Lage PQ, außer Umlauf und Umdrehung noch eine dritte Bewegung (motum declinationis s. Parallelismi) für nöthig hält, und der Erde-beylegt. Die Mechanik war zu seiner Zeit noch unvollkommen, fast dürfte ich sagen, gar nicht vorhanden. Sonst würde er gewußt haben, daß Umdrehung und Umlauf bey freyer Bewegung nicht in einander wirken, und daß die Axe der Umdrehung durch die Kräfte, die das Fortgehen bewirken, wohl aus der Stelle, aber nicht aus der Lage gebracht wird, daher ihr Parallelbleiben vielmehr Abwesenheit einer dritten Bewegung anzeigt. De la Caille drückt sich darüber sehr passend aus. (Ergo sua natura axis saltem parallelus manet, cum immotus manere nequeat, terra ipsa mota. Lection. elem. astron. vers. lat. Sect. II. P. I. e. 1.). Tycho machte den Einwurf, es sey hart, der groben Erdmasse dreyerley Bewegungen zu geben; aber die vermeinte dritte fällt ganz hinweg, und die Sache ist weit einsacher, als Copernikus selbst dachte.
Inzwischen ist dieser Irrthum von vielen Neuern nachgeschrieben worden. Wolf will diese dritte Bewegung durch das Beyspiel eines Schiffs erläutern, das um eine Insel fährt, und dessen Flagge sich, wenn sie immer parallel bleiben soll, bey jeder Umfahrt einmal um ihre Spindel drehen muß. In diesem übelgewählten Gleichnisse ist es nicht die Flagge, sondern die Spindel, die sich umdreht, weil sie am Schiffe fest ist, bey dessen Umfahrt allemal das Vordertheil vorangehen, und sich also nach und nach gegen alle Weltgegenden kehren muß. Bey der Erdkugel aber giebt es kein solches Vordertheil, das der Structur nach stets vorangehen müßte; drehte sie sich nicht um die Axe, so würde sie gehen, wie ein Schiff, das sein Vordertheil beständig gegen Mitternacht kehrte, bey welchem denn auch die Umdrehung der Flagge an der Spindel wegfallen würde. Zu bedauern ist, daß dieser falsche Gedanke nebst dem hinkenden Gleichnisse noch in neuern Büchern, die viel gelesen werden, (z. B. Schmidt von den Weltkörpern) wiederholt wird.
Lage PQ, außer Umlauf und Umdrehung noch eine dritte Bewegung (motum declinationis ſ. Paralleliſmi) fuͤr noͤthig haͤlt, und der Erde-beylegt. Die Mechanik war zu ſeiner Zeit noch unvollkommen, faſt duͤrfte ich ſagen, gar nicht vorhanden. Sonſt wuͤrde er gewußt haben, daß Umdrehung und Umlauf bey freyer Bewegung nicht in einander wirken, und daß die Axe der Umdrehung durch die Kraͤfte, die das Fortgehen bewirken, wohl aus der Stelle, aber nicht aus der Lage gebracht wird, daher ihr Parallelbleiben vielmehr Abweſenheit einer dritten Bewegung anzeigt. De la Caille druͤckt ſich daruͤber ſehr paſſend aus. (Ergo ſua natura axis ſaltem parallelus manet, cum immotus manere nequeat, terra ipſa mota. Lection. elem. aſtron. verſ. lat. Sect. II. P. I. e. 1.). Tycho machte den Einwurf, es ſey hart, der groben Erdmaſſe dreyerley Bewegungen zu geben; aber die vermeinte dritte faͤllt ganz hinweg, und die Sache iſt weit einſacher, als Copernikus ſelbſt dachte.
