Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Man schrieb ehedem die Kugelgestalt der Tropfen dem Drucke der Luft zu, der auf abgesonderte Theile flüßiger Materien ringsum mit gleicher Stärke wirke. Als man aber fand, daß alle Phänomene der Tropfen auch in luftleeren Räumen statt finden, setzte man dafür den Druck der subtilen Materie oder des Aethers. Weit richtiger sieht Newton die Erscheinungen der Tropfen als Phänomene der Attraction an, durch welche die Theile der flüßigen Materien zusammenhängen. Er sagt hievon in seinen der Optik beygefügten Fragen (Opt. Qu. 23. p. m. 338.): "Guttae cor"poris cujusque sluidi, ut siguram globosam induere co"nentur, facit mutua partium suarum Attractio; eodem "modo, quo Terra Mariaque in rotunditatem undique "conglobantur, partium suarum Attractione mutua, quae "est Gravitas." Doch soll hierinn keine Causalerklärung liegen. Newton will nur so viel sagen, die Ursache der Tropfengestalt sey einerley mit der Ursache des Zusammenhangs, deren Natur übrigens unbekannt ist. Vorstellen kan man sich allerdings, als ob alle Theile einander gleich stark anzögen. Unter dieser Vorstellung ist die Kugelgestalt die einzige, in welcher die Theile in einem vollkommnen Gleichgewichte seyn können. Sobald andere Kräfte stärker wirken, als diese Anziehung oder Tohäsionskraft, wird der Tropfen zertrennt oder seine Gestalt geändert. Wenn eine große Masse Wasser durch die Luft herabfällt, so zertheilt sie sich von selbst in lauter Tropfen, weil jeder Theil, dessen Gewicht stärker ist, als sein Zusammenhang mit den übrigen, sich losreißt und einen eignen Tropfen bildet. Musschenbroek (Introd. ad philos. nat. To. I. §. 1018. sqq.) erzählt eine Menge schöner Versuche über die Tropfen. Er bildete Tropfen, indem er flüßige Materien durch einen gläsernen Trichter, der sich in ein Haarröhrchen endigte, auf untergelegte wagrechte Flächen langsam herabfallen ließ.
Man ſchrieb ehedem die Kugelgeſtalt der Tropfen dem Drucke der Luft zu, der auf abgeſonderte Theile fluͤßiger Materien ringsum mit gleicher Staͤrke wirke. Als man aber fand, daß alle Phaͤnomene der Tropfen auch in luftleeren Raͤumen ſtatt finden, ſetzte man dafuͤr den Druck der ſubtilen Materie oder des Aethers. Weit richtiger ſieht Newton die Erſcheinungen der Tropfen als Phaͤnomene der Attraction an, durch welche die Theile der fluͤßigen Materien zuſammenhaͤngen. Er ſagt hievon in ſeinen der Optik beygefuͤgten Fragen (Opt. Qu. 23. p. m. 338.): ”Guttae cor”poris cujusque ſluidi, ut ſiguram globoſam induere co”nentur, facit mutua partium ſuarum Attractio; eodem ”modo, quo Terra Mariaque in rotunditatem undique ”conglobantur, partium ſuarum Attractione mutua, quae ”eſt Gravitas.“ Doch ſoll hierinn keine Cauſalerklaͤrung liegen. Newton will nur ſo viel ſagen, die Urſache der Tropfengeſtalt ſey einerley mit der Urſache des Zuſammenhangs, deren Natur uͤbrigens unbekannt iſt. Vorſtellen kan man ſich allerdings, als ob alle Theile einander gleich ſtark anzoͤgen. Unter dieſer Vorſtellung iſt die Kugelgeſtalt die einzige, in welcher die Theile in einem vollkommnen Gleichgewichte ſeyn koͤnnen. Sobald andere Kraͤfte ſtaͤrker wirken, als dieſe Anziehung oder Tohaͤſionskraft, wird der Tropfen zertrennt oder ſeine Geſtalt geaͤndert. Wenn eine große Maſſe Waſſer durch die Luft herabfaͤllt, ſo zertheilt ſie ſich von ſelbſt in lauter Tropfen, weil jeder Theil, deſſen Gewicht ſtaͤrker iſt, als ſein Zuſammenhang mit den uͤbrigen, ſich losreißt und einen eignen Tropfen bildet. Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. To. I. §. 1018. ſqq.) erzaͤhlt eine Menge ſchoͤner Verſuche uͤber die Tropfen. Er bildete Tropfen, indem er fluͤßige Materien durch einen glaͤſernen Trichter, der ſich in ein Haarroͤhrchen endigte, auf untergelegte wagrechte Flaͤchen langſam herabfallen ließ. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0407" xml:id="P.4.397" n="397"/><lb/> Weingeiſts, Queckſilbers u. ſ. w. in der Luft, durch die ſie fallen, die Theile des Oels im Waſſer, durch das ſie aufſteigen u. ſ. w.