Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


angestellt. D. Hook (Animadvers. in partem primam mach. coelestis Hevelii) bestritt Hevels Methode, die Winkel am Himmel ohne Fernröhre zu messen, und behauptete aus Versuchen, selbst das schärfste Auge könne Winkel unter 1/2 Min. nicht mehr unterscheiden, und gewöhnliche Augen empfänden schon Winkel unter 1 Min. nicht mehr. Zween Sterne, die um 1/2--1 Min. von einander abstünden, erschienen den bloßen Augen, wie einer. D. Smith (Lehrbegrif der Opt der Uebers. S. 29.) bestätiat dieses in dem Falle, da der Gegenstand ein runder schwarzer Fleck auf weißem Grunde, oder ein weißer Fleck auf schwarzem Grunde ist; weil ein sehr gutes Auge diese nicht mehr sehe, wann der Gesichtswinkel unter 40", oder die Entfernung vom Auge (nach Ex. 3.) 5156mal größer, als der Durchmesser des Fleckens sey. Auch der Marquis de Courtivron (Mem. de Paris 1752. p. 200.) folgert aus seinen Versuchen, der kleinste empfindbare Gesichtswinkel sey=40". Smith berechnet für diese Größe mn=(1/8000) Zoll, und nennt daher ein solches Theilchen von (1/8000) Zoll Durchmesser einen empfindlichen Punkt der Netzhaut. Nach der Vorstellungsart, die ich beym Worte Sehen erklärt habe, würde dies die Größe einer einzelnen Nervenspitze seyn.

D. Jurin (Abhandl. vom deutlichen Sehen beym Smith, der Uebers. S. 502. u. f.) bemerkt, daß hiebey das Meiste auf die Stärke des Lichts ankomme. Fixsterne, deren wahrer Sehewinkel noch nicht 1 Sec. ausmacht, werden dennoch gesehen, weil sich ihr Bild ausbreitet. Striche werden auf größere Weiten gesehen, als Punkte oder Tüpfelchen von gleicher Breite, und längere Striche sieht man auf größere Weiten, als kürzere, weil die Eindrucke von ihnen mehr Nerven der Länge nach rühren. Jurin fand, daß er einen Silberdrath von (1/385) Zoll Dicke auf weißem Papiere unter einem Gesichtswinkel von 3 1/2 Sec. und einen seidnen Faden unter einem von 2 1/2 Secunden noch sehen konnte.

Einzelne Gegenstände bleiben auf eine etwas größere Weite empfindbar, als gleich große zwischen ihnen befindliche


angeſtellt. D. Hook (Animadverſ. in partem primam mach. coeleſtis Hevelii) beſtritt Hevels Methode, die Winkel am Himmel ohne Fernroͤhre zu meſſen, und behauptete aus Verſuchen, ſelbſt das ſchaͤrfſte Auge koͤnne Winkel unter 1/2 Min. nicht mehr unterſcheiden, und gewoͤhnliche Augen empfaͤnden ſchon Winkel unter 1 Min. nicht mehr. Zween Sterne, die um 1/2—1 Min. von einander abſtuͤnden, erſchienen den bloßen Augen, wie einer. D. Smith (Lehrbegrif der Opt der Ueberſ. S. 29.) beſtaͤtiat dieſes in dem Falle, da der Gegenſtand ein runder ſchwarzer Fleck auf weißem Grunde, oder ein weißer Fleck auf ſchwarzem Grunde iſt; weil ein ſehr gutes Auge dieſe nicht mehr ſehe, wann der Geſichtswinkel unter 40″, oder die Entfernung vom Auge (nach Ex. 3.) 5156mal groͤßer, als der Durchmeſſer des Fleckens ſey. Auch der Marquis de Courtivron (Mém. de Paris 1752. p. 200.) folgert aus ſeinen Verſuchen, der kleinſte empfindbare Geſichtswinkel ſey=40″. Smith berechnet fuͤr dieſe Groͤße mn=(1/8000) Zoll, und nennt daher ein ſolches Theilchen von (1/8000) Zoll Durchmeſſer einen empfindlichen Punkt der Netzhaut. Nach der Vorſtellungsart, die ich beym Worte Sehen erklaͤrt habe, wuͤrde dies die Groͤße einer einzelnen Nervenſpitze ſeyn.