Inzwiſchen iſt dieſer Irrthum von vielen Neuern nachgeſchrieben worden. Wolf will dieſe dritte Bewegung durch das Beyſpiel eines Schiffs erlaͤutern, das um eine Inſel faͤhrt, und deſſen Flagge ſich, wenn ſie immer parallel bleiben ſoll, bey jeder Umfahrt einmal um ihre Spindel drehen muß. In dieſem uͤbelgewaͤhlten Gleichniſſe iſt es nicht die Flagge, ſondern die Spindel, die ſich umdreht, weil ſie am Schiffe feſt iſt, bey deſſen Umfahrt allemal das Vordertheil vorangehen, und ſich alſo nach und nach gegen alle Weltgegenden kehren muß. Bey der Erdkugel aber giebt es kein ſolches Vordertheil, das der Structur nach ſtets vorangehen muͤßte; drehte ſie ſich nicht um die Axe, ſo wuͤrde ſie gehen, wie ein Schiff, das ſein Vordertheil beſtaͤndig gegen Mitternacht kehrte, bey welchem denn auch die Umdrehung der Flagge an der Spindel wegfallen wuͤrde. Zu bedauern iſt, daß dieſer falſche Gedanke nebſt dem hinkenden Gleichniſſe noch in neuern Buͤchern, die viel geleſen werden, (z. B. Schmidt von den Weltkoͤrpern) wiederholt wird.
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Lage PQ, außer Umlauf und Umdrehung noch eine dritte Bewegung (motum declinationis ſ. Paralleliſmi) fuͤr noͤthig haͤlt, und der Erde-beylegt. Die Mechanik war zu ſeiner Zeit noch unvollkommen, faſt duͤrfte ich ſagen, gar nicht vorhanden. Sonſt wuͤrde er gewußt haben, daß Umdrehung und Umlauf bey freyer Bewegung nicht in einander wirken, und daß die Axe der Umdrehung durch die Kraͤfte, die das Fortgehen bewirken, wohl aus der Stelle, aber nicht aus der Lage gebracht wird, daher ihr Parallelbleiben vielmehr Abweſenheit einer dritten Bewegung anzeigt. De la Caille druͤckt ſich daruͤber ſehr paſſend aus. (Ergo ſua natura axis ſaltem parallelus manet, cum immotus manere nequeat, terra ipſa mota. Lection. elem. aſtron. verſ. lat. Sect. II. P. I. e. 1.). Tycho machte den Einwurf, es ſey hart, der groben Erdmaſſe dreyerley Bewegungen zu geben; aber die vermeinte dritte faͤllt ganz hinweg, und die Sache iſt weit einſacher, als Copernikus ſelbſt dachte.
Inzwiſchen iſt dieſer Irrthum von vielen Neuern nachgeſchrieben worden. Wolf will dieſe dritte Bewegung durch das Beyſpiel eines Schiffs erlaͤutern, das um eine Inſel faͤhrt, und deſſen Flagge ſich, wenn ſie immer parallel bleiben ſoll, bey jeder Umfahrt einmal um ihre Spindel drehen muß. In dieſem uͤbelgewaͤhlten Gleichniſſe iſt es nicht die Flagge, ſondern die Spindel, die ſich umdreht, weil ſie am Schiffe feſt iſt, bey deſſen Umfahrt allemal das Vordertheil vorangehen, und ſich alſo nach und nach gegen alle Weltgegenden kehren muß. Bey der Erdkugel aber giebt es kein ſolches Vordertheil, das der Structur nach ſtets vorangehen muͤßte; drehte ſie ſich nicht um die Axe, ſo wuͤrde ſie gehen, wie ein Schiff, das ſein Vordertheil beſtaͤndig gegen Mitternacht kehrte, bey welchem denn auch die Umdrehung der Flagge an der Spindel wegfallen wuͤrde. Zu bedauern iſt, daß dieſer falſche Gedanke nebſt dem hinkenden Gleichniſſe noch in neuern Buͤchern, die viel geleſen werden, (z. B. Schmidt von den Weltkoͤrpern) wiederholt wird.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/733>, abgerufen am 25.11.2024.
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