</p> <p>Man ſchrieb ehedem die Kugelgeſtalt der Tropfen dem Drucke der Luft zu, der auf abgeſonderte Theile fluͤßiger Materien ringsum mit gleicher Staͤrke wirke. Als man aber fand, daß alle Phaͤnomene der Tropfen auch in luftleeren Raͤumen ſtatt finden, ſetzte man dafuͤr den Druck der ſubtilen Materie oder des Aethers. Weit richtiger ſieht <hi rendition="#b">Newton</hi> die Erſcheinungen der Tropfen als Phaͤnomene der Attraction an, durch welche die Theile der fluͤßigen Materien zuſammenhaͤngen. Er ſagt hievon in ſeinen der Optik beygefuͤgten Fragen <hi rendition="#aq">(Opt. Qu. 23. p. m. 338.): ”<hi rendition="#i">Guttae</hi> cor”poris cujusque ſluidi, ut <hi rendition="#i">ſiguram globoſam</hi> induere co”nentur, facit mutua partium ſuarum <hi rendition="#i">Attractio;</hi> eodem ”modo, quo Terra Mariaque in rotunditatem undique ”conglobantur, partium ſuarum Attractione mutua, quae ”eſt Gravitas.“</hi> Doch ſoll hierinn keine Cauſalerklaͤrung liegen. Newton will nur ſo viel ſagen, die Urſache der Tropfengeſtalt ſey einerley mit der Urſache des Zuſammenhangs, deren Natur uͤbrigens unbekannt iſt.</p> <p>Vorſtellen kan man ſich allerdings, als ob alle Theile einander gleich ſtark anzoͤgen. Unter dieſer Vorſtellung iſt die Kugelgeſtalt die einzige, in welcher die Theile in einem vollkommnen Gleichgewichte ſeyn koͤnnen. Sobald andere Kraͤfte ſtaͤrker wirken, als dieſe Anziehung oder Tohaͤſionskraft, wird der Tropfen zertrennt oder ſeine Geſtalt geaͤndert. Wenn eine große Maſſe Waſſer durch die Luft herabfaͤllt, ſo zertheilt ſie ſich von ſelbſt in lauter Tropfen, weil jeder Theil, deſſen Gewicht ſtaͤrker iſt, als ſein Zuſammenhang mit den uͤbrigen, ſich losreißt und einen eignen Tropfen bildet.</p> <p><hi rendition="#b">Muſſchenbroek</hi> (<hi rendition="#aq">Introd. ad philoſ. nat. To. I. §. 1018. ſqq.</hi>) erzaͤhlt eine Menge ſchoͤner Verſuche uͤber die Tropfen. Er bildete Tropfen, indem er fluͤßige Materien durch einen glaͤſernen Trichter, der ſich in ein Haarroͤhrchen endigte, auf untergelegte wagrechte Flaͤchen langſam herabfallen ließ.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [397/0407]
Weingeiſts, Queckſilbers u. ſ. w. in der Luft, durch die ſie fallen, die Theile des Oels im Waſſer, durch das ſie aufſteigen u. ſ. w.
Man ſchrieb ehedem die Kugelgeſtalt der Tropfen dem Drucke der Luft zu, der auf abgeſonderte Theile fluͤßiger Materien ringsum mit gleicher Staͤrke wirke. Als man aber fand, daß alle Phaͤnomene der Tropfen auch in luftleeren Raͤumen ſtatt finden, ſetzte man dafuͤr den Druck der ſubtilen Materie oder des Aethers. Weit richtiger ſieht Newton die Erſcheinungen der Tropfen als Phaͤnomene der Attraction an, durch welche die Theile der fluͤßigen Materien zuſammenhaͤngen. Er ſagt hievon in ſeinen der Optik beygefuͤgten Fragen (Opt. Qu. 23. p. m. 338.): ”Guttae cor”poris cujusque ſluidi, ut ſiguram globoſam induere co”nentur, facit mutua partium ſuarum Attractio; eodem ”modo, quo Terra Mariaque in rotunditatem undique ”conglobantur, partium ſuarum Attractione mutua, quae ”eſt Gravitas.“ Doch ſoll hierinn keine Cauſalerklaͤrung liegen. Newton will nur ſo viel ſagen, die Urſache der Tropfengeſtalt ſey einerley mit der Urſache des Zuſammenhangs, deren Natur uͤbrigens unbekannt iſt.
Vorſtellen kan man ſich allerdings, als ob alle Theile einander gleich ſtark anzoͤgen. Unter dieſer Vorſtellung iſt die Kugelgeſtalt die einzige, in welcher die Theile in einem vollkommnen Gleichgewichte ſeyn koͤnnen. Sobald andere Kraͤfte ſtaͤrker wirken, als dieſe Anziehung oder Tohaͤſionskraft, wird der Tropfen zertrennt oder ſeine Geſtalt geaͤndert. Wenn eine große Maſſe Waſſer durch die Luft herabfaͤllt, ſo zertheilt ſie ſich von ſelbſt in lauter Tropfen, weil jeder Theil, deſſen Gewicht ſtaͤrker iſt, als ſein Zuſammenhang mit den uͤbrigen, ſich losreißt und einen eignen Tropfen bildet.
Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. To. I. §. 1018. ſqq.) erzaͤhlt eine Menge ſchoͤner Verſuche uͤber die Tropfen. Er bildete Tropfen, indem er fluͤßige Materien durch einen glaͤſernen Trichter, der ſich in ein Haarroͤhrchen endigte, auf untergelegte wagrechte Flaͤchen langſam herabfallen ließ.
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