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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Körper selbst hat eine ihm eigne Wärme, die wir deutlich fühlen, besonders wenn die äußern weniger warmen Theile mit den bedecktern, z. B. die Hand mit der Brust, in Berührung kommen. Dieser Begrif von Wärme ist blos relativ. Wo ein Mensch oder ein Theil des Körpers Wärme fühlt, da fühlt oft der andere Kälte. Es kömmt darauf an, ob die Ursache der Empfindung in dem gefühlten, oder in dem fühlenden Körper, wirksamer ist. Nur in jenem Falle fühlt der letztere Wärme, in diesem Kälte. So wäre Wärme eigentlich derjenige Zustand eines Körpers, in welchem sein Feuer wirksamer ist, als in einem andern ihn berührenden Körper.

Da aber die Erfahrung keinen Zustand der Körper zeigt, in welchem man selbige aller Wirksamkeit des Feuers beraubt oder absolut wärmeleer nennen könnte, so verstattet man sich, mit dem Namen der Wärme, oder besser, der fühlbaren Wärme, überhaupt den Zustand der Körper in Absicht auf die jetzt gedachte Wirksamkeit ihres Feuers zu bezeichnen, ohne Beziehung darauf, ob sie der anfühlenden Hand warm oder kalt vorkommen. In diesem Sinne ist selbst im Eise und gefrornen Quecksilber noch Wärme vorhanden -- ein Zustand, der aufs Gefühl und Thermometer wirkt, indem er sich andern berührenden Körpern mitzutheilen, und durch alle Stoffe bis zu einem gewissen Gleichgewichte zu verbreiten strebt.

Endlich wird drittens der Name Wärme sehr oft der physischen Ursache dieser Erscheinungen, oder derjenigen Materie beygelegt, welche jenes Gesühl und jenen Zustand der Körper bewirkt, und freylich schicklicher den Namen Wärmestof (Materia caloris s. calorifica) führt. Diese Materie heißt sonst auch Feuer; daher ist ihr unter diesem Namen bereits ein eigner Artikel dieses Wörterbuchs gewidmet worden, wo auch noch mehrere Benennungen von ihr vorkommen). In der neuen Sprache des antiphlogistischen Systems heißt sie das Calorique (Caloricum).

Jetzt brauchen mehrere Physiker das Wort Feuer nur von der mit Licht begleiteten Wärme. Dieser sehr schicklichen Bestimmung würde ich selbst folgen, wenn ich den Plan meines Wörterbuchs jetzt anzulegen hätte. Aber, wie die Sache nun steht, bin ich genöthigt, hier noch einiges vom Wärmestof beyzubringen, das dem eigentlichen Plane nach in den Artikel Feuer gehörte. Man wird dies entschuldigen, wenn man bedenkt, wieviel während meiner Arbeit am Wörterbuche über diesen Gegenstand hinzugekommen ist.


Koͤrper ſelbſt hat eine ihm eigne Waͤrme, die wir deutlich fuͤhlen, beſonders wenn die aͤußern weniger warmen Theile mit den bedecktern, z. B. die Hand mit der Bruſt, in Beruͤhrung kommen. Dieſer Begrif von Waͤrme iſt blos relativ. Wo ein Menſch oder ein Theil des Koͤrpers Waͤrme fuͤhlt, da fuͤhlt oft der andere Kaͤlte. Es koͤmmt darauf an, ob die Urſache der Empfindung in dem gefuͤhlten, oder in dem fuͤhlenden Koͤrper, wirkſamer iſt. Nur in jenem Falle fuͤhlt der letztere Waͤrme, in dieſem Kaͤlte. So waͤre Waͤrme eigentlich derjenige Zuſtand eines Koͤrpers, in welchem ſein Feuer wirkſamer iſt, als in einem andern ihn beruͤhrenden Koͤrper.

Da aber die Erfahrung keinen Zuſtand der Koͤrper zeigt, in welchem man ſelbige aller Wirkſamkeit des Feuers beraubt oder abſolut waͤrmeleer nennen koͤnnte, ſo verſtattet man ſich, mit dem Namen der Waͤrme, oder beſſer, der fuͤhlbaren Waͤrme, uͤberhaupt den Zuſtand der Koͤrper in Abſicht auf die jetzt gedachte Wirkſamkeit ihres Feuers zu bezeichnen, ohne Beziehung darauf, ob ſie der anfuͤhlenden Hand warm oder kalt vorkommen. In dieſem Sinne iſt ſelbſt im Eiſe und gefrornen Queckſilber noch Waͤrme vorhanden — ein Zuſtand, der aufs Gefuͤhl und Thermometer wirkt, indem er ſich andern beruͤhrenden Koͤrpern mitzutheilen, und durch alle Stoffe bis zu einem gewiſſen Gleichgewichte zu verbreiten ſtrebt.

