Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Es wird also eben dieselbe Empfindung haben, als ob es den zugehörigen Punkt des Gegenstandes selbst sähe. So wird F in f, und G in g erscheinen; es wird sich ein Bild des Gegenstandes (mit dessen natürlichen Farben, wenn die Wand weiß ist) zeigen, und zwar ein umgekehrres, weil beym Durchkreuzen in E die obern Stralen herunter, und die von der rechten Seite auf die linke kommen.

Wenn man also ein Zimmer durch Verschließung der Fenster mit Laden vor allem Lichte verwahret, und nur in dem einen Laden eine kleine runde Oefnung läßt, so mahlen sich gegenüberstehende genugsam erleuchtete Häuser, Bäume, Menschen u. s. w. verkehrt an der Wand ab, und die Bilder werden desto größer, je weiter die Wand von der Oefnung absteht.

Dies setzt jedoch voraus, die Oefnung E sey ein bloßer Punkt. Bey der Anwendung selbst ist dies nicht möglich; denn da der Laden, um das Licht abzuhalten, eine gewisse Dicke haben muß, so muß das Loch, das in denselben cylindrisch eingebohrt wird, einen dieser Dicke gemäßen Umfang bekommen. Wäre es allzueng, so würden die Lichtstralen nicht durchgehen, sondern an die innern Wände des Lochs anstoßen, und daselbst aufgefangen werden. Man muß also vielmehr die Oefnung E als einen Cylinder betrachten, dessen innere Grundfläche ein kleiner Kreis ist. In diesem Falle sendet der Punkt F nicht blos den einzigen Lichtstral Ff, sondern den ganzen Stralenkegel Fvph hindurch, und verbreitet das Licht, das er der Wand giebt, durch einen kreisförmigen Raum vom Durchmesser vph. So vermischt sich auf einerley Punkte der Wand Licht von mehrern Punkten des Gegenstandes zugleich, wie z. B. auf h Licht von allen den Punkten fällt, die zwischen H und I liegen. Hieraus entsteht Undeutlichkeit des Bildes. Jeder Punkt des Gegenstandes breitet sein Bild, welches auch ein Punkt seyn sollte, durch einen ganzen Kreis aus; diese Kreise greifen in einander, vermischen ihre Farben und machen die Umrisse verworren und unbestimmt. Bey dem allen bleiben die Bilder noch deutlich genug, so lang nur die Oefnung E nicht allzugroß ist.


Es wird alſo eben dieſelbe Empfindung haben, als ob es den zugehoͤrigen Punkt des Gegenſtandes ſelbſt ſaͤhe. So wird F in f, und G in g erſcheinen; es wird ſich ein Bild des Gegenſtandes (mit deſſen natuͤrlichen Farben, wenn die Wand weiß iſt) zeigen, und zwar ein umgekehrres, weil beym Durchkreuzen in E die obern Stralen herunter, und die von der rechten Seite auf die linke kommen.

Wenn man alſo ein Zimmer durch Verſchließung der Fenſter mit Laden vor allem Lichte verwahret, und nur in dem einen Laden eine kleine runde Oefnung laͤßt, ſo mahlen ſich gegenuͤberſtehende genugſam erleuchtete Haͤuſer, Baͤume, Menſchen u. ſ. w. verkehrt an der Wand ab, und die Bilder werden deſto groͤßer, je weiter die Wand von der Oefnung abſteht.

