Girtanner, ”laſſen ſich nicht durch hypothetiſches Raiſonnement wegdis”putiren.“ Aber man bezweifelt auch nicht den Verſuch, ſondern blos deſſen Erklaͤrung, welche doch wenigſtens eben ſo hypothetiſch, als das Raiſonnement der Gegner, iſt. Denn dieſe behaupten nichts weiter, als es ſey eben ſo moͤglich, daß der Waſſerdunſt durch Feuer unterſtuͤtzt dem Eiſen etwas rauben und damit brennbaren Gas bilden, zum Theil aber ſich ſelbſt mit dem Eiſen verbinden und kryſtalliſiren koͤnne. Der Verſuch zeigt, ein Theil des Waſſers komme in die Zuſammenſetzung der brennbaren Luft, ein anderer in die der Eiſenkryſtallen. Dieſes iſt Factum. Ob aber beyde Theile noch Waſſerdunſt, oder ob es zwey verſchiedene Beſtandtheile ſind, in die der Dunſt zerlegt wird, davon ſagt der Verſuch nichts. Die Wahrheit zu geſtehen, weiß man es auch gar nicht, und die zweyte Behauptung iſt eben ſowohl Hypotheſe, als die erſte. Der beſcheidne Naturforſcher kann beyde, als Vorſtellungsarten, zulaſſen; er wird aber keine davon, wie die Antiphlogiſtiker thun, mit der Thatſache ſelbſt verwechſeln. Man hat gegen die Waſſerzerlegung durch Eiſen noch folgenden von D. Prieſtley angeſtellten Verſuch angefuͤhrt. Unter einer Glocke mit dephlogiſtiſirter Luft ward ein Stuͤck Eiſen den Sonnenſtralen im Brennpunkte eines Brennglaſes ausgeſetzt. Die Luft verminderte ſich, und das Eiſen ward in einen ſchwarzen Kalk verwandelt, der ſchwerer war, als das Metall. Dieſen Kalk ſetzte Prieſtley unter eine Glocke mit brennbarer Luft, und ließ den Brennpunkt darauf fallen. Es entſtand Waſſer, das Gas verminderte ſich, und das Eiſen ward zum Theil reducirt. Hier ſcheint es vielmehr, als ſauge das Eiſen Waſſer aus der dephlogiſtiſirten Luft ein, und gebe es nachher wieder, um dafuͤr aus der brennbaren Luft etwas an ſich zu nehmen, wodurch es reducirt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1001" xml:id="P.5.989" n="989"/><lb/> den Verſuch erhaltene brennbare Luft wurde mit ſoviel dephlogiſtiſirter vermiſcht, als ſich waͤhrend des Verſuchs mit dem Eiſen verbunden hatte, und nachher verbrannt. Man erhielt daraus mehr Waſſer, als zu dem Verſuche angewandt war.</p> <p>”Solche deciſive Verſuche,“ ſagt Herr <hi rendition="#b">Girtanner,</hi> ”laſſen ſich nicht durch hypothetiſches Raiſonnement wegdis”putiren.“ Aber man bezweifelt auch nicht den Verſuch, ſondern blos deſſen Erklaͤrung, welche doch wenigſtens eben ſo hypothetiſch, als das Raiſonnement der Gegner, iſt. Denn dieſe behaupten nichts weiter, als es ſey eben ſo moͤglich, daß der Waſſerdunſt durch Feuer unterſtuͤtzt dem Eiſen etwas rauben und damit brennbaren Gas bilden, zum Theil aber ſich ſelbſt mit dem Eiſen verbinden und kryſtalliſiren koͤnne. Der Verſuch zeigt, ein Theil des Waſſers komme in die Zuſammenſetzung der brennbaren Luft, ein anderer in die der Eiſenkryſtallen. Dieſes iſt Factum. Ob aber beyde Theile noch Waſſerdunſt, oder ob es zwey verſchiedene Beſtandtheile ſind, in die der Dunſt zerlegt wird, davon ſagt der Verſuch nichts. Die Wahrheit zu geſtehen, weiß man es auch gar nicht, und die zweyte Behauptung iſt eben ſowohl Hypotheſe, als die erſte. Der beſcheidne Naturforſcher kann beyde, als Vorſtellungsarten, zulaſſen; er wird aber keine davon, wie die Antiphlogiſtiker thun, mit der Thatſache ſelbſt verwechſeln.