D. Jurin (Abhandl. vom deutlichen Sehen beym Smith, der Ueberſ. S. 502. u. f.) bemerkt, daß hiebey das Meiſte auf die Staͤrke des Lichts ankomme. Fixſterne, deren wahrer Sehewinkel noch nicht 1 Sec. ausmacht, werden dennoch geſehen, weil ſich ihr Bild ausbreitet. Striche werden auf groͤßere Weiten geſehen, als Punkte oder Tuͤpfelchen von gleicher Breite, und laͤngere Striche ſieht man auf groͤßere Weiten, als kuͤrzere, weil die Eindrucke von ihnen mehr Nerven der Laͤnge nach ruͤhren. Jurin fand, daß er einen Silberdrath von (1/385) Zoll Dicke auf weißem Papiere unter einem Geſichtswinkel von 3 1/2 Sec. und einen ſeidnen Faden unter einem von 2 1/2 Secunden noch ſehen konnte.

Einzelne Gegenſtaͤnde bleiben auf eine etwas groͤßere Weite empfindbar, als gleich große zwiſchen ihnen befindliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0042" xml:id="P.4.32" n="32"/><lb/>
ange&#x017F;tellt. <hi rendition="#b">D. Hook</hi> (<hi rendition="#aq">Animadver&#x017F;. in partem primam mach. coele&#x017F;tis Hevelii</hi>) be&#x017F;tritt <hi rendition="#b">Hevels</hi> Methode, die Winkel am Himmel ohne Fernro&#x0364;hre zu me&#x017F;&#x017F;en, und behauptete aus Ver&#x017F;uchen, &#x017F;elb&#x017F;t das &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;te Auge ko&#x0364;nne Winkel unter 1/2 Min. nicht mehr unter&#x017F;cheiden, und gewo&#x0364;hnliche Augen empfa&#x0364;nden &#x017F;chon Winkel unter 1 Min. nicht mehr. Zween Sterne, die um 1/2&#x2014;1 Min. von einander ab&#x017F;tu&#x0364;nden, er&#x017F;chienen den bloßen Augen, wie einer. <hi rendition="#b">D. Smith</hi> (Lehrbegrif der Opt der Ueber&#x017F;. S. 29.) be&#x017F;ta&#x0364;tiat die&#x017F;es in dem Falle, da der Gegen&#x017F;tand ein runder &#x017F;chwarzer Fleck auf weißem Grunde, oder ein weißer Fleck auf &#x017F;chwarzem Grunde i&#x017F;t; weil ein &#x017F;ehr gutes Auge die&#x017F;e nicht mehr &#x017F;ehe, wann der Ge&#x017F;ichtswinkel unter 40&#x2033;, oder die Entfernung vom Auge (nach Ex. 3.) 5156mal gro&#x0364;ßer, als der Durchme&#x017F;&#x017F;er des Fleckens &#x017F;ey. Auch der Marquis <hi rendition="#b">de Courtivron</hi> (<hi rendition="#aq">Mém. de Paris 1752. p. 200.</hi>) folgert aus &#x017F;einen Ver&#x017F;uchen, der klein&#x017F;te empfindbare Ge&#x017F;ichtswinkel &#x017F;ey=40&#x2033;. <hi rendition="#b">Smith</hi> berechnet fu&#x0364;r die&#x017F;e Gro&#x0364;ße <hi rendition="#aq">mn</hi>=(1/8000) Zoll, und nennt daher ein &#x017F;olches Theilchen von (1/8000) Zoll Durchme&#x017F;&#x017F;er einen <hi rendition="#b">empfindlichen Punkt der Netzhaut.</hi> Nach der Vor&#x017F;tellungsart, die ich beym <hi rendition="#b">Worte Sehen</hi> erkla&#x0364;rt habe, wu&#x0364;rde dies die Gro&#x0364;ße einer einzelnen Nerven&#x017F;pitze &#x017F;eyn.</p>
