Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Der Weingeist ist keiner weitern Gährung fähig, und keinem Verderben ausgesetzt. Darum, und weil er alles Wässerichte auszieht, auch die Luft abhält, dient er vortreflich, organisirte Körper vor der Fäulniß zu bewahren. Wenn er im Weine in hinreichender Menge entstanden ist, so hindert er den Fortgang der Weingährung und die weitere Zersetzung des Zuckerstofs in den süßen Weinen. Auf Erden und Metalle scheint er nicht merklich zu wirken. Sogar eine große Anzahl von Neutral- und Mittelsalzen löset er nicht auf. Hingegen liefert er mit den Säuren, Laugensalzen, vielen öligten Substanzen und einigen Mittelsalzen merkwürdige Erscheinungen. Er verbindet sich überhaupt mit allen Säuren, vermindert ihre saure Beschaffenheit und verwandelt sie in versüßte Säuren, s. Vitriolsäure, Salpetersäure, Salzsäure. In gewissen Verhältnissen mit concentrirten Säuren destillirt, verliert er einen Theil seines wesentlichen Wassers, verändert dadurch, und vielleicht auch durch Verbindung mit einiger Säure, seine Natur, und verwandelt sich in eine den Oelen näher kommende Feuchtigkeit, s. Aether. Bey Destillirung des Weingeists mit Vitriolsäure geht zuletzt ein wahres mit schwelsaurem Geiste vermischtes Oel, das Weinöl oder süße Vitriolöl, über. Auch starke und sattsam entwässerte Laugensalze wirken von der Hitze unterstützt eben so auf den Weingeist, entziehen ihm seinen wässerichten Grundstof, und bringen ihn dem Zustande der Oele näher. Das ätzende fixe Laugensalz bildet mit ihm die Weinsteintinctur. Die mit Schütteln begleitete Digerirung von 6 Theilen Weingeist über 1 Theil heißes mildes Gewächslaugensalz ist ein gutes Mittel, den Weingeist zu entwässern. Für diese wesentlichen Oele der Pflanzen, und die aus ihrer Verdickung entstehenden Harze, ist der Weingeist das eigentliche Auflösungsmittel. So erhält man durch Digeriren
Der Weingeiſt iſt keiner weitern Gaͤhrung faͤhig, und keinem Verderben ausgeſetzt. Darum, und weil er alles Waͤſſerichte auszieht, auch die Luft abhaͤlt, dient er vortreflich, organiſirte Koͤrper vor der Faͤulniß zu bewahren. Wenn er im Weine in hinreichender Menge entſtanden iſt, ſo hindert er den Fortgang der Weingaͤhrung und die weitere Zerſetzung des Zuckerſtofs in den ſuͤßen Weinen. Auf Erden und Metalle ſcheint er nicht merklich zu wirken. Sogar eine große Anzahl von Neutral- und Mittelſalzen loͤſet er nicht auf. Hingegen liefert er mit den Saͤuren, Laugenſalzen, vielen oͤligten Subſtanzen und einigen Mittelſalzen merkwuͤrdige Erſcheinungen. Er verbindet ſich uͤberhaupt mit allen Saͤuren, vermindert ihre ſaure Beſchaffenheit und verwandelt ſie in verſuͤßte Saͤuren, ſ. Vitriolſaͤure, Salpeterſaͤure, Salzſaͤure. In gewiſſen Verhaͤltniſſen mit concentrirten Saͤuren deſtillirt, verliert er einen Theil ſeines weſentlichen Waſſers, veraͤndert dadurch, und vielleicht auch durch Verbindung mit einiger Saͤure, ſeine Natur, und verwandelt ſich in eine den Oelen naͤher kommende Feuchtigkeit, ſ. Aether. Bey Deſtillirung des Weingeiſts mit Vitriolſaͤure geht zuletzt ein wahres mit ſchwelſaurem Geiſte vermiſchtes Oel, das Weinoͤl oder ſuͤße Vitrioloͤl, uͤber. Auch ſtarke und ſattſam entwaͤſſerte Laugenſalze wirken von der Hitze unterſtuͤtzt eben ſo auf den Weingeiſt, entziehen ihm ſeinen waͤſſerichten Grundſtof, und bringen ihn dem Zuſtande der Oele naͤher. Das aͤtzende fixe Laugenſalz bildet mit ihm die Weinſteintinctur. Die mit Schuͤtteln begleitete Digerirung von 6 Theilen Weingeiſt uͤber 1 Theil heißes mildes Gewaͤchslaugenſalz iſt ein gutes Mittel, den Weingeiſt zu entwaͤſſern. Fuͤr dieſe weſentlichen Oele der Pflanzen, und die aus ihrer Verdickung entſtehenden Harze, iſt der Weingeiſt das eigentliche Aufloͤſungsmittel. So erhaͤlt man durch Digeriren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0687" xml:id="P.4.677" n="677"/><lb/> Streifen. Der Alkohol gefriert nicht in den bekannten Graden der Kaͤlte; die Waſſer enthaltenden Sorten aber gefrieren, jedoch weit ſpaͤter, als das Waſſer ſelbſt, z. B. gleiche Theile Alkohol und Waſſer bey—6 nach Fahrenheit.