Endlich wird drittens der Name Waͤrme ſehr oft der phyſiſchen Urſache dieſer Erſcheinungen, oder derjenigen Materie beygelegt, welche jenes Geſuͤhl und jenen Zuſtand der Koͤrper bewirkt, und freylich ſchicklicher den Namen Waͤrmeſtof (Materia caloris ſ. calorifica) fuͤhrt. Dieſe Materie heißt ſonſt auch Feuer; daher iſt ihr unter dieſem Namen bereits ein eigner Artikel dieſes Woͤrterbuchs gewidmet worden, wo auch noch mehrere Benennungen von ihr vorkommen). In der neuen Sprache des antiphlogiſtiſchen Syſtems heißt ſie das Calorique (Caloricum).

Jetzt brauchen mehrere Phyſiker das Wort Feuer nur von der mit Licht begleiteten Waͤrme. Dieſer ſehr ſchicklichen Beſtimmung wuͤrde ich ſelbſt folgen, wenn ich den Plan meines Woͤrterbuchs jetzt anzulegen haͤtte. Aber, wie die Sache nun ſteht, bin ich genoͤthigt, hier noch einiges vom Waͤrmeſtof beyzubringen, das dem eigentlichen Plane nach in den Artikel Feuer gehoͤrte. Man wird dies entſchuldigen, wenn man bedenkt, wieviel waͤhrend meiner Arbeit am Woͤrterbuche uͤber dieſen Gegenſtand hinzugekommen iſt.
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[534/0544] Koͤrper ſelbſt hat eine ihm eigne Waͤrme, die wir deutlich fuͤhlen, beſonders wenn die aͤußern weniger warmen Theile mit den bedecktern, z. B. die Hand mit der Bruſt, in Beruͤhrung kommen. Dieſer Begrif von Waͤrme iſt blos relativ. Wo ein Menſch oder ein Theil des Koͤrpers Waͤrme fuͤhlt, da fuͤhlt oft der andere Kaͤlte. Es koͤmmt darauf an, ob die Urſache der Empfindung in dem gefuͤhlten, oder in dem fuͤhlenden Koͤrper, wirkſamer iſt. Nur in jenem Falle fuͤhlt der letztere Waͤrme, in dieſem Kaͤlte. So waͤre Waͤrme eigentlich derjenige Zuſtand eines Koͤrpers, in welchem ſein Feuer wirkſamer iſt, als in einem andern ihn beruͤhrenden Koͤrper. Da aber die Erfahrung keinen Zuſtand der Koͤrper zeigt, in welchem man ſelbige aller Wirkſamkeit des Feuers beraubt oder abſolut waͤrmeleer nennen koͤnnte, ſo verſtattet man ſich, mit dem Namen der Waͤrme, oder beſſer, der fuͤhlbaren Waͤrme, uͤberhaupt den Zuſtand der Koͤrper in Abſicht auf die jetzt gedachte Wirkſamkeit ihres Feuers zu bezeichnen, ohne Beziehung darauf, ob ſie der anfuͤhlenden Hand warm oder kalt vorkommen. In dieſem Sinne iſt ſelbſt im Eiſe und gefrornen Queckſilber noch Waͤrme vorhanden — ein Zuſtand, der aufs Gefuͤhl und Thermometer wirkt, indem er ſich andern beruͤhrenden Koͤrpern mitzutheilen, und durch alle Stoffe bis zu einem gewiſſen Gleichgewichte zu verbreiten ſtrebt. Endlich wird drittens der Name Waͤrme ſehr oft der phyſiſchen Urſache dieſer Erſcheinungen, oder derjenigen Materie beygelegt, welche jenes Geſuͤhl und jenen Zuſtand der Koͤrper bewirkt, und freylich ſchicklicher den Namen Waͤrmeſtof (Materia caloris ſ. calorifica) fuͤhrt. Dieſe Materie heißt ſonſt auch Feuer; daher iſt ihr unter dieſem Namen bereits ein eigner Artikel dieſes Woͤrterbuchs gewidmet worden, wo auch noch mehrere Benennungen von ihr vorkommen ). In der neuen Sprache des antiphlogiſtiſchen Syſtems heißt ſie das Calorique (Caloricum). Jetzt brauchen mehrere Phyſiker das Wort Feuer nur von der mit Licht begleiteten Waͤrme. Dieſer ſehr ſchicklichen Beſtimmung wuͤrde ich ſelbſt folgen, wenn ich den Plan meines Woͤrterbuchs jetzt anzulegen haͤtte. Aber, wie die Sache nun ſteht, bin ich genoͤthigt, hier noch einiges vom Waͤrmeſtof beyzubringen, das dem eigentlichen Plane nach in den Artikel Feuer gehoͤrte. Man wird dies entſchuldigen, wenn man bedenkt, wieviel waͤhrend meiner Arbeit am Woͤrterbuche uͤber dieſen Gegenſtand hinzugekommen iſt.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/544>, abgerufen am 22.11.2024.