Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.Hieraus schloß man nun sonst sehr voreilig, die Sonne sey ein Feuer. Kircher (Mundus subterran. Amst. 1678. Tab. I. p. 64.) glaubte sie als ein Meer von Feuer und Flammen, etwa wie fließendes und wallendes Kupfer in einem Schmelzofen, beobachtet zu haben. Seine Abbildung hievon ist von Zahn (Oculus artific. p. 190.) und Andern häufig copirt worden. Der Freyherr von Wolf behandelt sogar den Satz, daß die Sonne ein wirkliches Feuer sey, als einen mathematischen Lehrsatz, und beweist ihn dadurch, daß die Sonnenstralen leuchten, wärmen, brennen u. s. w., also alle Kennzeichen des Feuers an sich tragen. Es ist hiebey sehr unbestimmt, was man sich unter dem Namen Feuer vorstelle. Wolfs Schlüsse gelten nur, wenn man darunter überhaupt alles versteht, was Licht und Wärme veranlaßt; nimmt man aber Feuer nach dem gemeinen Sprachgebrauche für Flamme oder für einen wirklich brennenden Körper, so hat diese Behauptung bey der Sonne unüberwindliche Schwierigkeiten gegen sich. Ein solches Feuer kan nie ohne Nahrung, ohne wirkliche Zersetzung irgend eines brennbaren Stoffes, und nie ohne Mitwirkung und Verwendung einer dephlogistisirten Luft gedacht werden, s. Verbrennung. Kan man wohl in der Sonne einen solchen Stof, und um sie her eine solche Luft, hinreichend zu einem Brande von vielen Jahrtausenden, annehmen? Die Mittel, die man ausgedacht hat, diesem Brande Nahrung zu verschaffen, z. B. Kometen in die Sonne fallen, oder die Ausdünstungen und das entwichene Phlogiston aus den Planeten nach ihr hingehen zu lassen, sind unwahrscheinlich und unzureichend; auch Wolfs Gedanke, daß sich die ewige Flamme der Sonne nicht zerstreuen könne, weil sie nicht, wie bey uns, in einer specifisch schwerern Luft in die Höhe steige, ist bey den jetzigen Begriffen von Verbrennung nicht mehr befriedigend. Noch eher könnte man den Sonnenkörper blos für glühend halten; aber auch glühende Körper, aus denen sich immerfort Wärmestof entwickeln und verbreiten soll, haben nicht nur ein Medium, das diesen Wärmestof aufnimmt, sondern auch einen beständigen Zugang von neuer äußerer Wärme nöthig. Hieraus ſchloß man nun ſonſt ſehr voreilig, die Sonne ſey ein Feuer. Kircher (Mundus ſubterran. Amſt. 1678. Tab. I. p. 64.) glaubte ſie als ein Meer von Feuer und Flammen, etwa wie fließendes und wallendes Kupfer in einem Schmelzofen, beobachtet zu haben. Seine Abbildung hievon iſt von Zahn (Oculus artific. p. 190.) und Andern haͤufig copirt worden. Der Freyherr von Wolf behandelt ſogar den Satz, daß die Sonne ein wirkliches Feuer ſey, als einen mathematiſchen Lehrſatz, und beweiſt ihn dadurch, daß die Sonnenſtralen leuchten, waͤrmen, brennen u. ſ. w., alſo alle Kennzeichen des Feuers an ſich tragen. Es iſt hiebey ſehr unbeſtimmt, was man ſich unter dem Namen Feuer vorſtelle. Wolfs Schluͤſſe gelten nur, wenn man darunter uͤberhaupt alles verſteht, was Licht und Waͤrme veranlaßt; nimmt man aber Feuer nach dem gemeinen Sprachgebrauche fuͤr Flamme oder fuͤr einen wirklich brennenden Koͤrper, ſo hat dieſe Behauptung bey der Sonne unuͤberwindliche Schwierigkeiten gegen ſich. Ein ſolches Feuer kan nie ohne Nahrung, ohne wirkliche Zerſetzung irgend eines brennbaren Stoffes, und nie ohne Mitwirkung und Verwendung einer dephlogiſtiſirten Luft gedacht werden, ſ. Verbrennung. Kan man wohl in der Sonne einen ſolchen Stof, und um ſie her eine ſolche Luft, hinreichend zu einem Brande von vielen Jahrtauſenden, annehmen? Die Mittel, die man ausgedacht hat, dieſem