Dies ſetzt jedoch voraus, die Oefnung E ſey ein bloßer Punkt. Bey der Anwendung ſelbſt iſt dies nicht moͤglich; denn da der Laden, um das Licht abzuhalten, eine gewiſſe Dicke haben muß, ſo muß das Loch, das in denſelben cylindriſch eingebohrt wird, einen dieſer Dicke gemaͤßen Umfang bekommen. Waͤre es allzueng, ſo wuͤrden die Lichtſtralen nicht durchgehen, ſondern an die innern Waͤnde des Lochs anſtoßen, und daſelbſt aufgefangen werden. Man muß alſo vielmehr die Oefnung E als einen Cylinder betrachten, deſſen innere Grundflaͤche ein kleiner Kreis iſt. In dieſem Falle ſendet der Punkt F nicht blos den einzigen Lichtſtral Ff, ſondern den ganzen Stralenkegel Fvφ hindurch, und verbreitet das Licht, das er der Wand giebt, durch einen kreisfoͤrmigen Raum vom Durchmeſſer vφ. So vermiſcht ſich auf einerley Punkte der Wand Licht von mehrern Punkten des Gegenſtandes zugleich, wie z. B. auf h Licht von allen den Punkten faͤllt, die zwiſchen H und I liegen. Hieraus entſteht Undeutlichkeit des Bildes. Jeder Punkt des Gegenſtandes breitet ſein Bild, welches auch ein Punkt ſeyn ſollte, durch einen ganzen Kreis aus; dieſe Kreiſe greifen in einander, vermiſchen ihre Farben und machen die Umriſſe verworren und unbeſtimmt. Bey dem allen bleiben die Bilder noch deutlich genug, ſo lang nur die Oefnung E nicht allzugroß iſt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0871" xml:id="P.4.861" n="861"/><lb/>
Es wird al&#x017F;o eben die&#x017F;elbe Empfindung haben, als ob es den zugeho&#x0364;rigen Punkt des Gegen&#x017F;tandes &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;a&#x0364;he. So wird <hi rendition="#aq">F</hi> in <hi rendition="#aq">f,</hi> und <hi rendition="#aq">G</hi> in <hi rendition="#aq">g</hi> er&#x017F;cheinen; es wird &#x017F;ich ein Bild des Gegen&#x017F;tandes (mit de&#x017F;&#x017F;en natu&#x0364;rlichen Farben, wenn die Wand weiß i&#x017F;t) zeigen, und zwar ein <hi rendition="#b">umgekehrres,</hi> weil beym Durchkreuzen in <hi rendition="#aq">E</hi> die obern Stralen herunter, und die von der rechten Seite auf die linke kommen.</p>
            <p>Wenn man al&#x017F;o ein Zimmer durch Ver&#x017F;chließung der Fen&#x017F;ter mit Laden vor allem Lichte verwahret, und nur in dem einen Laden eine kleine runde Oefnung la&#x0364;ßt, &#x017F;o mahlen &#x017F;ich gegenu&#x0364;ber&#x017F;tehende genug&#x017F;am erleuchtete Ha&#x0364;u&#x017F;er, Ba&#x0364;ume, Men&#x017F;chen u. &#x017F;. w. verkehrt an der Wand ab, und die Bilder werden de&#x017F;to gro&#x0364;ßer, je weiter die Wand von der Oefnung ab&#x017F;teht.</p>
            <p>Dies &#x017F;etzt jedoch voraus, die Oefnung <hi rendition="#aq">E</hi> &#x017F;ey ein bloßer Punkt. Bey der Anwendung &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t dies nicht mo&#x0364;glich; denn da der Laden, um das Licht abzuhalten, eine gewi&#x017F;&#x017F;e Dicke haben muß, &#x017F;o muß das Loch, das in den&#x017F;elben cylindri&#x017F;ch eingebohrt wird, einen die&#x017F;er Dicke gema&#x0364;ßen Umfang bekommen. Wa&#x0364;re es allzueng, &#x017F;o wu&#x0364;rden die Licht&#x017F;tralen nicht durchgehen, &#x017F;ondern an die innern Wa&#x0364;nde des Lochs an&#x017F;toßen, und da&#x017F;elb&#x017F;t aufgefangen werden. Man muß al&#x017F;o vielmehr die Oefnung <hi rendition="#aq">E</hi> als einen Cylinder betrachten, de&#x017F;&#x017F;en innere Grundfla&#x0364;che ein kleiner Kreis i&#x017F;t. In die&#x017F;em Falle &#x017F;endet der Punkt <hi rendition="#aq">F</hi> nicht blos