</p> <p>Man hat gegen die Waſſerzerlegung durch Eiſen noch folgenden von D. <hi rendition="#b">Prieſtley</hi> angeſtellten Verſuch angefuͤhrt. Unter einer Glocke mit dephlogiſtiſirter Luft ward ein Stuͤck Eiſen den Sonnenſtralen im Brennpunkte eines Brennglaſes ausgeſetzt. Die Luft verminderte ſich, und das Eiſen ward in einen ſchwarzen Kalk verwandelt, der ſchwerer war, als das Metall. Dieſen Kalk ſetzte <hi rendition="#b">Prieſtley</hi> unter eine Glocke mit brennbarer Luft, und ließ den Brennpunkt darauf fallen. Es entſtand Waſſer, das Gas verminderte ſich, und das Eiſen ward zum Theil reducirt. Hier ſcheint es vielmehr, als ſauge das Eiſen Waſſer aus der dephlogiſtiſirten Luft ein, und gebe es nachher wieder, um dafuͤr aus der brennbaren Luft etwas an ſich zu nehmen, wodurch es reducirt<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [989/1001]
den Verſuch erhaltene brennbare Luft wurde mit ſoviel dephlogiſtiſirter vermiſcht, als ſich waͤhrend des Verſuchs mit dem Eiſen verbunden hatte, und nachher verbrannt. Man erhielt daraus mehr Waſſer, als zu dem Verſuche angewandt war.
”Solche deciſive Verſuche,“ ſagt Herr Girtanner, ”laſſen ſich nicht durch hypothetiſches Raiſonnement wegdis”putiren.“ Aber man bezweifelt auch nicht den Verſuch, ſondern blos deſſen Erklaͤrung, welche doch wenigſtens eben ſo hypothetiſch, als das Raiſonnement der Gegner, iſt. Denn dieſe behaupten nichts weiter, als es ſey eben ſo moͤglich, daß der Waſſerdunſt durch Feuer unterſtuͤtzt dem Eiſen etwas rauben und damit brennbaren Gas bilden, zum Theil aber ſich ſelbſt mit dem Eiſen verbinden und kryſtalliſiren koͤnne. Der Verſuch zeigt, ein Theil des Waſſers komme in die Zuſammenſetzung der brennbaren Luft, ein anderer in die der Eiſenkryſtallen. Dieſes iſt Factum. Ob aber beyde Theile noch Waſſerdunſt, oder ob es zwey verſchiedene Beſtandtheile ſind, in die der Dunſt zerlegt wird, davon ſagt der Verſuch nichts. Die Wahrheit zu geſtehen, weiß man es auch gar nicht, und die zweyte Behauptung iſt eben ſowohl Hypotheſe, als die erſte. Der beſcheidne Naturforſcher kann beyde, als Vorſtellungsarten, zulaſſen; er wird aber keine davon, wie die Antiphlogiſtiker thun, mit der Thatſache ſelbſt verwechſeln.
Man hat gegen die Waſſerzerlegung durch Eiſen noch folgenden von D. Prieſtley angeſtellten Verſuch angefuͤhrt. Unter einer Glocke mit dephlogiſtiſirter Luft ward ein Stuͤck Eiſen den Sonnenſtralen im Brennpunkte eines Brennglaſes ausgeſetzt. Die Luft verminderte ſich, und das Eiſen ward in einen ſchwarzen Kalk verwandelt, der ſchwerer war, als das Metall. Dieſen Kalk ſetzte Prieſtley unter eine Glocke mit brennbarer Luft, und ließ den Brennpunkt darauf fallen. Es entſtand Waſſer, das Gas verminderte ſich, und das Eiſen ward zum Theil reducirt. Hier ſcheint es vielmehr, als ſauge das Eiſen Waſſer aus der dephlogiſtiſirten Luft ein, und gebe es nachher wieder, um dafuͤr aus der brennbaren Luft etwas an ſich zu nehmen, wodurch es reducirt
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