            <p><hi rendition="#b">D. Jurin</hi> (Abhandl. vom deutlichen Sehen beym <hi rendition="#b">Smith,</hi> der Ueber&#x017F;. S. 502. u. f.) bemerkt, daß hiebey das Mei&#x017F;te auf die Sta&#x0364;rke des Lichts ankomme. Fix&#x017F;terne, deren wahrer Sehewinkel noch nicht 1 Sec. ausmacht, werden dennoch ge&#x017F;ehen, weil &#x017F;ich ihr Bild ausbreitet. Striche werden auf gro&#x0364;ßere Weiten ge&#x017F;ehen, als Punkte oder Tu&#x0364;pfelchen von gleicher Breite, und la&#x0364;ngere Striche &#x017F;ieht man auf gro&#x0364;ßere Weiten, als ku&#x0364;rzere, weil die Eindrucke von ihnen mehr Nerven der La&#x0364;nge nach ru&#x0364;hren. <hi rendition="#b">Jurin</hi> fand, daß er einen Silberdrath von (1/385) Zoll Dicke auf weißem Papiere unter einem Ge&#x017F;ichtswinkel von 3 1/2 Sec. und einen &#x017F;eidnen Faden unter einem von 2 1/2 Secunden noch &#x017F;ehen konnte.</p>
            <p>Einzelne Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde bleiben auf eine etwas gro&#x0364;ßere Weite empfindbar, als gleich große zwi&#x017F;chen ihnen befindliche<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0042] angeſtellt. D. Hook (Animadverſ. in partem primam mach. coeleſtis Hevelii) beſtritt Hevels Methode, die Winkel am Himmel ohne Fernroͤhre zu meſſen, und behauptete aus Verſuchen, ſelbſt das ſchaͤrfſte Auge koͤnne Winkel unter 1/2 Min. nicht mehr unterſcheiden, und gewoͤhnliche Augen empfaͤnden ſchon Winkel unter 1 Min. nicht mehr. Zween Sterne, die um 1/2—1 Min. von einander abſtuͤnden, erſchienen den bloßen Augen, wie einer. D. Smith (Lehrbegrif der Opt der Ueberſ. S. 29.) beſtaͤtiat dieſes in dem Falle, da der Gegenſtand ein runder ſchwarzer Fleck auf weißem Grunde, oder ein weißer Fleck auf ſchwarzem Grunde iſt; weil ein ſehr gutes Auge dieſe nicht mehr ſehe, wann der Geſichtswinkel unter 40″, oder die Entfernung vom Auge (nach Ex. 3.) 5156mal groͤßer, als der Durchmeſſer des Fleckens ſey. Auch der Marquis de Courtivron (Mém. de Paris 1752. p. 200.) folgert aus ſeinen Verſuchen, der kleinſte empfindbare Geſichtswinkel ſey=40″. Smith berechnet fuͤr dieſe Groͤße mn=(1/8000) Zoll, und nennt daher ein ſolches Theilchen von (1/8000) Zoll Durchmeſſer einen empfindlichen Punkt der Netzhaut. Nach der Vorſtellungsart, die ich beym Worte Sehen erklaͤrt habe, wuͤrde dies die Groͤße einer einzelnen Nervenſpitze ſeyn. D. Jurin (Abhandl. vom deutlichen Sehen beym Smith, der Ueberſ. S. 502. u. f.) bemerkt, daß hiebey das Meiſte auf die Staͤrke des Lichts ankomme. Fixſterne, deren wahrer Sehewinkel noch nicht 1 Sec. ausmacht, werden dennoch geſehen, weil ſich ihr Bild ausbreitet. Striche werden auf groͤßere Weiten geſehen, als Punkte oder Tuͤpfelchen von gleicher Breite, und laͤngere Striche ſieht man auf groͤßere Weiten, als kuͤrzere, weil die Eindrucke von ihnen mehr Nerven der Laͤnge nach ruͤhren. Jurin fand, daß er einen Silberdrath von (1/385) Zoll Dicke auf weißem Papiere unter einem Geſichtswinkel von 3 1/2 Sec. und einen ſeidnen Faden unter einem von 2 1/2 Secunden noch ſehen konnte. Einzelne Gegenſtaͤnde bleiben auf eine etwas groͤßere Weite empfindbar, als gleich große zwiſchen ihnen befindliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/42
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/42>, abgerufen am 27.11.2024.