den einzigen Licht&#x017F;tral <hi rendition="#aq">Ff,</hi> &#x017F;ondern den ganzen Stralenkegel <hi rendition="#aq">Fv</hi><foreign xml:lang="grc">&#x03C6;</foreign> hindurch, und verbreitet das Licht, das er der Wand giebt, durch einen kreisfo&#x0364;rmigen Raum vom Durchme&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">v</hi><foreign xml:lang="grc">&#x03C6;</foreign>. So vermi&#x017F;cht &#x017F;ich auf einerley Punkte der Wand Licht von mehrern Punkten des Gegen&#x017F;tandes zugleich, wie z. B. auf <hi rendition="#aq">h</hi> Licht von allen den Punkten fa&#x0364;llt, die zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">H</hi> und <hi rendition="#aq">I</hi> liegen. Hieraus ent&#x017F;teht Undeutlichkeit des Bildes. Jeder Punkt des Gegen&#x017F;tandes breitet &#x017F;ein Bild, welches auch ein Punkt &#x017F;eyn &#x017F;ollte, durch einen ganzen Kreis aus; die&#x017F;e Krei&#x017F;e greifen in einander, vermi&#x017F;chen ihre Farben und machen die Umri&#x017F;&#x017F;e verworren und unbe&#x017F;timmt. Bey dem allen bleiben die Bilder noch deutlich genug, &#x017F;o lang nur die Oefnung <hi rendition="#aq">E</hi> nicht allzugroß i&#x017F;t.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[861/0871] Es wird alſo eben dieſelbe Empfindung haben, als ob es den zugehoͤrigen Punkt des Gegenſtandes ſelbſt ſaͤhe. So wird F in f, und G in g erſcheinen; es wird ſich ein Bild des Gegenſtandes (mit deſſen natuͤrlichen Farben, wenn die Wand weiß iſt) zeigen, und zwar ein umgekehrres, weil beym Durchkreuzen in E die obern Stralen herunter, und die von der rechten Seite auf die linke kommen. Wenn man alſo ein Zimmer durch Verſchließung der Fenſter mit Laden vor allem Lichte verwahret, und nur in dem einen Laden eine kleine runde Oefnung laͤßt, ſo mahlen ſich gegenuͤberſtehende genugſam erleuchtete Haͤuſer, Baͤume, Menſchen u. ſ. w. verkehrt an der Wand ab, und die Bilder werden deſto groͤßer, je weiter die Wand von der Oefnung abſteht. Dies ſetzt jedoch voraus, die Oefnung E ſey ein bloßer Punkt. Bey der Anwendung ſelbſt iſt dies nicht moͤglich; denn da der Laden, um das Licht abzuhalten, eine gewiſſe Dicke haben muß, ſo muß das Loch, das in denſelben cylindriſch eingebohrt wird, einen dieſer Dicke gemaͤßen Umfang bekommen. Waͤre es allzueng, ſo wuͤrden die Lichtſtralen nicht durchgehen, ſondern an die innern Waͤnde des Lochs anſtoßen, und daſelbſt aufgefangen werden. Man muß alſo vielmehr die Oefnung E als einen Cylinder betrachten, deſſen innere Grundflaͤche ein kleiner Kreis iſt. In dieſem Falle ſendet der Punkt F nicht blos den einzigen Lichtſtral Ff, ſondern den ganzen Stralenkegel Fvφ hindurch, und verbreitet das Licht, das er der Wand giebt, durch einen kreisfoͤrmigen Raum vom Durchmeſſer vφ. So vermiſcht ſich auf einerley Punkte der Wand Licht von mehrern Punkten des Gegenſtandes zugleich, wie z. B. auf h Licht von allen den Punkten faͤllt, die zwiſchen H und I liegen. Hieraus entſteht Undeutlichkeit des Bildes. Jeder Punkt des Gegenſtandes breitet ſein Bild, welches auch ein Punkt ſeyn ſollte, durch einen ganzen Kreis aus; dieſe Kreiſe greifen in einander, vermiſchen ihre Farben und machen die Umriſſe verworren und unbeſtimmt. Bey dem allen bleiben die Bilder noch deutlich genug, ſo lang nur die Oefnung E nicht allzugroß iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/871
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 861. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/871>, abgerufen am 23.11.2024.