</p> <p>Der Weingeiſt iſt keiner weitern Gaͤhrung faͤhig, und keinem Verderben ausgeſetzt. Darum, und weil er alles Waͤſſerichte auszieht, auch die Luft abhaͤlt, dient er vortreflich, organiſirte Koͤrper vor der Faͤulniß zu bewahren. Wenn er im Weine in hinreichender Menge entſtanden iſt, ſo hindert er den Fortgang der Weingaͤhrung und die weitere Zerſetzung des Zuckerſtofs in den ſuͤßen Weinen.</p> <p>Auf Erden und Metalle ſcheint er nicht merklich zu wirken. Sogar eine große Anzahl von Neutral- und Mittelſalzen loͤſet er nicht auf. Hingegen liefert er mit den Saͤuren, Laugenſalzen, vielen oͤligten Subſtanzen und einigen Mittelſalzen merkwuͤrdige Erſcheinungen. Er verbindet ſich uͤberhaupt mit allen Saͤuren, vermindert ihre ſaure Beſchaffenheit und verwandelt ſie in <hi rendition="#b">verſuͤßte Saͤuren, ſ. Vitriolſaͤure, Salpeterſaͤure, Salzſaͤure.</hi> In gewiſſen Verhaͤltniſſen mit concentrirten Saͤuren deſtillirt, verliert er einen Theil ſeines weſentlichen Waſſers, veraͤndert dadurch, und vielleicht auch durch Verbindung mit einiger Saͤure, ſeine Natur, und verwandelt ſich in eine den Oelen naͤher kommende Feuchtigkeit, <hi rendition="#b">ſ. Aether.</hi> Bey Deſtillirung des Weingeiſts mit Vitriolſaͤure geht zuletzt ein wahres mit ſchwelſaurem Geiſte vermiſchtes Oel, das <hi rendition="#b">Weinoͤl</hi> oder <hi rendition="#b">ſuͤße Vitrioloͤl,</hi> uͤber. Auch ſtarke und ſattſam entwaͤſſerte Laugenſalze wirken von der Hitze unterſtuͤtzt eben ſo auf den Weingeiſt, entziehen ihm ſeinen waͤſſerichten Grundſtof, und bringen ihn dem Zuſtande der Oele naͤher. Das aͤtzende fixe Laugenſalz bildet mit ihm die <hi rendition="#b">Weinſteintinctur.</hi> Die mit Schuͤtteln begleitete Digerirung von 6 Theilen Weingeiſt uͤber 1 Theil heißes mildes Gewaͤchslaugenſalz iſt ein gutes Mittel, den Weingeiſt zu entwaͤſſern.</p> <p>Fuͤr dieſe weſentlichen Oele der Pflanzen, und die aus ihrer Verdickung entſtehenden Harze, iſt der Weingeiſt das eigentliche Aufloͤſungsmittel. So erhaͤlt man durch Digeriren<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [677/0687]
Streifen. Der Alkohol gefriert nicht in den bekannten Graden der Kaͤlte; die Waſſer enthaltenden Sorten aber gefrieren, jedoch weit ſpaͤter, als das Waſſer ſelbſt, z. B. gleiche Theile Alkohol und Waſſer bey—6 nach Fahrenheit.
Der Weingeiſt iſt keiner weitern Gaͤhrung faͤhig, und keinem Verderben ausgeſetzt. Darum, und weil er alles Waͤſſerichte auszieht, auch die Luft abhaͤlt, dient er vortreflich, organiſirte Koͤrper vor der Faͤulniß zu bewahren. Wenn er im Weine in hinreichender Menge entſtanden iſt, ſo hindert er den Fortgang der Weingaͤhrung und die weitere Zerſetzung des Zuckerſtofs in den ſuͤßen Weinen.
Auf Erden und Metalle ſcheint er nicht merklich zu wirken. Sogar eine große Anzahl von Neutral- und Mittelſalzen loͤſet er nicht auf. Hingegen liefert er mit den Saͤuren, Laugenſalzen, vielen oͤligten Subſtanzen und einigen Mittelſalzen merkwuͤrdige Erſcheinungen. Er verbindet ſich uͤberhaupt mit allen Saͤuren, vermindert ihre ſaure Beſchaffenheit und verwandelt ſie in verſuͤßte Saͤuren, ſ. Vitriolſaͤure, Salpeterſaͤure, Salzſaͤure. In gewiſſen Verhaͤltniſſen mit concentrirten Saͤuren deſtillirt, verliert er einen Theil ſeines weſentlichen Waſſers, veraͤndert dadurch, und vielleicht auch durch Verbindung mit einiger Saͤure, ſeine Natur, und verwandelt ſich in eine den Oelen naͤher kommende Feuchtigkeit, ſ. Aether. Bey Deſtillirung des Weingeiſts mit Vitriolſaͤure geht zuletzt ein wahres mit ſchwelſaurem Geiſte vermiſchtes Oel, das Weinoͤl oder ſuͤße Vitrioloͤl, uͤber. Auch ſtarke und ſattſam entwaͤſſerte Laugenſalze wirken von der Hitze unterſtuͤtzt eben ſo auf den Weingeiſt, entziehen ihm ſeinen waͤſſerichten Grundſtof, und bringen ihn dem Zuſtande der Oele naͤher. Das aͤtzende fixe Laugenſalz bildet mit ihm die Weinſteintinctur. Die mit Schuͤtteln begleitete Digerirung von 6 Theilen Weingeiſt uͤber 1 Theil heißes mildes Gewaͤchslaugenſalz iſt ein gutes Mittel, den Weingeiſt zu entwaͤſſern.
Fuͤr dieſe weſentlichen Oele der Pflanzen, und die aus ihrer Verdickung entſtehenden Harze, iſt der Weingeiſt das eigentliche Aufloͤſungsmittel. So erhaͤlt man durch Digeriren
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