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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Weil nun der Winkelhebel gleicharmicht ist, also fürs Gleichgewicht die nach DC wirkende Kraft dem Gewichte P gleich seyn muß, so folgt, daß alles in Ruhe sey, wenn AD:DC=A:P ist. Nun ist wegen der ähnlichen Dreyecke DCA und OKD, AD : DC=OD : OK, und OD=OL; daher fürs Gleichgewicht am geradlinchiten Hebel KOL, A:P=OL : OK.

Man sahe sonst diese Art, das Gesetz des Hebels zu erweisen, als die schärsste unter allen übrigen an. Es läßt sich aber mit Grund dagegen erinnern, daß man hier den geradlinichten Hebel, um seine Eigenschaften zu erweisen, erst in einen Winkelhebel, d. h. das einfachere in etwas zusammengesetzteres, verwandeln muß, welches wider die Regeln einer guten Methode streitet, und daß überdies die Lehre von Zusammensetzung und Zerlegung der Kräfte, wenn sie gehörig erwiesen werden soll, erst auf die Theorie des Hebels selbst muß gegründet werden. Daher ist der Kästnerische Beweis, welcher beym Worte Hebel vorkömmt, und hier auch auf den Winkelhebel erstreckt wird, allerdings weit vorzüglicher.

Varignon baut seinen Beweis der Theorie des Hebels ebenfalls auf die Zusammensetzung der Kräfte, indem er P und Q, Fig. 87, oder MT und MV zusammen als eine einzige Kraft MC betrachtet, welche durch den Ruhepunkt geht. Wenn aber hiebey, wie in den gewöhnlichsten und einfachsten Fällen, die Richtungen AP und BQ, parallel sind, so giebt es keinen Durchschnittspunkt M, außer im Unendlichen, und so entstehen wiederum die meisten Schwierigkeiten gerade bey dem einfachsten Falle. D'Alembert (Traite de dynamique. a Paris, 1743. 4.) leitet das Gesetz des Winkelhebels sehr glücklich aus dem Gleichgewichte zwoer gleichen und gerade entgegengesetzten Kräfte her; aber auch hier verschwinden diese Kräfte bey der Anwendung auf den geradlinichten Hebel, und die Folge aus dem allgemeinen Satze läßt sich nur auf eine indirecte und sehr gezwungene Weise ziehen. Man kan daher sagen, daß sich vor Herrn Kästners Bemühungen um diese


Weil nun der Winkelhebel gleicharmicht iſt, alſo fuͤrs Gleichgewicht die nach DC wirkende Kraft dem Gewichte P gleich ſeyn muß, ſo folgt, daß alles in Ruhe ſey, wenn AD:DC=A:P iſt. Nun iſt wegen der aͤhnlichen Dreyecke DCA und OKD, AD : DC=OD : OK, und OD=OL; daher fuͤrs Gleichgewicht am geradlinchiten Hebel KOL, A:P=OL : OK.

Man ſahe ſonſt dieſe Art, das Geſetz des Hebels zu erweiſen, als die ſchaͤrſſte unter allen uͤbrigen an. Es laͤßt ſich aber mit Grund dagegen erinnern, daß man hier den geradlinichten Hebel, um ſeine Eigenſchaften zu erweiſen, erſt in einen Winkelhebel, d. h. das einfachere in etwas zuſammengeſetzteres, verwandeln muß, welches wider die Regeln einer guten Methode ſtreitet, und daß uͤberdies die Lehre von Zuſammenſetzung und Zerlegung der Kraͤfte, wenn ſie gehoͤrig erwieſen werden ſoll, erſt auf die Theorie des Hebels ſelbſt muß gegruͤndet werden. Daher iſt der Kaͤſtneriſche Beweis, welcher beym Worte Hebel vorkoͤmmt, und hier auch auf den Winkelhebel erſtreckt wird, allerdings weit vorzuͤglicher.