Brande Nahrung zu verſchaffen, z. B. Kometen in die Sonne fallen, oder die Ausduͤnſtungen und das entwichene Phlogiſton aus den Planeten nach ihr hingehen zu laſſen, ſind unwahrſcheinlich und unzureichend; auch Wolfs Gedanke, daß ſich die ewige Flamme der Sonne nicht zerſtreuen koͤnne, weil ſie nicht, wie bey uns, in einer ſpecifiſch ſchwerern Luft in die Hoͤhe ſteige, iſt bey den jetzigen Begriffen von Verbrennung nicht mehr befriedigend. Noch eher koͤnnte man den Sonnenkoͤrper blos fuͤr gluͤhend halten; aber auch gluͤhende Koͤrper, aus denen ſich immerfort Waͤrmeſtof entwickeln und verbreiten ſoll, haben nicht nur ein Medium, das dieſen Waͤrmeſtof aufnimmt, ſondern auch einen beſtaͤndigen Zugang von neuer aͤußerer Waͤrme noͤthig. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0086" xml:id="P.4.76" n="76"/><lb/> </p> <p>Hieraus ſchloß man nun ſonſt ſehr voreilig, die Sonne ſey ein <hi rendition="#b">Feuer. Kircher</hi> (<hi rendition="#aq">Mundus ſubterran. Amſt. 1678. Tab. I. p. 64.</hi>) glaubte ſie als ein Meer von Feuer und Flammen, etwa wie fließendes und wallendes Kupfer in einem Schmelzofen, beobachtet zu haben. Seine Abbildung hievon iſt von <hi rendition="#b">Zahn</hi> (<hi rendition="#aq">Oculus artific. p. 190.</hi>) und Andern haͤufig copirt worden. 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Hieraus ſchloß man nun ſonſt ſehr voreilig, die Sonne ſey ein Feuer. Kircher (Mundus ſubterran. Amſt. 1678. Tab. I. p. 64.) glaubte ſie als ein Meer von Feuer und Flammen, etwa wie fließendes und wallendes Kupfer in einem Schmelzofen, beobachtet zu haben. Seine Abbildung hievon iſt von Zahn (Oculus artific. p. 190.) und Andern haͤufig copirt worden. Der Freyherr von Wolf behandelt ſogar den Satz, daß die Sonne ein wirkliches Feuer ſey, als einen mathematiſchen Lehrſatz, und beweiſt ihn dadurch, daß die Sonnenſtralen leuchten, waͤrmen, brennen u. ſ. w., alſo alle Kennzeichen des Feuers an ſich tragen. Es iſt hiebey ſehr unbeſtimmt, was man ſich unter dem Namen Feuer vorſtelle. Wolfs Schluͤſſe gelten nur, wenn man darunter uͤberhaupt alles verſteht, was Licht und Waͤrme veranlaßt; nimmt man aber Feuer nach dem gemeinen Sprachgebrauche fuͤr Flamme oder fuͤr einen wirklich brennenden Koͤrper, ſo hat dieſe Behauptung bey der Sonne unuͤberwindliche Schwierigkeiten gegen ſich. Ein ſolches Feuer kan nie ohne Nahrung, ohne wirkliche Zerſetzung irgend eines brennbaren Stoffes, und nie ohne Mitwirkung und Verwendung einer dephlogiſtiſirten Luft gedacht werden, ſ. Verbrennung. Kan man wohl in der Sonne einen ſolchen Stof, und um ſie her eine ſolche Luft, hinreichend zu einem Brande von vielen Jahrtauſenden, annehmen? Die Mittel, die man ausgedacht hat, dieſem Brande Nahrung zu verſchaffen, z. B. Kometen in die Sonne fallen, oder die Ausduͤnſtungen und das entwichene Phlogiſton aus den Planeten nach ihr hingehen zu laſſen, ſind unwahrſcheinlich und unzureichend; auch Wolfs Gedanke, daß ſich die ewige Flamme der Sonne nicht zerſtreuen koͤnne, weil ſie nicht, wie bey uns, in einer ſpecifiſch ſchwerern Luft in die Hoͤhe ſteige, iſt bey den jetzigen Begriffen von Verbrennung nicht mehr befriedigend. Noch eher koͤnnte man den Sonnenkoͤrper blos fuͤr gluͤhend halten; aber auch gluͤhende Koͤrper, aus denen ſich immerfort Waͤrmeſtof entwickeln und verbreiten ſoll, haben nicht nur ein Medium, das dieſen Waͤrmeſtof aufnimmt, ſondern auch einen beſtaͤndigen Zugang von neuer aͤußerer Waͤrme noͤthig.
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