Varignon baut ſeinen Beweis der Theorie des Hebels ebenfalls auf die Zuſammenſetzung der Kraͤfte, indem er P und Q, Fig. 87, oder MT und MV zuſammen als eine einzige Kraft MC betrachtet, welche durch den Ruhepunkt geht. Wenn aber hiebey, wie in den gewoͤhnlichſten und einfachſten Faͤllen, die Richtungen AP und BQ, parallel ſind, ſo giebt es keinen Durchſchnittspunkt M, außer im Unendlichen, und ſo entſtehen wiederum die meiſten Schwierigkeiten gerade bey dem einfachſten Falle. D'Alembert (Traité de dynamique. à Paris, 1743. 4.) leitet das Geſetz des Winkelhebels ſehr gluͤcklich aus dem Gleichgewichte zwoer gleichen und gerade entgegengeſetzten Kraͤfte her; aber auch hier verſchwinden dieſe Kraͤfte bey der Anwendung auf den geradlinichten Hebel, und die Folge aus dem allgemeinen Satze laͤßt ſich nur auf eine indirecte und ſehr gezwungene Weiſe ziehen. Man kan daher ſagen, daß ſich vor Herrn Kaͤſtners Bemuͤhungen um dieſe

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[785/0795] Weil nun der Winkelhebel gleicharmicht iſt, alſo fuͤrs Gleichgewicht die nach DC wirkende Kraft dem Gewichte P gleich ſeyn muß, ſo folgt, daß alles in Ruhe ſey, wenn AD:DC=A:P iſt. Nun iſt wegen der aͤhnlichen Dreyecke DCA und OKD, AD : DC=OD : OK, und OD=OL; daher fuͤrs Gleichgewicht am geradlinchiten Hebel KOL, A:P=OL : OK. Man ſahe ſonſt dieſe Art, das Geſetz des Hebels zu erweiſen, als die ſchaͤrſſte unter allen uͤbrigen an. Es laͤßt ſich aber mit Grund dagegen erinnern, daß man hier den geradlinichten Hebel, um ſeine Eigenſchaften zu erweiſen, erſt in einen Winkelhebel, d. h. das einfachere in etwas zuſammengeſetzteres, verwandeln muß, welches wider die Regeln einer guten Methode ſtreitet, und daß uͤberdies die Lehre von Zuſammenſetzung und Zerlegung der Kraͤfte, wenn ſie gehoͤrig erwieſen werden ſoll, erſt auf die Theorie des Hebels ſelbſt muß gegruͤndet werden. Daher iſt der Kaͤſtneriſche Beweis, welcher beym Worte Hebel vorkoͤmmt, und hier auch auf den Winkelhebel erſtreckt wird, allerdings weit vorzuͤglicher. Varignon baut ſeinen Beweis der Theorie des Hebels ebenfalls auf die Zuſammenſetzung der Kraͤfte, indem er P und Q, Fig. 87, oder MT und MV zuſammen als eine einzige Kraft MC betrachtet, welche durch den Ruhepunkt geht. Wenn aber hiebey, wie in den gewoͤhnlichſten und einfachſten Faͤllen, die Richtungen AP und BQ, parallel ſind, ſo giebt es keinen Durchſchnittspunkt M, außer im Unendlichen, und ſo entſtehen wiederum die meiſten Schwierigkeiten gerade bey dem einfachſten Falle. D'Alembert (Traité de dynamique. à Paris, 1743. 4.) leitet das Geſetz des Winkelhebels ſehr gluͤcklich aus dem Gleichgewichte zwoer gleichen und gerade entgegengeſetzten Kraͤfte her; aber auch hier verſchwinden dieſe Kraͤfte bey der Anwendung auf den geradlinichten Hebel, und die Folge aus dem allgemeinen Satze laͤßt ſich nur auf eine indirecte und ſehr gezwungene Weiſe ziehen. Man kan daher ſagen, daß ſich vor Herrn Kaͤſtners Bemuͤhungen um dieſe

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 785. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/795>, abgerufen am 25.11.2024.